Medical Tribune
5. Nov. 2023Was hinter den Bauchschmerzen einer Frau mit Kinderwunsch steckte

Durch Ayurveda vergiftet

Manchmal ist «gut gemeint» alles andere als «gut gemacht». Um endlich schwanger zu werden, hatte eine 39-Jährige mit Kinderwunsch zu einem Ayurveda-Präparat gegriffen und sich damit über Monate unwissentlich selbst vergiftet.

Bei Symptomen einer Bleivergiftung sollte man an Heilpräparate aus dem Internet denken.
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Bei Symptomen einer Bleivergiftung sollte man an Heilpräparate aus dem Internet denken.

Die Frau suchte innerhalb weniger Wochen mehrmals die Notaufnahme auf, da sie unter Bauchschmerzen, Verstopfung, Erschöpfung, Übelkeit und Erbrechen litt.

Bei ihrem dritten Besuch wurde ein Hämoglobinwert von 67 g/l (Referenz: 115-155 g/l) festgestellt und das mittlere korpuskuläre Volumen betrug 88,5 fl (Referenz: 80-98 fl). Daraufhin wurde sie ins Krankenhaus eingewiesen.

Ayurveda-Pillen waren schuld

Eine laparoskopische Untersuchung zeigte keine sichtbaren Endometrioseherde. Die Endoskopie von Magen und Darm ergab keine Hinweise auf Blutungen. Auch die Knochenmarkbiopsie ergab keinen Befund, der die Anämie erklären konnte, abgesehen von einer erhöhten Eisenspeicherung. Die Patientin hatte eine gut eingestellte Hypothyreose und wurde mit Follitropin-alfa-Injektionen wegen Unfruchtbarkeit behandelt. Zudem nahm sie Folsäure ein.

Die Ärzte stellten die Diagnose einer Anämie unbekannter Ursache bei Verdacht auf leichte Endometriose. Nach einer Bluttransfusion ging es der Patientin zunächst besser, aber Fatigue, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen und Tinnitus kehrten bald zurück.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurden Dr. Julian Gitelman und seine Kollegen von der Universität Toronto hinzugezogen. Auf Nachfrage gab die Patientin an, seit gut einem Jahr ayurvedische Medizin zur Behandlung ihrer Unfruchtbarkeit einzunehmen - manchmal nur wenige Pillen am Tag, manchmal bis zu einem Dutzend. Vor und während des Krankenhausaufenthalts hatte sie die Einnahme pausiert, danach jedoch wieder aufgenommen. Der daraufhin gemessene Bleispiegel im Blut war mit 55 µg/dl deutlich erhöht (normal: < 2 µg/dl).

Die Analyse der Pillen ergab tatsächlich einen hohen Bleigehalt. Nach Absetzen des Präparats und einer sechsmonatigen Chelatbehandlung stieg die Hämoglobinkonzentration merklich an und es ging der Frau deutlich besser.

Bei Schmerzen und Anämie an Bleivergiftung denken!

Bei Bauchschmerzen in Verbindung mit einer mikrozytären Anämie sollte immer auch der Bleigehalt des Blutes bestimmt werden, schreiben Dr. Gitelman und seine Kollegen. Wenn eine berufliche Exposition oder offensichtliche Quellen für die Vergiftung ausgeschlossen werden können, sollten auch traditionelle und pflanzliche Arzneimittel (z.B. Ayurveda, TCM), die frei im Internet erhältlich sind, als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden.

Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, die Quelle der Bleivergiftung zu finden und die Einnahme durch die Patienten zu beenden. Bei fortgesetzter Exposition ist nach Aussage der Autoren die Gabe von Chelaten kontraindiziert.