Gestationsdiabetes: Grenzwerte weiter unklar
Um eine gestationsbedingte Störung des Blutzuckerstoffwechsels frühzeitig erkennen und behandeln zu können, sollten alle Schwangeren im zweiten Trimenon einen oralen Glukosetoleranztest (oGTT) absolvieren. Unklar ist aber nach wie vor, ab welchen Grenzwerten die Diagnose Gestationsdiabetes gestellt werden sollte.
Eine der grössten Gefahren des Gestationsdiabetes stellt die Geburt eines makrosomen Kindes dar, erklären die Autoren einer aktuellen Untersuchung.
Im Rahmen der randomisierten Studie prüften sie, inwiefern die Wahl der oGTT-Blutzuckergrenzwerte das Risiko für ein Large-for-Gestational-Age (LGA)-Kind beeinflusst. Von diesem spricht man, wenn das Geburtsgewicht des Neugeborenen die 90. Perzentile überschreitet. In diesem Fall drohen unter anderem Komplikationen wie eine Schulterdystokie oder Geburtsverletzungen.
Kein Unterschied bei LGA-Diagnosen bei strenger vs. liberaler Zielsetzung
Die Studie schloss insgesamt 4.061 Frauen mit Einlingsschwangerschaften ein. Zur Überprüfung ihrer Glukosetoleranz absolvierten sie zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche einen 75-Gramm-oGTT.
In etwa der Hälfte der Fälle wurde die Gestationsdiabetes-Diagnose ab einem Nüchternwert von 5,1 mmol/l, einem Ein-Stunden-Wert von ≥ 10 mmol/l oder einem Zwei-Stunden-Wert von ≥ 8,5 mmol/l gestellt. Bei den übrigen Frauen wurden dagegen liberalere Diagnosekriterien verwendet (Nüchternwert ≥ 5,5 mmol/l oder Zwei-Stunden-Wert ≥ 9,0 mmol/l).
Erwartungsgemäss resultierten die strengeren im Vergleich zu den liberaleren Grenzwerten in einer höheren Gestationsdiabetes-Rate (15,3 vs. 6,1%). Bezüglich der Häufigkeit von LGA-Kindern unterschieden sich die beiden Strategien jedoch nicht (8,8 vs. 8,9 %).
Mehr Neugeborenenhypoglykämien in Gruppe mit niedrigen Grenzwerten erkannt
Ähnliche Beobachtungen machten die Autoren bei anderen neonatalen Endpunkten. Einen Unterschied gab es jedoch bei der behandlungsbedürftigen Neugeborenenhypoglykämie: Diese beobachteten die Forscher in der Gruppe mit den niedrigen Grenzwerten signifikant häufiger. Der erhöhte Anteil könnte daran liegen, dass man bei Neugeborenen von Müttern mit bekanntem Gestationsdiabetesmöglicherweise besser auf eine mögliche Hypoglykämie achtet, mutmassen die Autoren.
Die strengere Gestationsdiabetes-Definition führte jedoch auch zu häufigeren medizinischen Konsultationen und ging mit einer höheren Rate von Geburtseinleitungen und Antidiabetikatherapien einher.
«Zu früh für abschliessende Entscheidung»
Für die Studienteilnehmerinnen und ihre Kinder hatte die strengere Gestationsdiabetes-Definition weder wesentliche Vor- noch Nachteile, resümiert auch Professor Dr. Michael Greene, Harvard University, Boston, in einem begleitenden Editorial (2). Die Suche nach den perfekten Grenzwerten geht weiter, so der Experte.
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- Crowther CA et al. Lower versus Higher Glycemic Criteria for Diagnosis of Gestational Diabetes. N Engl J Med. 2022 Aug 18;387(7):587-598. doi: 10.1056/NEJMoa2204091
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- Greene MF. Drawing the Line on Glycemia in Pregnancy. N Engl J Med. 2022 Aug 18;387(7):652-654. doi: 10.1056/NEJMe2208339