ALL: Immun-Chemotherapie in der Erstlinie dürfte die Zukunft für Ältere sein
Wenige Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie in höherem Lebensalter erhalten eine intensive Therapie – unabhängig von ihrem Performance-Status. Einige erhalten sogar nur eine palliative Behandlung. Dabei gibt es wirksame Optionen, die sich auch für über 55-Jährige eignen.
Ältere Patienten mit ALL an Zentren überweisen, dazu rief Dr. Nicola Gökbuget von der Universitätsklinik in Frankfurt am Main am 64. ASH-Meeting (1) auf. Die Prognose sei vor allem ab dem Alter von 55 Jahren schlecht und der Medical need hoch. In laufenden Studien werden Immun-Chemotherapie-Optionen mit Inotuzumab-Ozogamicin oder Blinatumomab in der Erstlinie für ältere Patienten geprüft. Das dürfte die Zukunft für Betroffene im höheren Lebensalter sein, meinte Dr. Gökbuget und betonte: «Wir haben wirksame Therapien auch für Ältere, allerdings werden sie für diese Gruppe nicht vermarktet und es gibt in den meisten Ländern Europas keine Kostenerstattung dafür.»
Um diese Situation zu verbessern, muss eine Standardtherapie definiert werden, die auch in randomisierten Studien als Kontrolle dienen kann. Zentrale Ziele sind die Reduktion der Frühmortalität und die Verringerung der Rezidivrate durch die Eradikation einer minimalen Resterkrankung (MRD).
Adaptiertes pädiatrisches ALL-Schema geprüft
Die Referentin präsentierte die Ergebnisse einer Studie mit einem angepassten, pädiatrisch-stimulierten Protokoll der deutschen ALL-Studiengruppe GMALL, das EMA-zugelassene Therapieoptionen nutzt (s. Kasten). Dr. Gökbuget und ihr Team verglichen Patienten, die das ursprüngliche Protokoll mit leichten Abwandlungen erhalten hatten (Gruppe 1), mit einer zweiten Kohorte, in der das zuletzt eingesetzte Regime nach Möglichkeit dosisdichter erfolgen sollte und MRD-basiert nach der zweiten Konsolidierungsphase ein Behandlungswechsel stattfinden konnte.
Das mediane Alter der Teilnehmer lag bei 68 Jahren, der Anteil der über 75-Jährigen betrug elf Prozent (n = 91). 50 Prozent wiesen einen Carlson-Komorbiditätsindex (CCI) von 0 auf, 40 Prozent von 1–2, und zehn Prozent von ≥ 3. 80 Prozent hatten eine ALL der B-Linie.
73 Prozent der evaluierbaren Personen erreichten nach Induktion eine Komplettremission (CR). Der Anteil in der zweiten Gruppe war mit 75 vs. 72 Prozent etwas höher als in der ersten. Die Referentin bezifferte die Rate früher Todesfälle mit insgesamt 14 Prozent, mit 15 Prozent in der ersten und neun Prozent in der zweiten Gruppe. Hauptrisikofaktor für frühe Todesfälle war das Alter, ausserdem ein CCI ≥ 3. Eine Leukozytenzahl von ≥ 30 000/µl ging mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit für ein CR einher (62 vs. 77% bei < 30.000/µl).
- ASH Annual Meeting 2022, 10-13. Dezember 2022, New Orleans