So wählen Sie das richtige Verhütungsmittel
Für die Schwangerschaftsverhütung stehen viele verschiedene hormonelle Kontrazeptiva zur Auswahl. Welche Kriterien dabei eine Rolle spielen, und wie eine massgeschneiderte Lösung für jede Patientin gefunden werden kann, beschreibt Professor Dr. Petra Stute, Leitende Ärztin und stv. Chefärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital in Bern.
Eine 23-jährige Leistungssportlerin mit leichter Dysmenorrhö fliegt häufig, hat keine Kontraindikationen für irgendeine Art der Kontrazeption, lehnt eine Spirale ab und präferiert eine Progestin-Only-Pill (POP).
«Grundsätzlich wäre bei der Patientin als Leistungssportlerin eine Verhütung von Vorteil, die für einen regelmässigen Zyklus oder eine Kontrazeptions-induzierte Amenorrhö sorgt, die Dysmenorrhö reduziert und keinen negativen Einfluss auf Gewicht und Knochen hat», erklärte Prof. Stute (1). Als Vielfliegerin sei bei ihr ausserdem ein Präparat mit einem möglichst niedrigen Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) zu bevorzugen.
Spotting bei gutem Teil der Patientinnen mit Monopräparat
«Ein Gestagen-Monopräparat, wie es die Patientin präferiert, ist für eine Frau, für die Zyklusregelmässigkeit wichtig ist, eher nicht die erste Wahl», sagt die Referentin. Denn 40 bis 45 Prozent der Frauen, die mit Desogestrel oder Drospirenon (DRSP) als Monopräparat verhüten, berichten auch nach neun Monaten noch über ungeplante Blutungen oder Spotting (2).
Für kombinierte Kontrazeptiva (COC) sind die Daten besser. Wechselt eine Frau von einer kombinierten Pille mit Ethinylestradiol (EE) auf ein kombiniertes Kontrazeptivum mit Estradiol (E2) oder auf eine POP, nehmen Blutungsvolumen und Dysmenorrhö ab (3). Bei einer Verhütung mit der neuen Pille mit Estetrol (E4, Drovelis®) und DRSP haben ausserdem allermeisten Frauen nach einem Jahr eine geplante Entzugsblutung von vier bis fünf Tagen (4). Zwischenblutungen kommen bei 13 Prozent vor (3).
Gewicht und Knochengesundheit berücksichtigen
Eine verbreitete Angst von Frauen ist, sie nähmen unter einer kombinierten Pille an Gewicht zu. Tatsächlich aber verändert sich das Gewicht mit einer COC nicht signifikant (5). Frauen, die ein Gestagen-Monopräparat nutzen, nehmen tendenziell eher etwas zu (3). Mit der neuen Pille mit E4/DRSP nehmen sie hingegen wahrscheinlich eher minimal ab (4). «Eine starke Gewichtsveränderung ist sowohl mit Gestagen-Mono als auch mit einer kombinierten Pille nicht zu erwarten», fasste die Referentin die Datenlage zusammen.
Ein anderer wichtiger Aspekt bei der Wahl eines hormonellen Kontrazeptivums ist die Knochengesundheit. «Bei einer jungen Frau wie im Fallbeispiel, mit einem regelmässigen Zyklus und somit auch einer ausreichenden endogenen Östrogenexposition, haben kombinierte Kontrazeptiva keinen negativen Einfluss auf die Knochen (6)», sagte Prof. Stute. Offene Fragen bestehen jedoch hinsichtlich der Wirkung von niedrigdosierten COC auf die Knochen, insbesondere bei sehr jungen Frauen.
Kontrazeption beim RED-S-Syndrom besonders sorgfältig evaluieren
Problematisch ist aber die Knochensituation, wenn ein relatives Energie-Defizit im Sport besteht, so die Referentin. Dieses RED-S-Syndrom beinhaltet eine Kombination aus einem vorhandenen Energiedefizit, einer Oligo-/Amenorrhö und einer verminderten Knochendichte. «In dieser Situation ist das Kontrazeptivum besonders sorgfältig zu evaluieren», betonte die Expertin.
Bei der Auswahl eines Kontrazeptivums ist auch das VTE-Risiko immer zu berücksichtigen. Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie empfiehlt für Erstanwenderinnen eine Pille mit Levonorgestrel (LNG), da das Thromboserisiko zum Zeitpunkt der Publikation der Leitlinie 2020 am niedrigsten für diese Kontrazeptiva bewertet wurde. «Die Situation hat sich inzwischen komplett verändert», sagte Prof. Stute. Neue Daten (7) zeigen, dass die Pillen mit E2 kein höheres VTE-Risiko aufweisen als die LNG-Präparate. Wegen des Thromboserisikos immer nur LNG-Pillen zu verschreiben, sei also nicht länger haltbar, betonte die Expertin.
Aufgrund der von ihr im Vortrag angestellten Überlegungen und präsentierten Studiendaten präferierte Prof. Stute bei der Frau im Fallbeispiel schliesslich eine der neuen Pille mit E2 (Qlaira®, Zoely®) oder mit E4 (Drovelis®). «Eine POP kommt bei dieser Patientin allein aus dem Grund nicht in Frage, weil Zyklusstörungen für ihre sportlichen Aktivtäten ungünstig wären», so die Expertin.
Referenzen
- FomF Update Refresher Gynäkologie
- Palacios S et al. A multicenter, double-blind, randomized trial on the bleeding profile of a drospirenone-only pill 4 mg over nine cycles in comparison with desogestrel 0.075 mg. Arch Gynecol Obstet. 2019 Dec;300(6):1805-1812. doi: 10.1007/s00404-019-05340-4. Epub 2019 Nov 14.
- Briggs P et al. Continuation rates, bleeding profile acceptability, and satisfaction of women using an oral contraceptive pill containing estradiol valerate and dienogest versus a progestogen-only pill after switching from an ethinylestradiol-containing pill in a real-life setting: results of the CONTENT study. Int J Womens Health. 2016 Sep 15;8:477-487. doi: 10.2147/IJWH.S107586.
- Creinin MD et al. Estetrol-drospirenone combination oral contraceptive: North American phase 3 efficacy and safety results. Contraception. 2021 Sep;104(3):222-228. doi: 10.1016/j.contraception.2021.05.002. Epub 2021 May 15.
- Gallo MF et al. Combination contraceptives: effects on weight. Cochrane Database Syst Rev. 2014 Jan 29;(1):CD003987. doi: 10.1002/14651858.CD003987.pub5.
- Dombrowski S et al. Oral contraceptive use and fracture risk-a retrospective study of 12,970 women in the UK. Osteoporos Int. 2017 Aug;28(8):2349-2355. doi: 10.1007/s00198-017-4036-x. Epub 2017 Apr 13.
- Morimont L et al. Combined Oral Contraceptives and Venous Thromboembolism: Review and Perspective to Mitigate the Risk. Front Endocrinol (Lausanne). 2021 Dec 9;12:769187. doi: 10.3389/fendo.2021.769187.