Rheuma: Lösen Infekte und Impfungen Schübe aus?
Die allermeisten Rheumatologen würden die Aussage, dass eine Infektion oder eine Impfung für den nächsten Rheumaschub sorgen kann, wohl unterstützen. Genau dafür gibt es allerdings wenig Evidenz.
«Potenziell können alle Mikroorganismen, die mit dem Immunsystem interagieren, die Balance zwischen Toleranz, Abwehr und Autoimmunität modifizieren», erklärt Dr. Johanna Mucke, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf (1). Vor allem deshalb geht man heute davon aus, dass bei manchen Autoimmunerkrankungen Mikroorganismen die Trigger sind.
Dürre Studienlandschaft
Konkret werden etwa die bakteriellen Erreger Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis mit der ACPA-positiven rheumatoiden Arthritis (RA) assoziiert, für das Epstein-Barr-Virus (EBV) gibt es wiederum Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang mit Lupus erythematodes. Als Mechanismen, die möglicherweise dahinterstecken stehen molekulare Mimikry, Superantigene oder B-Zell-Autoimmunitätsverstärkung in der Diskussion.
Dr. Mucke hat sich im Zuge einer intensiven Literaturrecherche damit beschäftigt, ob Infektionen bei schon bestehender entzündlich-rheumatischer Erkrankung Schübe auslösen können. Bisher gibt es nur sehr wenige Studien dazu, sagt die Expertin. Dazu gehört eine chinesische Studie mit einer Kohorte von 105 SLE-Patienten, die auf das Zytomegalievirus untersucht wurden. Bei 42 war das Virus bei Erstmanifestation nachweisbar, bei 31 im Krankheitsschub und bei 32 in einem lupusähnlichen Schub. Diese Daten sind aber leider wenig aussagekräftig, betont Dr. Mucke.
Erhöhtes Risiko für schwere Schübe nach schweren Infekten
Für das Epstein-Barr-Virus gibt es in der Literatur ebenfalls keinen eindeutigen Hinweis auf vermehrte Schübe bei Infektion. Allerdings ist die EBV-Last bei SLE-Patienten mit aktivem Lupus mitunter höher. «Daraus zu schliessen, dass EBV Lupusschübe auslösen kann, fällt mir aber schwer», so Dr. Mucke.
Auch das Parvovirus B19 (Ringelröteln) ist in puncto Autoimmunität in Verruf geraten: In einzelnen Fällen führte das Virus beim Lupus erythematodes zum Aufflackern der Erkrankung. Und auch die rheumatoide Arthritis soll durch Parvovirus B19 ausgelöst werden können – allerdings sind hierzu die Daten diskrepant, betont die Expertin.
Zum generellen Schubrisiko nach Infektionen hat Dr. Mucke lediglich eine einzige Arbeit gefunden. Darin war bei 203 SLE-Patienten und 1060 Patientenjahren das gesamte Schubrisiko nach Infektionen knapp verdoppelt (Hazard Ratio, HR = 1,9). Das Risiko für schwere Schübe nach einer schweren Infektion lag mit einer HR von 7,4 deutlich höher – allerdings mit einem breiten 95%-Konfidenzintervall (2,2–24,6). Keine Assoziation zeigte diese Analyse zwischen schweren Infektionen und milden Schüben.
Auch Covid-19 könnte Schübe begünstigen
Daten zu Infektion und Schüben konnten auch während Covid-19 gesammelt werden. In einer Studie von 2021 betrug die Schubrate bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen 34,2 Prozent nach SARS-CoV-2-Infektion, im Vergleich zu 12,7 Prozent bei Nichtinfizierten. In einer weiteren Studie kam man auf eine infektionsbedingte Schubrate von 41 Prozent. Bei den beiden Publikationen müsse bedacht werden, dass sie auf Patientenfragebogen, d.h. der Selbsteinschätzung der Betroffenen, beruhen, gibt Dr. Mucke jedoch zu bedenken.
Zudem hatte jeweils etwa die Hälfte der Rheumapatienten aufgrund ihrer SARS-CoV-2-Infektion die antirheumatische Medikation reduziert oder pausiert. Das könnte zu einem erheblichen Bias geführt haben.
Nach Influenzaimpfungen steigen Lupusantikörper an
Nachgewiesenermassen führt die Influenzaimpfung bei RA zu keiner erhöhten Krankheitsaktivität. Das Gleiche gilt für den SLE, allerdings kommt es nach Vakzination gelegentlich zu einer transienten Erhöhung der Antikörper. Rheumafaktor, ANA, ENA, ANCA und APL-Titer können allerdings auch bei Gesunden kurz ansteigen.
Einzelne Berichte nennen eine durch die Hepatitis-B-Vakzine erhöhte Schubrate bei SLE-Patienten. Es gibt allerdings gleichermassen Untersuchungen, in denen die Frequenz nicht anstieg. Eine Studie mit 85 Probanden zeigte bei acht Teilnehmern eine transiente Erhöhung von APL-Antikörpern nach der Hepatitis-B-Impfung. Die Impfung gegen Pneumokokken schien hingegen weder das Schubrisiko für Lupus noch für RA zu erhöhen.
Zur Frage, ob die Coronaimpfung rheumatische Schübe auslöst gibt es Daten aus vier grossen Impfregistern. Darin lagen die Schubraten nach Vakzination zwischen 1,5 und 15 Prozent. Zum Vergleich: Die geschätzte Rate ohne Covid-19 und ohne Impfung beträgt etwa 7 Prozent.
Insgesamt sind die Daten zur Frage, ob Impfungen oder Infektionen Schübe bei Autoimmunerkrankungen auslösen können, spärlich, resümiert Dr. Mucke. Sie geht weiterhin davon aus, dass beide Zustände Schübe auslösen können, auch wenn eine absolute Aussage dazu schwierig ist.
Referenz
- Deutscher Rheumatologiekongress 2022, 31. August - 2. September 2022, Berlin
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