Medical Tribune
24. Jan. 2023Allergene Kosmetik

Jede Menge neue Kontaktallergene

Rückstände aus Kosmetikprodukten bleiben oft längere Zeit auf der Haut. Daher bringen Trends in der Kosmetikbranche auch viele neue Kontaktallergene mit sich. Vor allem neue Acrylate sorgen aktuell für Probleme.

Hat ein Patient plötzlich eine Kontaktallergie, empfiehlt sich die Frage, ob er ein neues Kosmitkprodukt verwendet.
Anna Tretiak/gettyimages

«In den letzten Monaten gab es immer wieder Berichte über Kontaktallergien auf Antiseptika oder Konservierungsstoffe», sagt Prof. Dr. Thomas Rustemeyer, Dermatologe am Amsterdam UMC (1). «Es mehren sich z.B. Berichte über Reaktionen auf Chlorphenesin». Dieses bereits seit langem bekannte Konservierungsmittel wurde von der Kosmetikbranche neu entdeckt, und ist seit kurzem in vielen Kosmetika aber auch in fungiziden Cremes enthalten.

Der Kreativität der Branche sind keine Grenzen gesetzt

Dass es vor allem diese Substanzen trifft, überrasche nicht, meinte der Experte. Immerhin wurden Isothiazolinone für Kosmetika in der EU weitgehend verboten, sie waren vorher in bis zu 80 Prozent der Produkte enthalten. Ersatzstoffe mussten her. «Um nicht vom Regen in die Traufe zu kommen, ist es wichtig, Fälle von neuen Kontaktallergenen publik zu machen und das Ganze zu monitoren», hebtder Referent hervor.

Das Paradebeispiel für Allergen-Trends sind Acrylnägel. Die in Acryl-Nagellacken enthaltene 2-HEMA-Monomere können lokal begrenzte Ekzeme oder systemische Reaktionen verursachen. «Zu sagen, wer sich sensibilisiert hat, muss fortan auf Kunstnägel verzichten, ist allerdings zu kurz gefasst», so Prof. Rustemayer. «Denn eine Sensibilisierung hat auch aus medizinischer Sicht Konsequenzen.»

Allergisch gegen die Zahnfüllung?

Acrylate werden u.a. in der Zahnmedizin (Füllungen), für Knochenzement, Hörgeräte oder in weichen Kontaktlinsen verwendet. Die Reaktionen auf Zahnfüllungen halten zwar nur so lange an, bis alle Monomere polymerisiert sind, aber in diesem Zeitraum können sie sehr stark ausfallen.

Acrylate wie Isoboronylacrylat (IBOA) werden derzeit ausserdem noch in vielen Medizingeräten eingesetzt (z.B. CGM-Geräte zur Blutzuckermessung) und sorgen bei Patienten für kontaktallergische Reaktionen. Dabei wird das IBOA nicht unbedingt als Hautkleber verwendet, sondern für die Geräte selbst. «IBOA zeigt selten Kreuzreaktionen mit anderen Methacrylaten und wurde daher bisher immer übersehen», erläutert Prof. Rustemeyer. Als Testsubstanz werde seit 2020 eine 0,3-prozentige Lösung empfohlen. Seine Abteilung teste auch 0,5 Prozent, fügte der Referent hinzu. Ausserdem sei es wichtig, auch auf die Spätreaktionen zu achten.

Bei einem negativen Test auf IBOA sollte man Geräte nicht pauschal freisprechen. So traten 2020 plötzlich Reaktionen auf ein IBOA-freies Device auf, als man in der Produktion anfing 2,2‘-Methylenebis(6-tert-butyl-4-methylphenol)monoacrylat (MBPA) zu nutzen. «Manchmal ändert die Indus­trie Dinge, ohne darüber ausreichend aufzuklären», warnt der Experte.

In der Kosmetik verboten, im Autositz erlaubt

MBPA ist nicht der letzte Problemfall. In letzter Zeit berichten Patienten von Ekzemen, reagieren aber nicht auf die getesteten Acrylate. Ein Verdächtiger in diesen Fällen ist Kolophonium (bzw. Derivate wie Methyl-Dehydroabietat), das in Gehäusen, Hautschutztüchern zur Verbesserung der Adhäsion und in Hy­drokolloidverbänden verwendet wird. Für die Auslösersuche ist es wichtig, auch nach Wipes und Pflastern zu fragen, und danach, ob sich das Ekzem nach deren Verwendung verschlimmert. Neben Klebern können auch andere Bestandteile von medizinischen Geräten oder Implantaten als Allergen fungieren:

  • Metalle (Platin) aus implantierten Messsensoren (zeigen i.d.R. typische lokale Reaktionen)
  • Metall oder Polymere, die in Koronarstents verwendet werden (bei Reaktion droht eine Restenose)
  • Legierungen wie Nitinol (wird bei endoskopischer Lungenvolumenreduktion oder in intrauterinen Devices verwendet)

Und schliesslich gibt es indirekte Gefahren. So darf das für Kosmetika verbotene Benzisothiazolinon weiter in Verpackungsmaterial enthalten sein – und gelangt womöglich auf diese Weise ins Produkt. Und das ebenfalls für Kosmetika verbotene Octylisothiazolinon ist in zahlreichen industriellen Produkten vertreten. Daher kann ein Patient z.B. auf den Ledersitz im Auto, Schuhe oder das Sofa allergisch reagieren.

Referenz
  1. 31. EADV-Kongress, 7.-10. September 2022