Nicht mehr als nötig, aber so pünktlich wie möglich
Mit der Änderung von «3+1» auf «2+1» hat sich das Impfschema für Säuglinge vereinfacht. Es soll nun vor allem bei Basis- und Auffrischimpfungen Impflücken vermeiden. Infektiologe und EKIF-Präsident Professor Dr. Christoph Berger erläutert, was diese Änderung in der Praxis bedeutet.
Der aktuelle Impfplan des BAG sieht im ersten Lebensjahr eine Sechsfach-Impfung vor. Sie deckt Diphtherie (D), Tetanus (T), Pertussis (Pa), Hepatitis B (HBV), Poliomyelitis (IPV) und Haemophilus influenzae Typ b (Hib) ab.
Zusätzlich wird für Säuglinge die Basisimpfung gegen Pneumokokken empfohlen. Zur Anwendung kommt der 13-valente konjugierte Impfstoff. «Dieser wird zusammen mit dem hexavalenten Impfstoff seit 2019 mit einem 2+1-Schema im Alter von 2, 4 und 12 Monaten verabreicht», erklärt Professor Dr. Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) und Abteilungsleiter Infektiologie & Spitalhygiene am Kinderspital Zürich (1).
Die Masern-Mumps-Röteln (MMR)-Impfung ist ebenfalls nach vorne verschoben. Die Säuglinge erhalten zwei Dosen, mit neun und zwölf Monaten. «Diese Impfungen müssen zwingend dokumentiert werden», betont der Infektiologe und Kinderarzt. Denn fehlt der Nachweis, ist so lange zu impfen, bis zwei dokumentierte Impfungen vorliegen.
Pünktlich impfen und boostern
Mit dem aktuellen Impfplan werden laut Prof. Berger Impflücken vermieden, und es wird auch nicht mehr geimpft als nötig. Wichtig ist jedoch, die Säuglinge pünktlich zu impfen, betonte er. Das gilt auch für die Auffrischimpfungen mit zwölf Monaten. Diese Booster sorgen dafür, dass der Impfschutz bei den Säuglingen kontinuierlich erhalten bleibt, was auch wegen der Infektionen mit gekapselten Bakterien, wie Haemophilus und Pneumokokken, wichtig ist. Diese Keime können invasive und fulminante Verläufe auslösen.
Ergänzend zu den DTPa-IPV-Hib-HBV-Basisimpfungen empfiehlt das BAG eine Impfung gegen Meningokokken der Gruppen A, C, W und Y mit zwei Jahren. Die Immunisierung ist nicht früher indiziert, da die Anzahl Meningokokken-Infektionen hierzulande gering ist. «Auch ist aktuell kein Impfstoff für Kinder unter zwei Jahren zugelassen», begründet der Experte.
Kontaktpersonen gegen Pertussis impfen
Totimpfstoffe bieten in der Regel zwei bis vier Wochen nach der zweiten Dosis einen guten Schutz. Säuglinge, die mit dem 2+1-Schema geimpft werden, sind deshalb ab einem Alter von 14–16 Wochen gut geschützt. Ein Problem besteht für jüngere Kinder für Keuchhusten. Pertussis kann in den ersten zwei Lebensmonaten tödlich verlaufen und ist in 80 Prozent der Fälle der Grund für eine Hospitalisierung von Kindern unter sechs Monaten.
Damit bereits Neugeborene vor Keuchhusten geschützt sind, müssen die Mütter in jeder Schwangerschaft im zweiten Trimenon geimpft werden. «Rechtzeitig immunisiert, können sie ihre Antikörper gegen Ende der Schwangerschaft auf das Kind übertragen», erklärt Prof. Berger. Ausserdem sollten sich zum Schutz der Neugeborenen alle Kontaktpersonen von Säuglingen unter sechs Monaten impfen lassen, wenn bei ihnen der letzte Pertussis-Booster mehr als zehn Jahre zurückliegt.
In der Schweiz sind die akuten Hepatitis-B-Fälle deutlich zurückgegangen, denn seit 1998 erfolgt die routinemässige Impfung von Kindern und Jugendlichen. Ein Problem stellt jedoch weiterhin die chronische Hepatitis B dar. Seit drei Jahren werden aus diesem Grund alle Säuglinge mit dem hexavalenten Vakzin auch gegen Hepatitis B geimpft. Jahrgänge, die im Säuglingsalter keine Impfung erhalten haben, müssen diese nun bis zu Beginn der sexuellen Aktivität nachholen.
Eine spezielle Situation besteht für Kinder von HBs-Antigen-positiven Müttern, also von Müttern mit einer chronischen Hepatitis. «Diese Säuglinge brauchen eine Postexpositions-Prophylaxe (PEP)», wie Prof. Berger erläuterte. Die PEP umfasst eine passive und aktive Hepatitis-B-Impfung am ersten Lebenstag sowie eine aktive Impfung im Alter von einem Monat. Danach können diese Säuglinge mit zwei Monaten wie die anderen Kinder ebenfalls nach dem 2+1-Schema geimpft werden.
Ein spezielles Vorgehen sieht der Impfplan auch für Frühgeborene vor. Diese Babys haben einen weniger guten Nestschutz als die anderen Kinder. «Sie werden deshalb nicht mit dem 2+1-, sondern mit einem 3+1-Schema im Alter von 2, 3, 4 und 12 Monaten geimpft, und sie erhalten zusätzlich eine Influenza-Impfung», so Prof. Berger.
Quelle
- ZAIM MediDays 2022, 22.-26. August 2022, Universität Zürich