Prävention von HPV-assoziierten Malignomen in der Schweiz
Das Zervixkarzinom ist weltweit der häufigste HPV-assoziierte Tumor. Aber auch das Anal-, Vaginal-, Vulva- und Oropharynxkarzinom sind häufig HPV-bedingt. Diese Tumoren nehmen im Gegensatz zum Zervixkarzinom seit einigen Jahren langsam und stetig zu. Ein Experte erklärt, wie bei der Prävention dieser Tumoren zu verfahren ist.
Bei der Prävention von HPV-assoziierten Tumoren stand bislang hauptsächlich das Zervixkarzinom im Fokus. Dr. André Kind, Ärztlicher Leiter Frauenpoliklinik und Stellvertretender Chefarzt Gynäkologie am Universitätsspital Basel, plädiert dazu, andere HPV-bedingten Krebsarten nicht länger zu vernachlässigen (1).
Impfung schützt
«Die gute Nachricht ist: Die Impfung schützt vor allen HPV-assoziierten Karzinomen gleich gut», so der Referent. Verursacht werden sie vor allem durch den HPV-Typ 16, und der ist mit allen in der Schweiz zugelassenen Impfstoffen abdeckt. Der aktuelle 9-valente Impfstoff (Gardasil® 9) schützt im Vergleich zum 4-valenten Impfstoff zusätzlich vor fünf weiteren Hochrisiko-HPV-Typen, die für das Zervixkarzinom wichtig sind. Vor allem in puncto Schutz vor Zervixdysplasien und -karzinom übertrifft der 9-valente Impfstoff die Wirkung der 2- und 4-valenten Impfstoffe (Cervarix®, Gardasil®).
Die Impfung ist sehr effektiv. Das zeigen aktuelle Real-Life-Daten. So ist die Prävalenz von HPV 16/18 assoziierten Krebsarten in Schottland bei 20-jährigen Frauen zwischen 2014 und 2020 von 30 Prozent auf 4,5 Prozent, jene von Krebsvorstufen um fast 90 Prozent gesunken. Neueste Daten zeigen zudem eine Reduktion der Zervixkarzinomrate um 87 Prozent (Impfung zwischen 12 und 14 Jahren), bzw. 62 Prozent (Impfung zwischen 14 und 16 Jahren). Die Nebenwirkungen der Impfung bezeichnete Dr. Kind als gering und selten. «Allerdings hat die Impfung nur eine prophylaktische und keine therapeutische Wirkung», erinnert er. Einer Patientin mit einer hochgradigen squamösen intraepithelialen Läsion (HSIL) dürften deshalb keine Versprechungen gemacht werden, dass die Veränderung nach der Impfung zurückgeht.
Ein Problem ist jedoch die Durchimpfungsrate. 2020 betrug sie in der Schweizer Bevölkerung 63 Prozent. Wird sie im bisherigen Tempo weiter gesteigert, lässt sich erst in 20 Jahren die angestrebte Durchimpfungsrate von 80 Prozent erreichen. Das würde bedeuten, dass wir bei einer Generation Frauen die Chance verpassen, viele Malignome zu verhindern, erklärte der Experte.
Männer auf HPV zu testen, ergibt keinen Sinn
HPV ist die häufigste sexuell übertragbare Infektion. «Wer Sex hat und nicht geimpft ist, bekommt im Laufe seines Lebens HPV», sagt Dr. Kind. Die kumulative Inzidenz beträgt 80 bis 90 Prozent. Bei jungen Frauen gehört HPV praktisch zur Normalflora und ist nichts Schlimmes. Denn nach einer Infektion zieht sich das Virus meistens zurück und verhält sich ruhig.
In dieser latenten Phase – sie kann mehr als 30 Jahre dauern – fällt ein HPV-Test negativ aus. Er wird erst wieder positiv, wenn das Virus plötzlich, ausgelöst durch ein geschwächtes Immunsystem, Hormonveränderungen oder einen unbekannten Trigger, in die produktive Phase übergeht. Dann wird auch der HPV-Test wieder positiv. Kommt es dann zu einer typspezifischen Persistenz des Virus, steigen Dysplasie- und Karzinom-Risiko.
«Ein nach Jahren plötzlich wieder positiver Test ist kein Marker für sexuelle Untreue des Partners», betont Dr. Kind. Bei Männern reagiert das Immunsystem viel schlechter auf HPV als bei Frauen. Ein Test fällt bei ihnen denn auch fast immer positiv aus. «Männer auf HPV zu testen, ergibt deshalb keinen Sinn», erklärt der Experte.
Raucherinnen sind gefährdet
Ein starker Risikofaktor für eine Virus-Persistenz bei der Frau ist ausser einer Immunschwäche und einer gewissen Suszeptibilität das Nikotin. «Besonders Frauen mit Dysplasien sollte dringend empfohlen werden, mit Rauchen aufzuhören. Das vergrössert die Chance, dass sich die Dysplasie wieder zurückbildet», so der Referent. Mit einem höheren Krebsrisiko assoziiert sind auch Genitalwarzen. Betroffene sollten regelmässig mit einem Abstrich alle drei Jahre kontrolliert und auch mit 70 Jahren nicht aus dem Screening entlassen werden.
«Für die Prävention von HPV-assoziiert Malignomen ist es das Wichtigste, dass sich die Frauen impfen lassen und regelmässig zum Screening gehen», so Dr. Kind. Die Zervixkarzinom-Inzidenz ist in der Schweiz mit fünf pro 100 000 sehr niedrig. Allerdings sind die Inzidenzen seit mehr als 25 Jahren gleichgeblieben.
HPV-Test im Screening dem PAP-Abstrich überlegen
«Wir verharren bei 260 Neuerkrankungen und 70 Todesfällen pro Jahr», so der Referent. «Um die Rate zu senken, müssen wir vor allem die Impfung verstärkt anpreisen und anders screenen.» Für das Screening des Zervixkarzinoms ist der HPV-Test dem PAP-Abstrich überlegen. Er wird denn auch heute in der Schweiz vom «Cancer Screening Committee» alle drei Jahre für Frauen zwischen 30 bis 70 Jahren empfohlen. Die Zytologie empfiehlt die Expertengruppe noch für die Triage nach einem positiven HPV-Test sowie alle drei Jahre für junge Frauen zwischen 21 und 29 Jahren.
Anders sieht das die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG): Sie empfiehlt nach wie vor für das zervikale Screening für alle Frauen zwischen 21 und 70 Jahren einen dreijährigen PAP-Abstrich und ab 30 Jahren als alternative Möglichkeit den Test. Grund: Den HPV-Test müssen die Frauen in der Schweiz selbst bezahlen, da er (noch) nicht von der Grundversicherung erstattet wird.
«Die sekundäre Prävention des Zervixkarzinoms beinhaltet neben dem Screening auch die Konisation oder die zervikale Exzision von CIN3-Dysplasien», erläutert Dr. Kind. Bei jeder vierten Frau entwickelt sich eine CIN2/HSIL (High Grade Squamous Intraepithelial Lesion)-Veränderung innerhalb von drei Jahren weiter, bei jeder dritten wird eine CIN3-Dysplasie zum Krebs. Einen Marker, der anzeigt, bei welcher Patientin es zu einer Progredienz kommt, gibt es bislang nicht.
Für die anderen HPV-assoziierten Tumoren der Frau gibt es noch keine anerkannten Screening-Verfahren. «Sie sollten in der gynäkologischen Praxis dennoch nicht vernachlässigt werden», betonte der Spezialist. Er empfahl, im Rahmen der Jahreskontrolle anamnestisch HPV-assoziierte Erkrankungen in der Vorgeschichte zu erfassen.
Diese gehen mit einem lebenslang erhöhten Risiko für weitere HPV-assoziierte Dysplasien und Malignome auch in anderer Lokalisation einher. Ein Status nach Hysterektomie wegen Zervixdysplasie birgt z.B. ein erhöhtes Risiko für eine vaginale HSIL. Vulväre Dysplasien und Karzinome, die ebenfalls zunehmen, erhöhen das Risiko für ein Analkarzinom.
Immer die gesamte Anogenitalregion inspizieren
Ein Drittel der Patientinnen mit vulvärer HSIL hat eine anale HSIL. Bei der Inspektion sollte immer die gesamte Anogenitalregion (Vulva, Klitoris, perianal, Introitus) gut angeschaut werden. Therapie der ersten Wahl ist bei diesen Karzinomen Imiquimod, so Dr. Kind.
Referenz
- Forum für medizinische Fortbildung, Gynäkologie Update Refresher