«Eine mutige Migränediagnose wäre eine gute Sache»
Immer noch tun sich viele Hausärztinnen und Hausärzte schwer, die Diagnose Migräne zu stellen und die Betroffenen entsprechend zu behandeln. Dabei stehen wirksame Medikamente zur Verfügung. Professor Dr. Christoph Schankin, Leitender Arzt und Leiter der Kopfschmerz-Sprechstunde an der Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital Bern, erläutert im Interview mit Medical Tribune, welche Massnahmen bei Verdacht auf die Kopfschmerzerkrankung in der Praxis sinnvoll sind.
Herr Professor Schankin, wie ist es um die Migränetherapie in der Schweiz bestellt? Welcher Anteil an Patienten ist richtig diagnostiziert bzw. ausreichend behandelt?
Prof. Schankin: Genau wissen wir das nicht, da die entsprechenden Daten fehlten. Es gibt aber verschiedene Anhaltspunkte aus anderen Ländern. Daten aus Österreich zeigen zum Beispiel, dass nur ein geringer Prozentsatz der Patienten mit Migräne Triptane bekommt. In einer eigenen Studie haben wir Patienten untersucht, die mit akuten Kopfschmerzen auf der Notfallstation aufgenommen wurden. Von denjenigen, die bereits vorher schon einmal Migräneattacken hatten, war etwa die Hälfte nicht diagnostiziert. Die Personen wären vielleicht nicht auf den Notfall gekommen, wenn sie entsprechende Medikamente gehabt hätten. Ich denke, dass die Therapie der Migräne – sowohl die Akut- als auch die Basistherapie – nicht ausreichend ist – auch in der Schweiz. Das hängt sehr eng mit der Diagnose der Migräne zusammen. Diese wird zu selten gestellt und wenn sie gestellt wird, findet die Akut- und Basistherapie nicht so statt, wie wir das gerne hätten, und wie es für die Patienten adäquat wäre.