Medical Tribune
14. Mai 2022Ukraine-Krieg

Anstieg von Tuberkulose infolge von Flucht aus der Ukraine erwartet

Durch die Fluchtbewegung aus der Ukraine ist nun auch mit einer erhöhten Zahl an mit Tuberkulose infizierten Patienten in der Schweiz zu rechnen. Die Fallzahlen dürften zwar nicht eminent hoch sein, aber in der Ukraine sind multiresistente Mykobakterien weit verbreitet.

Flüchtende warten am Bahnhof in Lviv darauf, dem Krieg zu entkommen.
iStock/Ruslan Lytvyn

Als die European Respiratory Society ihr Webinar zum Thema «Tuberkulose bei Migranten und Geflüchteten» vorbereitete, standen zwar bereits erste russische Soldaten vor der ukrainischen Grenze. Mit Krieg rechneten die Organisatoren aber nicht. Nun mussten sie ihr Programm kurzfris­tig anpassen, auch weil einer der vorgesehenen Referenten, Daniel Kashnitsky, exakt zum Zeitpunkt des Webinars wegen Teilnahme an einer Antikriegsdemonstration in Moskau vor Gericht stand. Zuvor konnte er seine Unterlagen noch an Paul Sommerfeld aus London, Vorsitzender der TB Europe Co­a­lition, übergeben, der sie an seiner Stelle präsentierte.

Zwischen 2016 und 2020 hatte die Ukraine einen deutlichen Rückgang der Tuberkulose-Inzidenz um mehr als ein Drittel erreicht, berichtete Sommerfeld. Viele dieser Fortschritte stehen aber wegen Pandemie und Krieg auf dem Spiel oder sind bereits verloren. In der Ukraine lag die Inzidenz rundzehnmal höher als in der Schweiz. Hierzulande beträgt sie 4,7/100 000 Einwohner. Jeder dritte Tuberkulose-Patient in der Ukraine ist dabei mit multiresistenten M. tuberculosis infiziert. In der Schweiz liegt der Anteil bei gerade mal 1,3 Prozent.

Tbc-Patienten rasch finden und behandeln

Wie viele Menschen mit Tuberkulose aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet sind oder es noch tun werden, lässt sich nur schätzen, zumal viele privat unterkommen. Bis Anfang Mai haben rund 48.000 Geflüchtete die Schweiz erreicht. Darunter dürften einige Tuberkulose­-Patienten sein. Sie rasch zu finden und einer adäquaten Therapie zuzuführen, ist eine Herausforderung für alle im Gesundheitswesen Beschäftigten.

Interessierte Kollegen können sich das Webinar noch auf dem ERS Respiratory Channel anschauen und die meisten Präsentationen dort herunterladen, auch die von Daniel Kashnitsky. Im Webinar schilderten ausserdem Oxana Rucsineanu aus Moldau und Ivan Solovic aus der Slowakei die Situation in ihren Ländern, die wie auch Polen besonders viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben.

Informationsmaterial

  • Die vom BAG unterstützte Webseite https://www.migesplus.ch/themen/ukraine bietet Schutzsuchenden Gesundheitsinformationen und Wissenswertes über die medizinische Versorgung in der Schweiz auf Ukrainisch.
  • Auf einer speziellen Webseite der Lungenliga (Kompetenzzentrum Tuberkulose, tbinfo.ch) gibt es Informationsmaterial rund um die Tuberkulose für Geflüchtete und Ärzte, beispielsweise den Screening- Online-Fragebogen tb-screen (www.tb-screen.ch) – auch auf Ukrainisch. Zur Verfügung stehen ausserdem Formulare für die BAG-Meldung von Tuberkulose-Fällen, bzw. ein Vorlage für den ärztlichen Bericht an das Staatssekretariat für Migration (SEM).
Referenz
  1. Webinar: TB care for Refugees and Migrants in Europe der European Respiratory Society