Medical Tribune
28. März 2022Der preHEART-Score erlaubt eine zuverlässige Risikostratifizierung

Brustschmerz: Wann geht es in die Klinik?

Klinikärzte greifen gerne auf den HEART-Score zurück, wenn sie das Risiko eines Notfallpatienten für ein akutes Koronar­syndrom einschätzen müssen. Mit dem angepassten Score funktioniert die Risikostratifizierung auch ausserhalb des Spitals.

Ob ein Brustschmerz in der Klinik abgeklärt werden sollte, sagt einem der preHEART-Score
iStock/PeopleImages

Der ­HEART-Score soll Ärzten in der Notaufnahme bei der Entscheidung helfen, welche Patienten mit Thoraxschmerzen wieder nach Hause entlassen werden können und welche stationär aufgenommen werden müssen. Anhand des Scores werden fünf Bereiche eingeschätzt und mit Punktwerten beurteilt.

HEART steht dabei für:

  • History (Anamnese)
  • EKG-Befunde
  • Alter des Patienten
  • kardiovaskuläre Risikofaktoren
  • Troponinwert

Es lassen sich 0 bis 10 Punkte erreichen. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit für ein akutes Koronarsyndrom kann man die Notfallpatienten mithilfe des Skalenwertes in drei Gruppen stratifizieren:

  • niedriges Risiko (0–3 Punkte)
  • mittleres Risiko (4–7 Punkte)
  • hohes Risiko (8–10 Punkte)

Modifizierter HEART-Score schnitt in der Abklärung vor der Klinik besser ab

Bisher war unklar, ob sich der ­HEART-Score ohne Weiteres auch für die Risikoeinschätzung ausserhalb der Notfallstation eignet, etwa im Rettungsdienst. Dieser Frage gingen niederländische Forscher nun in einer zweiteiligen Studie nach (1).

Zunächst bestimmten Rettungssanitäter in einer ersten Kohorte aus Patienten mit akuten Thoraxschmerzen den ­HEART-Score einschliesslich der Point-of-Care-Messung des Troponinwerts. Primärer Endpunkt waren schwere kardiale Ereignisse (akuter Herzinfarkt oder Tod) innerhalb der folgenden drei Tage.

Sodann bewerteten die Wissenschaftler die fünf Bereiche des ­Scores hinsichtlich der Trennschärfe und kalibrierten die Cut-off-Werte für das prähospitale Setting. Anstelle der kardiovaskulären Risikofaktoren insgesamt nahmen sie aber vereinfacht das Geschlecht der Patienten als eigenen Bereich in die Berechnung auf. So entstand als neues Hilfsmittel der ­preHEART-Score (siehe Kasten), den das Team anhand einer weiteren Kohorte von 435 Patienten prospektiv validierte.

In der ersten Kohorte entwickelten 123 der 1208 Patienten (10,2%) ein schweres kardiales Ereignis. Der HEART-Score lieferte einen negativen prädiktiven Wert (NPV) von 98,4 Prozent und einen positiven prädiktiven Wert von 35,5 Prozent. Demgegenüber und auch verglichen mit einer alleinigen Troponinmessung schnitt der neue ­preHEART-Score mit einem NPV von 99,3 Prozent und einem positiven prädiktiven Wert von 49,4 Prozent besser ab. Für die Validierungskohorte fanden sich ähnliche Resultate.

preHEART zeigt sich ambulant überlegen

Bei der Frage, ob ein bestimmter Patient in die Klinik muss oder nicht, könne bereits der ­HEART-Score dem Rettungsdienst wichtige Hinweise geben, ziehen die Studienautoren ihr Fazit. Darüber hinaus zeige sich der neu entwickelte preHEART-Score, der das Geschlecht der Patienten als Risikofaktor berücksichtigt, gegenüber der ursprünglichen Version und verglichen mit der alleinigen Point-of-Care-Bestimmung des Troponins überlegen.

Der preHEART-Score

History (Anamnese):

  • hochverdächtig für kardiales Ereignis: 2 Punkte
  • mässig verdächtig: 1 Punkt
  • wenig verdächtig: 0 Punkte

EKG:

  • signifikante ST-Veränderungen: 2 Punkte
  • unspezifische Repolarisationsstörung/Linksschenkelblock/ Schrittmacher: 1 Punkt
  • normal: 0 Punkte

Alter des Patienten:

  • ≥ 70 Jahre: 2 Punkte
  • ≥ 40 und < 70 Jahre: 1 Punkt
  • < 40 Jahre: 0 Punkte

Risikofaktor Geschlecht:

  • männlich: 2 Punkte
  • weiblich: 0 Punkte

Troponin (Point-of-Care-Test):

  • ≥ 0,05 ng/l: 2 Punkte
  • > 0,02 und < 0,05 ng/l: 1 Punkt
  • ≤ 0,02 ng/l: 0 Punkte
Referenz
  1. Sagel D et al. Prehospital risk stratification in patients with chest pain. Emerg Med J. 2021 Nov;38(11):814-819. doi: 10.1136/emermed-2020-210212.