SGLT-2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptoragonisten?
An einer PRO/CON-Session am virtuellen SGAIM-Kongress übernahm Professor Dr. Christoph Henzen, Chefarzt Innere Medizin und Endokrinologie/Diabetologie, Luzerner Kantonsspital, den Part für GLP-1-Analoga und PD Dr. Stefan Bilz, Leiter der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Osteologie und Stoffwechselerkrankungen, Kantonsspital St. Gallen, argumentierte für SGLT-2-Hemmer.
Ausgehend von den umfassenden Effekten von GLP-1, nicht nur auf den Gastrointestinaltrakt, sondern auch auf das ZNS, spricht man heute von einem pleiotropen GLP-1-Effekt. Neben der Blutzuckersenkung werden Appetit und Sättigungsgefühl beeinflusst, und es lässt sich eine Gewichtsreduktion erzielen. Bei der Interaktion zwischen Gastrointestinaltrakt und Gehirn gilt die Devise: Energie sparen, Vorräte anlegen. Ganz entscheidend ist der antiinflammatorische GLP-1-Effekt, so Prof. Henzen. Zusammenhänge zwischen GLP-1 und Atherosklerose, Asthma, Nephropathie, Alzheimer Demenz oder M. Parkinson werden diskutiert.
Was GLP-1-Agonisten leisten können
In grossen Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten liess sich eine signifikante HbA1c-Senkung um einem Prozentpunkt erzielen, verbunden mit einer Gewichtsabnahme von 3 kg, bei erwiesener kardiovaskulärer Unbedenklichkeit. Als Nebenwirkungen stehen gastrointestinale Probleme wie Übelkeit, Erbrechen, und Diarrhö im Vordergrund, die jedoch in aller Regel vorübergehend sind.
Prof. Henzen verwies auf Daten zum kardiovaskulären Outcome unter dem oralen GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid: Bei Personen mit Diabetes und hohem kardiovaskulärem Risiko kam es in 3,8 % der Fälle zu einem MACE (Major Adverse Cariac Event), verglichen mit 4,8 % unter Placebo; gleichzeitig erzielte man eine HbA1c-Senkung von einem Prozentpunkt und eine Gewichtsreduktion um 3,5 kg. In der PIONEER-Studie erwies sich Semaglutid vs. Empagliflozin hinsichtlich HbA1c-Senkung und antiinflammatorischem Effekt (CRP-Abnahme) als signifikant überlegen. Als einzigen Nachteil sah Prof. Henzen die vergleichsweise hohen Tagestherapiekosten der GLP-1-Analoga.
Was haben SGLT-2-Hemmer zu bieten?
Nachdem die Studie EMPA-REG OUTCOME® 2015 eine relevante Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität unter Empagliflozin bestätigt hatte, begann der Höhenflug der SGLT-2-Hemmer. Wie PD Dr. Bilz betonte, haben SGLT-2-Hemmer nicht nur die kardiorenale Prävention und die Behandlung von Patienten mit Diabetes fundamental verändert, sondern ebenso die von nichtdiabetischen Patienten mit Herzinsuffizienz und chronischer Niereninsuffizienz.
Trotz des auf den ersten Blick einfachen Wirkprinzips resultieren unter dem Strich umfassende Effekte, die weit über die verstärkte Urinausscheidung der Glukose und den damit verbundenen Kalorienverlust hinausgehen. Ohne Hypoglykämie-Risiko lässt sich eine verbesserte glykämische Kontrolle, verbunden mit Blutdrucksenkung und Gewichtsabnahme, erzielen. PD Dr. Bilz bezeichnete die SGLT2-Hemmer überdies als ideale Diuretika mit kardiorenalem Benefit. In den entscheidenden Outcome-Studien (EMPA-REG, CANVAS, DECLARE und VERTIS) konnten die SGLT-2-Hemmer mit hochsignifikanter Risikoreduktion überzeugen, so PD Dr. Bilz.
Was sagen nun die Guidelines? Seitens der «Standards of Medical Care in Diabetes» wird den SGLT-2-Hemmern eine prominente Rolle zugestanden. Insbesondere bei Diabetes-Patienten mit Herzinsuffizienz oder beeinträchtigter Nierenfunktion haben sie einen hohen Stellenwert. Unabhängig vom HbA1c werden SGLT-2-Hemmer bei Herzinsuffizienz und EF < 45 % sowie bei Niereninsuffizienz mit Albuminurie > 3 mg/mmol empfohlen. Bei Diabetes-Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko hingegen werden SGLT-2-Hemmer und GLP-1-Analoga als gleichwertig eingestuft.
Die abschliessende kurze Diskussion ergab eine WIN/WIN-Situation: Inzwischen haben sich SGLT-2-Hemmer wie auch GLP-1-Analoga, allein oder auch in Kombination, als unverzichtbare Komponenten im therapeutischen Armamentarium von Diabetologen, Kardiologen und Nephrologen etabliert. Beide Experten befürworteten den kombinierten Einsatz von SGLT-2-Hemmern und GLP-1-Analoga – nach Kostengutsprache – als Reservetherapie.