Medical Tribune
1. Sept. 2021Nicht jede Tumorbehandlung wirkt sich negativ auf einen Covid-19-Krankheitsverlauf aus

Lungenkrebs trifft SARS-CoV-2

Die Covid-19-Pandemie hat einiges bei der Betreuung von Patienten mit Lungenkarzinomen verändert. Sie sind einerseits durch Infektionen mit SARS-CoV-2 besonders gefährdet, andererseits droht durch die Pandemiesituation eine Verschleppung der Krebsdiagnose und eine Verzögerung der Behandlung. Dazu gibt es erste Daten.

Coronavirus. COVID-19. 3D-Rendering
iStock/BlackJack3D

Erkranken Patienten mit Lungentumoren an Covid-19, ist die Sterblichkeit mit einer Rate von 32,4 % deutlich höher als z.B. bei Brustkrebs (14,2 %), sagte Dr. Martin Sebastian, Universitätsklinikum Frankfurt. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass Personen mit Lungenkrebs ohnehin schon eine besonders gefährdete Risikogruppe mit höherem Alter und zahlreichen Komorbiditäten darstellen.

Dies betrifft die Lunge mit COPD* und Emphysem sowie Behandlungsfolgen nach Resektion und Bestrahlung. Hinzu kommen häufig weitere Erkrankungen wie Diabetes und Hypertonie. All das kann zu einer erhöhten Mortalität bei zusätzlicher COVID-19-Infektion beitragen. Über 60-Jährige und Männer sind besonders betroffen.

Durch den eingeschränkten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen während der Pandemie ist man gehäuft mit weit fortgeschrittenen Lungenkarzinomen mit teilweise sehr grossen Metastasen konfrontiert gewesen, so die Erfahrung des Onkologen. In Grossbritannien haben Berechnungen ergeben, dass es durch die Pandemie im zweiten Quartal 2020 zu 4,8–5,3 % vermeidbaren Todesfällen an Lungenkrebs gekommen ist. Absolut sind das etwa 1300 Fälle.

Welchen Einfluss haben die onkologischen Therapien auf den Krankheitsverlauf von Covid-19? Kommt es perioperativ zu einer Covid-19-Infektion, schnellt die Mortalität auf bis zu 50 % hoch. Hier muss individuell entschieden werden, wie lange kurative thoraxchirurgische Resektionen ggf. verschoben werden können, so Dr. Sebastian.

Wer ist schuld an der Lungenentzündung?

Die Strahlentherapie scheint per se nicht den Verlauf einer Covid-19-Infektion zu verschlechtern – es gebe hierzu aber nur wenig Daten. Man sollte jedoch hypofraktionierte Schemata bevorzugen, um die Kontaktfrequenz so gering wie möglich zu halten.

Bei zielgerichteten Systemtherapien ist kein negativer Einfluss auf das Covid-19-Outcome bekannt. Allerdings muss man auf die durch TKI induzierte Pneumonitis aufpassen, warnte der Experte. Die Abgrenzung zu einer Covid-19-Pneumonie könne schwierig sein und die Lunge sei dann eventuell vorgeschädigt. Auch Checkpoint-Inhibitoren wirken sich nach den bisherigen Daten nicht negativ auf den Covid-19-Verlauf aus – ebenso kann aber die Pneumonitis zum Problem werden. Möglicherweise lassen sich die Dosisintervalle bei erhöhter Einzeldosis verlängern, um Kontakte zu beschränken.

Unbedingt impfen

Alle Patienten mit Lungenkrebs sollten zügig gegen Covid-19 geimpft werden – unabhängig von der Therapie und möglichst mit einem mRNA-Impfstoff, betonte Dr. Sebastian­. Im Einzelfall sollte man vielleicht die Impfantwort kontrollieren.

Die Chemotherapie – auch in Kombination mit Radio- oder Immuntherapie – scheint dagegen tatsächlich einen negativen Einfluss auf die SARS-CoV-2-Infektion zu haben. Die ungünstigsten Verläufe wurden unter einer Kombination aus Platin und Etoposid beobachtet, informierte Dr. Sebastian.

In den ESMO-Empfehlungen finden sich klare Anweisungen zur Dringlichkeit der verschiedenen Therapien angesichts der Covid-19-Gefahr. Ob diese auch in den nächsten Wochen und Monaten noch Geltung haben werden, bleibe abzuwarten.

Ein grosses Problem stellt die längere Viruspersistenz dar, die man gehäuft bei Patienten mit soliden Tumoren findet. Betroffene mit Lungenkarzinom haben zudem nach stattgehabter Infektion ein erhöhtes Risiko einer Virusreaktivierung unter Chemotherapie. Unklar sei auch der Zeitpunkt, zu dem man die Isolierung der Patienten aufheben und mit einer Systemtherapie anfangen kann – vor allem, wenn sie über Wochen weiter PCR-positiv sind.

* Chronic obstructive pulmonary disease

Sebastian M. 61. Kongress der DGP (virtuell)