Der Diabetes zählt zu den wichtigsten Komorbiditäten der zystischen Fibrose
Ungefähr jeder dritte Patient mit zystischer Fibrose über 18 Jahre erkrankt an einem Diabetes. Ist dies der Fall, schreitet auch die Lungenerkrankung rascher fort und die Mortalität steigt. Wie hängt beides zusammen?
Der bei zystischer Fibrose (CF) gestörte transmembranöse Chlorid- und Bikarbonat-Transport führt im Pankreas zu einer exokrinen und endokrinen Dysfunktion. Letztere erklärt man sich meist damit, dass die eingedickten exokrinen Sekrete insulinproduzierende Zellen zerstören. An deren Stelle tritt dann fibrotisches Gewebe und es werden Amyloide eingelagert, schreiben Dr. Bernadette Prentice vom Department of Respiratory Medicine am Sydney Children’s Hospital in Randwick und Kollegen.
Der Diabetes von Mukoviszidose-Patienten beginnt mit einer Verzögerung der ersten Insulinsekretionsphase, die eine postprandiale Hyperglykämie zur Folge hat. Vor allem ältere Patienten mit schweren Blutzuckerentgleisungen können sekundär eine Insulinresistenz wie beim Typ-2-Diabetes entwickeln. Dies ist dadurch bedingt, dass die Hyperglykämie die Zahl insulinsensitiver Glukose-Transporter-Typ 4 (GLUT-4) downreguliert. Weil die Kranken durch Unterernährung weniger Fettgewebe und Muskulatur haben, um Glukose aus dem Blut aufzunehmen, werden die Probleme im Zuckerstoffwechsel verstärkt.
Kinder brauchen Insulin für das Wachstum
Leitlinien empfehlen, CF-Patienten ab einem Alter von zehn Jahren mit einem oralen Glukosetoleranztest (OGTT) auf Diabetes zu screenen. Doch die Probleme fangen möglicherweise schon eher an. Bereits frühe Glukose-Anomalien, die sich im kontinuierlichen Glukose-Monitoring bei noch normalem OGTT beobachten lassen, scheinen mit einer schwereren pulmonalen Erkrankung, schlechterer Lungenfunktion und häufigeren Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa assoziiert zu sein.
Kinder brauchen Insulin für den Proteinanabolismus und das Wachstum. Je stärker der durch Insulinmangel verursachte Katabolismus ausgeprägt ist, desto mehr schränkt das die Lungenfunktion ein. Dies beruht möglicherweise auf einem gestörten Lungenwachstum mit suboptimaler Alveolarisierung und verminderter Vitalkapazität sowie einer Schwäche respiratorischer Muskeln. Auch der durch das Insulindefizit induzierte Ernährungsmangel kann sekundär zum Verlust an Lungenfunktion beitragen.
Atemwegsinfektionen und Exazerbationen werden durch zu viel Glukose in der Atemwegsflüssigkeit begünstigt. So leistet eine erhöhte Glukose-Konzentration dem Wachstum von Pseudomonas aeruginosa mehr Vorschub als Hyperviskosität und ein reduziertes Flüssigkeitsvolumen. Der Glukose-Gehalt in der Atemwegsflüssigkeit ist ebenfalls bereits dann erhöht, wenn der OGTT noch normal ausfällt.
Bakterielle Infektionen produzieren oxidativen Stress, der wiederum die inflammatorische Response stimuliert. Viele Studien haben gezeigt, dass sich im Atemwegsepithel von CF-Patienten vermehrt proinflammatorische Zytokine befinden. Doch die bakterielle Infektion scheint nur ein Faktor zu sein, der den ausgeprägten proinflammatorischen Status erklärt. Als die grösste treibende Kraft betrachten viele Experten wiederum die erhöhte Glukose. Bei Kindern fand man eine signifikante Korrelation zwischen der Hyperglykämie im kontinuerlichen Blutzucker-Monitoring und Entzündungsmarkern (Neutrophile, IL-8) in der bronchoalveolären Lavageflüssigkeit.
Die Rolle des Immunsystems
Die Hyperglykämie kann bei CF-Kranken über Freisetzung von Resistin das Immunsystem beeinflussen. Dieser immunometabolische Mediator ist bei entzündlichen Vorgängen, z.B. im Rahmen von Arthritis, Asthma oder kardiovaskulären Erkrankungen, erhöht. Der Resistin-Spiegel im Sputum von CF-Patienten hat eine negative Korrelation mit der Lungenfunktion gezeigt. Vor allem zu Beginn einer pulmonalen Exazerbation wurde er als erhöht gemessen.
Chronische Entzündung und Immunresponse werden zudem durch den Rezeptor for Advanced Glycation End Products (RAGE) reguliert. CF-Patienten weisen vermehrt RAGE auf Neutrophilen in den Atemwegen auf.
Insulin-Gabe als einzige Therapiemöglichkeit
Nicht zuletzt trägt die genetische Prädisposition dazu bei, dass sich ein Diabetes mellitus entwickelt. Eine relevante Veränderung sind Einzelnukleotid-Polymorphismen im SLC26A9-Gen. Es könnte sein, dass solche genetischen Varianten direkt die Lungenerkrankung negativ beeinflussen.
Die einzige Möglichkeit, den Diabetes von CF-Patienten zu behandeln, ist bisher die Insulin-Gabe. Für den Nutzen von oralen Antidiabetika gibt es keine ausreichende Evidenz und ausserdem Bedenken, der Betazell-Verlust könnte beschleunigt werden. Daneben fürchtet man Gewichtsverlust, gastrointestinale Symptome und Leberfunktionsstörungen. Da aber CF-Patienten heute länger leben, gewinnt die Insulinresistenz als Target an Bedeutung. Substanzen wie Metformin könnten den parazellulären Glukoseflux und die Produktion proinflammatorischer Zytokine verringern.
Prentice BJ et al. Eur Respir Rev 2021; 30: 20029.