Gynäkologische Tumoren in der Hausarztpraxis
Bei der Diagnose von gynäkologischen Karzinomen spielen Hausärzte eine wichtige Rolle. Denn diese Tumore können sich auch einmal hinter unspezifischen Bauchbeschwerden verbergen. Was Allgemeinpraktiker über die gynäkologische Onkologie wissen müssen, erläuterte Professor Dr. Viola Heinzelmann, Chefärztin Gynäkologie/gynäkologische Onkologie am Universitätsspital Basel, in einem Vortrag am Forum für medizinische Fortbildung Allgemeine Innere Medizin Update Refresher.
Eine wichtige Funktion in der Prävention hat die Familienanamnese. «Sie kann für einige gynäkologische Tumoren tatsächlich bereits ein Hinweis auf eine hereditäre Erkrankung sein», erklärte Prof. Heinzelmann. Abzuklären sind drei Generationen auf der mütterlichen und väterlichen Linie. Ein Fokus liegt zudem auf dem Erkrankungsalter. Je früher das Karzinom bei einem Verwandten aufgetreten ist, desto eher liegt bei der Patientin eine genetische Prädisposition vor.
Das Fettgewebe spielt eine besondere Rolle
Die häufigsten Mutationen betreffen die BRCA- sowie beim Lynch-Syndrom die DNA-Mismatch-Repair-Gene. Das Lynch-Syndrom verursacht neben gynäkologischen Tumoren auch Blasen-, Magen- und Kolonkarzinome. Unterschieden wird zwischen «Östrogen-assoziiert» und «Östrogen-nichtassoziiert». «80 % der Lynch-Syndrom-Karzinome sind Östrogen-abhängig und gehören somit dem Typ I an», erklärte Prof. Heinzelmann. Zu ihnen gehören auch die Endometriumkarzinome. Sie treten typischerweise postmenopausal auf und gehen fast immer mit Blutungen einher.
Bei diesen Tumoren spielt das Fettgewebe eine besondere Rolle. «Fettzellen produzieren über den Cholesterin-Metabolismus Östrogene. Bei Patientinnen mit einem hohen Anteil an Fettgewebe führt dieser Mechanismus zu einer Östrogen-Überexpression», erläuterte die Expertin. Adipösen Frauen sollte daher immer zu einer Gewichtsreduktion geraten werden. Als generelle Vorsorgeuntersuchungen beim Lynch-Syndrom empfohlen sind Koloskopie sowie Ultraschall und allenfalls eine Hysterektomie.
Die BRCA1/2-Mutationen sind eine mögliche Hauptursache für hereditäre Mamma- und Ovarialkarzinome. Neben den gynäkologischen Tumoren verursachen sie auch überdurchschnittlich häufig Prostata- und Pankreaskrebs. Die aktuellen Schweizer Guidelines empfehlen deshalb auch eine genetische Abklärung für jede Patientin mit einem hochgradigen serösen oder endometrioiden Ovarialkarzinom sowie für Frauen mit einer positiven Familienanamnese oder mit aschkenasischer Herkunft.
«Eine genetische Beratung ist für Frauen mit einer BRCA-Mutation auch essenziell, weil es keine Früherkennung gibt», betonte Prof. Heinzelmann. Die einzige präventive Massnahme ist die Entfernung der Eierstöcke und der Tuben. Sie ist sehr effektiv und reduziert das Risiko für Ovarialkarzinome um 98 % und für Brusttumore um 50 %. Eine opportunistische Salpingektomie wird daher heute allen Frauen empfohlen, die wegen einer benignen gynäkologischen Erkrankung operiert werden.
«Auch die BRCA-assoziierten Tumoren sind Östrogen-abhängig, weshalb bei diesen Karzinomen ebenfalls eine Gewichtsreduktion einen Vorteil bringt», sagte Prof. Heinzelmann. Die Diagnostik umfasst Ultraschall und eventuell CT. Für die Triage im Alltag ist der Risk of Malignancy Index (RMI) hilfreich. Ist das Produkt aus Menopausenstatus, Ultraschallbefund und dem absoluten CA-125-Wert höher als 200, muss die Patientin in ein Zentrum überwiesen werden.
Ein Screening für Genitaltumoren steht mit dem PAP-Abstrich für das Zervixkarzinom zur Verfügung. Für Endometrium-, Vulva- und Ovarialtumore indes gibt es nach wie vor keine sinnvolle Testung. Tumormarker helfen oft nicht weiter, weil sie nicht spezifisch sind. Eine Erhöhung von CA-125 beispielsweise zeigt nur eine Erkrankung im Bauchraum an und kann somit immer auch ein Hinweis sein für eine Leberzirrhose oder eine Sigma-Divertikulitis. Auch hat jede Person einen individuellen CA-125-Basis-Wert. Erst die Verdoppelung des Wertes zeigt, dass sich etwas Pathologisches entwickelt. Der Marker wird denn vor allem für die Verlaufsbeobachtung genutzt.
Die Inspektion der Vulva nicht vergessen
Vulva- und Vaginalkarzinome sind in den meisten Fällen mit blossem Auge zu erkennen. Trotzdem werden sie oft erst spät erkannt. Das hängt laut der Referentin vor allem damit zusammen, dass entweder die Frauen aus Scham nicht sagen, wenn sie Veränderungen an ihrem Genital haben, oder die Ärzte sich die Vulva schlichtweg nicht anschauen. «Ist eine Wunde, Rötung, Erhebung, Schwellung oder Verhärtung der Vulva tumorverdächtig und ist eine Lymphknotenschwellung in der Leiste tastbar, sollte die Patientin in ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden», betonte Prof. Heinzelmann. In einem frühen Stadium lassen sich Vulvakarzinome durch Exzision oft noch gut behandeln.