Wie Sie Nebennierentumoren richtig einordnen
Raumforderungen in den Nebennieren entdeckt man meist als Zufallsbefund. Ob der Tumor operativ entfernt werden muss, sollte interdisziplinär diskutiert und entschieden werden.
Nebennierentumoren können entweder direkt von der Nebenniere ausgehen oder Metastasen eines anderen Primärtumors sein. Haben sie eine gewisse Grösse erreicht, machen sie sich mitunter durch Flankenschmerzen oder abdominelle Symptome bemerkbar. Manche Nebennierentumoren fallen auf, weil sie übermässig Hormone produzieren und Bluthochdruck oder andere Folgen nach sich ziehen. Doch die allermeisten werden zufällig bei einer aus anderem Grund veranlassten abdominellen Bildgebung gefunden (sogenannte «Inzidentalome»), schreiben Professor Dr. Robert Rosenberg vom Kantonsspital Baselland, Liestal, und Kollegen.
Als Erstes die Dignität des Tumors bestimmen
Die meisten adrenalen Inzidentalome sind benigne und nicht hormonaktiv. Sie beeinträchtigen die Gesundheit nicht und erfordern keine chirurgische Therapie. In 2–5 % der Fälle liegen jedoch Karzinome vor, in etwa 0,7–2,5 % adrenale Metastasen anderer Primärtumoren (z.B. Bronchial-, Mamma- oder Nierenzellkarzinom). Etwa 10–15 % der adrenalen Inzidentalome sind hormonaktiv. Es handelt sich um Phäochromozytome, Cortisol oder Aldosteron ausschüttende Adenome, ausgesprochen selten produzieren Adenome auch Androgene oder Östrogene. Etwa die Hälfte der Nebennierenkarzinome verursachen einen Hormonexzess.
Wird ein Nebennierentumor entdeckt, gilt es, zwei Fragen zu klären, um das weitere Vorgehen planen zu können:
- Ist der Tumor bösartig?
- Handelt es sich um eine hormonaktive Raumforderung?
Als bildgebendes Verfahren erster Wahl gilt die Computertomografie. Um jüngeren Patienten eine Strahlenbelastung zu ersparen, kann man auch eine MRT veranlassen. Einen ersten Hinweis auf die Dignität gibt die Tumorgrösse: In Fallserien von Patienten mit Nebennieren-Inzidentalomen zeigten 93 % bzw. 100 % der diagnostizierten Nebennierenkarzinome einen Durchmesser > 4 cm. Jedoch sind auch viele Inzidentalome mit einem Durchmesser > 4 cm gutartig, sodass bestimmte Kriterien aus der Bildgebung (s. Kasten unten) herangezogen werden, um die Dignität der adrenalen Raumforderung besser abschätzen zu können.
Die Feinnadelpunktion spielt in der Beurteilung von Nebennierentumoren keine wichtige Rolle, da mithilfe der Zytologie nicht zwischen einer gutartigen Raumforderung (z.B. Adenom) und einem Karzinom unterschieden werden kann. Es lässt sich allerdings klären, ob es sich um einen primären Nebennierentumor oder um eine Metastase handelt. Vor einer Punktion muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen sein, denn bei einem solchen Tumor könnte durch die Intervention eine hypertensive Krise ausgelöst werden.
Merkmale in der Bildgebung, die für einen benignen Tumor sprechen
- runder, homogener, scharf begrenzter Herd: Durchmesser < 4 cm
- hoher intrazellulärer Fettgehalt (darstellbar mittels CT und MRT): Dichte < 10 Hounsfield-Einheiten im Nativ-CT
- Kontrastmittel-Washout von > 50 % nach 10 Minuten in der CT
Manchmal braucht es keinen Eingriff
In jedem Fall sollte anamnestisch und klinisch nach einem Hormonexzess gesucht werden. Die Bildgebung erlaubt keine Aussage darüber, ob ein Nebennierentumor hormonaktiv ist oder nicht. Daher sind je nach Beschwerdebild zusätzlich entsprechende Screening-Tests erforderlich (s. Kasten rechts). Für alle Patienten mit Nebennierentumor empfiehlt sich ein 1-mg-Dexamethason- und ein Phäochromozytom-Screening-Test. Bei auffälligen Ergebnissen oder aussergewöhnlichen Befunden (beispielsweise adrenale Raumforderung beidseits) sollte der Patient einem Endokrinologen vorgestellt werden.
Nicht jeder Nebennierentumor muss behandelt werden. Hormoninaktive, homogene und scharf begrenzte Raumforderungen mit einem Durchmesser < 4 cm, die im CT eine Dichte von ≤ 10 Hounsfield-Einheiten aufweisen oder im MRT eindeutig fetthaltig sind, können als gutartig beurteilt werden – vorausgesetzt, der Patient hat keine extraadrenale bösartige Grunderkrankung. Sie bedürfen keiner chirurgischen Behandlung und auch keiner weiteren Bildgebung zur Kontrolle.
Bei Malignitätszeichen sollte eine weitere diagnostische Abklärung bzw. eine Adrenalektomie erfolgen. Auch bei hormonaktiven Tumoren besteht grundsätzlich eine Operationsindikation – wobei diese im Einzelfall diskutiert werden kann, wenn z.B. nur ein leichtes Cushing-Syndrom vorliegt. Die Autoren plädieren dafür, OP-Indikationen interdisziplinär in endokrinen Boards zu stellen.
Hormonaktive Nebennierentumoren unterscheiden
Beschwerden wie Hypertonie, Palpitationen, Schwitzen, Blässe und Kopfschmerzen sollten an ein Phäochromozytom denken lassen. Im Plasma finden sich fraktionierte, freie Metanephrine, im 24-h-Urin fraktionierte Katecholamine/Metanephrine.
Bei V. a. primären Hyperaldosteronismus sollte man sich die Aldosteron-Renin-Ratio ansehen. Häufige Beschwerden sind Hypertonie und ggf. Hypokaliämie.
Klagen Patienten über Flankenschmerzen, abdominelle Beschwerden und Hirsutismus und/oder liegt ein Cushing-Syndrom vor, kann das auf ein Karzinom hinweisen. Dann sollte man Testosteron und DHEAS bestimmen und einen 1-mg-Dexamethason-Hemmtest durchführen.
Ein Cushing-Syndrom ist wahrscheinlich bei Symptomen wie proximaler Muskelschwäche, Hautatrophie, Striae rubrae, Osteoporose und Diabetes. Für die Diagnostik kommt der 1-mg-Dexamethason-Hemmtest zum Einsatz.
Rosenberg R et al. Ther Umsch 2020; 77: 441–448.