Mikrobiom und Schwangerschaftskomplikationen
Welche Effekte hat das mütterliche Mikrobiom auf das Ungeborene und welche klinischen Konsequenzen zeichnen sich daraus möglicherweise für die Zukunft in der Praxis ab? Antworten dazu lieferte Professor Dr. Daniel Surbek, Chefarzt an der Frauenklinik in Bern, am Forum für medizinische Fortbildung Gynäkologie Update Refresher.
Vaginale Infektionen sind eine häufige Ursache für Schwangerschafts-Komplikationen wie Frühgeburt, Spätabort oder Chorioamnionitis und erfordern eine Behandlung. Am häufigsten ist mit 30–40 % die bakterielle Vaginose (BV), gefolgt von der vulvovaginalen Candidosis und der Infektion mit Trichomonas vaginalis. Mit der aeroben Vaginitis (AV), der Mischinfektion und der abnormalen vaginalen Flora wurden in den letzten Jahren zudem neue Infektions-Arten definiert. «Sie werden für Schwangerschaftskomplikationen zunehmend als relevant anerkannt», betonte Prof. Surbek. Das Risiko für Komplikationen lässt sich nachweislich mit einem Screening und einer Behandlung reduzieren, die Frühgeburten gar um fast 50 %.1 «Dies aber nur, wenn nicht nur auf bakterielle Vaginose, sondern auch auf aerobe Vaginits und abnorme Flora gescreent wird, und ein Breitspektrum-Therapeutikum verwendet wird», betonte der Experte. Denn eine Vaginitis wird sehr oft nicht nur von Anaerobiern verursacht, sondern durch eine Mischflora mit Aerobiern. Dies ist der Grund, warum das Schmalspektrum-Antibiotikum Metronidazol meist nicht genügt.
Inwieweit das vaginale Mikrobiom Grund für Schwangerschaftskomplikationen ist, ist unklar.2 «Wir wissen aber, dass das vaginale Mikrobiom während der Schwangerschaft an Stabilität gewinnt und an Diversität verliert. Diese Veränderungen spielen denn auch eine Rolle bei der Erhaltung der normalen Schwangerschaft», erläuterte der Experte.
Die Variabilität des Mikrobioms ist ein Grund, warum in gewissen Ethnien Frühgeburten häufiger sind. Wie eine Analyse3 zeigte, haben Afroamerikanerinnen und hispanisch-stämmige Frauen eine grössere Diversität als Europäerinnen und Asiatinnen. Diese ist mit mehr BV und Frühgeburten assoziiert.4
Mütterliche Bakterien formen Immunsystem
Auch das mütterliche intestinale Mikrobiom beeinflusst die Gesundheit des Feten.5 In einer Studie kolonialisierte eine Berner Forschergruppe schwangere Mäuse mit Bakterien. Bei den Jungen dieser Tiere entwickelte sich das Immunsystem nicht korrekt, während es sich beim Nachwuchs der Mäuse ohne Bakterienkolonialisation normal ausbildete. «Die Bakterien, die eine gesunde Schwangere in ihrem Magen-Darm-Trakt hat, sind somit entscheidend für die Entwicklung des fetalen Immunsystems vor der Geburt», resümierte Prof. Surbek. Der Effekt lässt sich möglicherweise in Zukunft nutzen, um die Prägung des fetalen Immunsystems günstig zu beeinflussen, beispielsweise über die Ernährung in der Schwangerschaft. Wie der Experte weiter ausführte, sei davon auszugehen, dass die mütterlichen Darmbakterien nicht direkt zum Fetus gelangten, sondern über deren Metaboliten.
Vaginales Seeding
Um die Entwicklung des fetalen Immunsystems positiv zu beeinflussen, fordern einige Forscher ein vaginales Seeding. Dabei wird das Gesicht des Neugeborenen nach der Geburt mit einer Kompresse benetzt, die mit vaginalen Bakterien der Mutter getränkt ist. Ob dieses Seeding das fetale Immunsystem tatsächlich stärkt, ist nicht bewiesen. Auch ist offen, ob bei diesem Prozedere nicht auch potenziell pathogenen Keime wie Gruppe-B-Streptokokken auf das Kind übertragen werden. Alle internationalen Fachgesellschaften empfehlen daher aktuell, das vaginale Seeding nicht routinemässig anzuwenden.
Personalisierte Probiotika-Therapie
«Die Frage, ob wir Frauen perinatal Antibiotika geben und welche, ist nicht banal», betonte der Referent. Denn wie neue Daten gezeigt haben, beeinflusst eine präpartale Antibiose die Darmflora des Kindes.6 Neue Erkenntnisse gibt es auch zu den oralen Probiotika.7 So sollen diese Präparate nicht bei allen gleich wirken und der Effekt vom vorbestehenden Darm-Mikrobiom abhängig zu sein. «In Zukunft werden wir somit eine personalisierte Probiotika-Behandlung brauchen», schloss der Referent. Die präventive Einnahme von Probiotika begleitend zu einer Antibiotika-Therapie zur Vorbeugung von Diarrhoe ist ausserdem nicht immer konstruktiv.8 «Sie kann nicht nur nicht immer eine Diarrhoe vermeiden, sondern sogar die Wiederherstellung des normalen Mikrobioms nach der Antibiotika-Therapie verzögern oder sogar verhindern», führte Prof. Surbek weiter aus.
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- Fettwies JM et al. Nat Med 2019; 25: 1012–1021.
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