Heftiger Kopfschmerz immer beim Sex
Bei den «primären Kopfschmerzen bei sexueller Aktivität» unterscheidet man den selteneren Präorgasmus-Kopfschmerz und den Orgasmus-Kopfschmerz, berichtete Privatdozent Dr. Achim Frese von der Abteilung für Neurologie der Universitätsklinik Münster. Während Ersterer mit der Erregung langsam zunimmt und als eher dumpf und muskelkaterähnlich geschildert wird, tritt der Orgasmus-Kopfschmerz explosionsartig während des Höhepunktes auf. Viele Patienten kennen beide Phänomene.
Männer sind nach einer Analyse von 87 Fällen dreimal häufiger betroffen als Frauen. Meist beginnt das Leiden um das 35. Lebensjahr. Meist tritt der Schmerz beidseitig und eher im Hinterkopf auf, es sind auch alle anderen Lokalisationen vertreten.
Oft verschwindet der Sex-Kopfschmerz wieder von selbst
Die Schmerzdauer ist sehr unterschiedlich und variiert zwischen weniger als 6 min und 24 Stunden. Mehr als drei Viertel der Patienten berichten über einen leichteren Nachschmerz, der im Mittel vier Stunden, aber in Einzelfällen auch bis zu 72 Stunden anhält. Eine passive Rolle beim Liebesspiel linderte bei etwa der Hälfte der Patienten den Kopfschmerz. Bei einem Drittel der Betroffenen verschwand der Schmerz bei Abbruch der sexuellen Aktivität sofort.
Dass der Kopfschmerz quasi als «Strafe» vermehrt bei Seitensprüngen auftritt, konnte in der Fallserie nicht bestätigt werden, so Dr. Frese. 73 Prozent erlitten den Kopfschmerz beim Sex mit dem festen Lebenspartner, 32 Prozent spürten ihn auch während der Masturbation. Ein Auftreten bei bestimmten Sexualpraktiken oder Stellungen gaben nur sieben Prozent an. 21 Prozent der Patienten waren Hypertoniker und 61 Prozent gaben zusätzlich Migräne, Spannungs- oder Anstrengungskopfschmerzen an.
Zumindest einen Trost kann man den Patienten mit auf den Weg geben, so Dr. Frese: In den meisten Fällen verschwindet das ganze Phänomen nach einiger Zeit von selbst wieder. 63 Prozent erleben nur eine einzige zwei- bis dreimonatige Episode – danach können sie sich wieder über ungestörten Sex freuen.
Medikamente können die Cephalgie verhindern
Bei länger anhaltenden Kopfschmerzen und wiederholten Attacken sollte man den Betroffenen aber trotzdem eine medikamentöse Behandlung anbieten. Mit üblichen Kopfschmerzmitteln wie Ibuprofen, ASS, Diclofenac oder Paracetamol lässt sich in der Akutsituation nichts ausrichten. Gut wirksam ist dagegen Indomethacin, das auch als Kurzzeitprophylaxe eine Stunde vor Start der sexuellen Aktivitäten eingenommen die Kopfschmerzattacken bei 80 Prozent der Patienten verhindert.
Bei Patienten mit häufigem oder sehr spontanem Sexualverhalten kann auch eine Dauerprophylaxe mit Betablockern angezeigt sein. Nach sechs bis acht Wochen sollte wegen der häufigen Spontanremissionen ein Auslassversuch gemacht werden.
Subarachnoidalblutung als Kopfschmerzursache ausschliessen
Beim erstmalig auftretenden Orgasmuskopfschmerz muss immer auch an eine Subarachnoidalblutung gedacht werden, so der Schmerzexperte. Immerhin treten bis zu 12 % dieser lebensbedrohlichen Blutungen bei sexueller Betätigung auf. CT oder MRT geben hier Aufschluss, in Zweifelsfällen kann (mindestens vier Stunden nach Beginn der Symptomatik) eine Liquordiagnostik erfolgen. Auch eine Gefässdissektion – z.B. der A. vertebralis – sollte bei Erstmanifestation mittels Ultraschall ausgeschlossen werden.
Als weitere wichtige Differenzialdiagnose nannte Dr. Frese das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom, das in 20 bis 30 Prozent der Fälle Hirninfarkte nach sich zieht. Frauen sind hier häufiger betroffen als Männer. Auch hier erfolgt nach drei bis sechs Monaten meist eine spontane Remission.
Deutscher Schmerzkongress