Medical Tribune
3. Juni 2023Bei weniger als 30 °C Körpertemperatur Vorsicht mit Defibrillator und Adrenalin

Kreislaufstillstand im alpinen Gelände

Kommt es in den Bergen zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand, gibt es bei der Wiederbelebung einige Besonderheiten zu beachten. In bestimmten Situationen sollte man vom Standard-Reanimationsalgorithmus abweichen.

Bei einem Kreislaufstillstand im alpinen Gelände gibt es einiges zu beachten.
Cylonphoto/gettyimages

Hypothermie

Die sogenannte akzidentelle Hypothermie ist durch einen Abfall der Körperkerntemperatur (KKT) unter 35 °C definiert. Allerdings ist die Temperaturmessung ausserklinisch oft ungenau, und die üblicherweise herangezogenen Kriterien für Unterkühlung wie Muskelzittern können auch andere Ursachen haben, etwa Begleitpathologien oder Medikamente, schreibt ein Autorenteam um ­Sebastian ­Weber vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm (1).

Wahrscheinlichkeit anhand der Vigilanz abschätzen

Die Wahrscheinlichkeit für einen hypo­thermiebedingten Kreislaufstillstand im alpinen Gelände sollte man daher besser anhand der Vigilanz des Verunglückten einschätzen. Bei einem wachen und ansprechbaren Patienten ist das Risiko niedrig bis moderat. Hoch ist es, wenn der Betroffene zwar noch Vital­zeichen aufweist, aber nur noch auf Schmerzreize reagiert.

Es ist häufig schwierig, ein Kreislaufversagen bei unterkühlten Menschen festzustellen. Die Autoren empfehlen daher, zur Sicherheit mindestens eine Minute lang nach Lebenszeichen zu suchen und – sofern möglich – technische Geräte zu nutzen. Totenflecken und ­Rigor ­mortis sind bei Hypothermie keine geeigneten sicheren Todeszeichen.

Das Verhältnis von Thoraxkompressions- und Beatmungsrate unterscheidet sich mit 30:2 nicht vom Vorgehen bei normothermen Personen. Im Fall von Kammerflimmern und einer KKT < 30 °C soll die Defibrillation nach drei erfolglosen Versuchen bis zu einem Anstieg auf > 30 °C verzögert werden. Denn die Wahrscheinlichkeit für einen stabilen Rhythmus mit ausreichendem kardialem Auswurf liegt < 30 °C KKT zu niedrig, die Gefahr für defibrillationsbedingte Myokardschäden ist hingegen hoch. Bei einer Temperatur < 30 °C raten die Autoren von der Gabe von Medikamenten wie Adrenalin oder Amiodaron ab. Im Bereich zwischen 30–35 °C sollte das Applikationsintervall für Adrenalin auf 6–10 min verdoppelt werden.

Für den längeren Transport oder in schwierigem Gelände raten Weber und Kollegen zu mechanischen Reanimationshilfen. Falls diese nicht verfügbar sind, ist auch eine intermittierende Wiederbelebung möglich. Bei Patienten mit eindeutig hypothermiebedingtem Herz-Kreislauf-Stillstand und einer KKT < 28 °C kann nach fünfminütiger Reanimation eine ebenso lange Pause für andere Rettungsmassnahmen eingelegt werden. Bei einer KKT < 20 °C ist sogar eine zehnminütige Unterbrechung möglich.

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