Medical Tribune
18. Juli 2024Aggressive Bakterien und COVID-19-Virus als mögliche Verursacher

Reizdarmsyndrom nach Gastroenteritis dauert oft lange

Tritt nach einer Magen-Darm-Infektion ein Reizdarmsyndrom auf, ziehen sich die Beschwerden bei etwa der Hälfte der Betroffenen mehr als vier Jahre lang hin. Das zeigt eine neue Studie im Fachjournal Gut. Die Forscher fanden ausserdem heraus, dass hinter anhaltenden Darmbeschwerden nach einer Gastroenteritis besonders oft aggressive und entzündungsfördernde Bakterien wie Proteobakterien und Enterobakterien stecken, sowie das SARS-CoV-2-Virus.

Reizdarmsyndrom nach Gastroenteritis.
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Wieder gesund, aber doch nicht so ganz. Einer von sieben Gastroenteritis-Betroffenen leidet danach am Reizdarmsyndrom.

Die Meta-Analyse, geleitet von einem internationalen Forscherteam, analysierte Daten aus 45 Studien mit über 21.000 Teilnehmern, die eine Gastroenteritis durchgemacht hatten (1).

Sie stellte fest, dass 14,5 Prozent der Teilnehmer nach einer Magen-Darm-Infektion an einem Reizdarmsyndrom (RDS) erkrankten, fast 13 Prozent entwickelten eine funktionelle Dyspepsie (Reizmagen). Bei fast der Hälfte der Betroffenen zog sich das RDS dabei über mehrere Jahre hin.

Welche Auslöser stecken hinter dem Reizdarmsyndrom nach Gastroenteritis?

Das RDS und die funktionelle Dyspepsie treten häufig plötzlich nach Magen-Darm-Infektionen auf. Hinter ihnen steckt üblicherweise eine virale Infektion oder der Verzehr verdorbener Lebensmittel.

Reizdarmsyndrom / funktionelle Dyspepsie und die Darm-Hirn-Achse

Ein Reizdarmsyndrom ist gekennzeichnet durch Verdauungsbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und veränderte Stuhlgewohnheiten. Betroffene mit funktioneller Dyspepsie (Reizmagen) leiden unter Beschwerden im Oberbauch, wie Völlegefühl, Magenschmerzen und Übelkeit.

Wie ein RDS oder eine funktionelle Dyspepsie entstehen, ist noch nicht geklärt. Nach aktueller Ansicht spielt neben Unverträglichkeiten für gewisse Nahrungsmittel auch eine Störung der Darm-Hirn-Achse (Gut-Brain-Axis) eine Rolle. Dabei ist die Kommunikation zwischen dem Nervensystem des Darms und dem zentralen und vegetativen Nervensystem verändert, sodass auch emotionale Faktoren wie Stress und Angst gastrointestinale Symptome auslösen können.

Um diesen Zusammenhang weiter zu verfolgen, untersuchten die Forscher 45 Studien mit 21.870 Teilnehmern, die meist aus Europa und den USA stammten. Insgesamt 16 der Studien waren nach Ansicht der Forscher von hoher, der Rest von moderater Qualität.

Im Durchschnitt trat nach einer Gastroenteritis bei 14,5 Prozent der Betroffenen ein Reizdarmsyndrom auf, und bei 13 Prozent eine funktionelle Dyspepsie.

Ein RDS nach einer Gastroenteritis hielt dabei bei 50 Prozent der Betroffenen zwischen sechs und 11 Monate an, und bei 52 Prozent für ein bis vier Jahre. In vier Studien gingen die Symptome bei 40 Prozent der Patienten über mindestens fünf Jahre.

Um die durchschnittliche Dauer der funktionellen Dyspepsie nach einer Gastroenteritis zu berechnen war der Umfang der Studiendaten zu gering.

Angstzustände, Covid-19 und Campylobacter-Infektionen sind Risikofaktoren

Die Analyse identifizierte mehrere Risikofaktoren für die Entwicklung des RDS nach einer Magen-Darm-Infektion. Dabei hatten Personen mit einer Vorgeschichte von Angstzuständen, länger anhaltendem Durchfall und Krankenhausaufenthalten, sowie Frauen, ein erhöhtes Risiko.

Die Forschungsergebnisse deuten auch darauf hin, dass bestimmte Bakterien und Viren besonders aggressiv und entzündungsfördernd wirken und somit die Entstehung des RDS begünstigen. So wurden Proteobakterien und Enterobakterien sowie das SARS-CoV-2-Virus als signifikante Auslöser identifiziert. Diese Mikroorganismen können das Gleichgewicht der Darmflora stören und hartnäckige Entzündungen verursachen.

Besonders auffällig war auch die hohe Wahrscheinlichkeit einer RDS-Entwicklung nach Infektionen mit Campylobacter, einem häufigen Durchfallerreger.

Die Ergebnisse der Meta-Analyse verdeutlichen für die Forscher die weitreichenden und langanhaltenden Folgen einer Magen-Darm-Infektion. Sie betonen, dass Ärzte Patienten mit kürzlich durchgemachter Magen-Darm-Infektion aufmerksam beobachten sollten.