Medical Tribune
6. Apr. 2024Kann Spuren von Gluten enthalten

Zöliakie: Chancen und Fallstricke der glutenfreien Ernährung

Für Patienten mit Zöliakie ist die glutenfreie Diät die einzige, dafür aber sehr effektive Behandlung. Allerdings ist es für Betroffene oft eine Herausforderung, sich an die strengen Vorgaben zu halten. Einige praktische Tipps können ihnen das Durchhalten erleichtern und ihnen zu mehr Lebensqualität verhelfen.

Speziell glutenfreie Lebensmittel sind oft alles andere als gesund. Besser ist ein Schwerpunkt etwa auf Hafer, der gegessen werden kann sobald eine Remission da ist.
Tanya Keisha/stock.adobe.com
Speziell glutenfreie Lebensmittel sind oft alles andere als gesund. Besser ist ein Schwerpunkt etwa auf Hafer, der gegessen werden kann sobald eine Remission da ist.

Menschen mit Zöliakie haben derzeit nur eine Möglichkeit, ihre Erkrankung zu kontrollieren: Sie müssen Gluten nahezu vollständig aus ihrer Ernährung streichen.

Dies ist jedoch keine einfache Aufgabe, wie Diana Studerus vom GastroZentrum Hirslanden in Zürich und PD Dr. Michael Schumann von der Charité - Universitätsmedizin Berlin erklären (1).

Kontaminationsgefahr mit Gluten wahrscheinlich überschätzt

Neben der erforderlichen Disziplin ist es auch wichtig, fundierte Kenntnisse über mögliche Glutenquellen zu haben, um versehentliche Aufnahmen kleiner Mengen zu vermeiden. Gleichzeitig sollte die Lebensqualität der Betroffenen trotz der strengen Vorgaben weitestgehend erhalten bleiben.

Lebensmittel gelten als glutenfrei, wenn sie weniger als 20 mg/kg des Proteinkomplexes enthalten. Der Grenzwert für eine Kontamination mit Gluten liegt zwischen 20 und 200 mg/kg, abhängig von den nationalen Vorschriften.

Studiendaten deuten darauf hin, dass das Risiko einer Kontamination bei der Zubereitung von Lebensmitteln in Grossküchen oder im privaten Bereich wahrscheinlich überschätzt wird. Bei vernünftiger Vorgehensweise kann eine Kontamination auch bei der Nutzung von Kochgeräten, Toastern oder Fritteusen vermieden werden, die sowohl für glutenhaltige als auch für glutenfreie Speisen verwendet werden.

Oft keine Symptome bei sehr geringen Mengen

Während einige Betroffene beim Essen sehr vorsichtig sind, nehmen andere unbewusst weiterhin Gluten zu sich. Letztere können von einer fundierten Ernährungsberatung profitieren, bei der versteckte Glutenquellen aufgedeckt werden. Der Verzehr geringer Mengen führt oft nicht zu Beschwerden, und die Betroffenen bemerken ihren Diätfehler nicht. Mittlerweile gibt es immunchromatografische Verfahren, mit denen die Fragmente des Proteins, die sogenannten «gluten immunogenic peptides», im Stuhl oder Urin nachgewiesen werden können.

Auch Arzneimittel mit Weizenstärke als Hilfsstoff können potenzielle Quellen für den Auslöser der Krankheit sein. Anders als bei Lebensmitteln muss Gluten bei ihnen nicht angegeben werden. Eine Untersuchung von 59 Medikamenten ergab, dass 71 Prozent der Präparate tatsächlich den Proteinkomplex enthielten. Die Mengen in Arzneimitteln liegen jedoch weit unter den als verträglich angesehenen 10 mg. Weizenstärkehaltige Tabletten, Pulver oder Säfte gelten für Patienten mit Zöliakie daher in der Regel als sicher.

Speziell glutenfreie Lebensmittel oft alles andere als gesund

Hafer wird mittlerweile als unbedenklich eingestuft. Allerdings ist er oft durch die Fruchtfolge auf den Äckern mit glutenhaltigem Getreide kontaminiert. Die Autoren empfehlen dabei, Hafer in den Speiseplan aufzunehmen, sobald eine stabile Remission erreicht ist, und verweisen auf entsprechende Empfehlungen in den Leitlinien.

Spezielle glutenfreie Lebensmittel haben im Vergleich zu herkömmlichen Produkten oft einen höheren Fett- und Zuckergehalt bei einem niedrigeren Ballaststoffanteil. Dies kann zu einem Mangel an Vitaminen (D, E, B1, B2, B6, B9), Mineralstoffen (Kalium, Kalzium, Magnesium) und Spurenelementen (Eisen, Zink, Jod, Selen, Mangan) führen. Daher ist es ratsam, laborchemische Kontrollen durchzuführen und gegebenenfalls Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Zumindest bei der Erst­dia­gnostik erzielt die serologische Bestimmung des Trans­glutaminase-Immun­globulins A eine hohe dia­gnostische Genauigkeit. Bei einer glutenfreien Ernährung sinken die Titer in der Regel innerhalb eines Jahres auf normale Werte. Ein positiver Antikörpernachweis weist auf Diätfehler oder Glutenkontaminationen hin, während ein unauffälliges Ergebnis die Exposition also nicht zuverlässig ausschliessen kann.

Zukünftig wird es mehr Optionen geben

Obwohl Leitlinien keine generelle Verlaufs­endoskopie vorsehen, scheint sie aufgrund neuer Daten für bestimmte Patienten sinnvoll zu sein. Eine gezielte Befragung kann Ärzten einen guten Eindruck von der Therapieadhärenz vermitteln.

In Zukunft wird es voraussichtlich weitere Therapieoptionen geben, die über die glutenfreie Ernährung hinausgehen. Eine ergänzende Therapie für Patienten, die trotz entsprechender Diät noch Restsymptome haben, wird wahrscheinlich bald verfügbar sein. Andere Verfahren werden es den Betroffenen ermöglichen, die Striktheit ihrer Diät in bestimmten Situationen zu umgehen, wie zum Beispiel bei Restaurantbesuchen oder in den Ferien.

Eine therapeutische Strategie ist etwa, die fehlende Immun­toleranz gegenüber den Gluten­peptiden wiederherzustellen, eine andere, die krankheits­triggernden Peptide mittels optimierter Glutenasen zu verdauen. Auch Hemmer der Gewebstransglutaminase und monoklonale Anti­körper gegen das Interleukin-15, das als entscheidender Mittler in der mukosalen Immun­reaktion gilt, werden derzeit in klinischen Studien untersucht.