Medical Tribune
5. März 2024Viele Sorgen der Patienten sind unberechtigt

Sport bei Typ-1-Diabetes: Fast immer zu empfehlen

Sport ist eine effektive Methode, um Folgeerkrankungen bei einem Typ-1-Diabetes zu vermeiden und den Blutzuckerspiegel langfristig besser zu kontrollieren. Viele Betroffene zögern jedoch aus Angst vor Hypoglykämien davor, regelmässig zu trainieren. Diese ist grösstenteils unbegründet.

Nicht erkennbarer Mann prüft seinen Blutzucker mit Smartphone-App
Yistocking/stock.adobe.com
Mit der engmaschigen Kontrolle des Blutzuckerspiegels vor, während und nach dem Sport ist oft sogar hochintensives Training möglich.

Sport und regelmässige Bewegung haben bei Diabetes mellitus Typ 1 zahlreiche gesundheitliche Vorteile. Neben der positiven Auswirkung auf den Stoffwechsel wirkt sich körperliche Aktivität auch positiv auf die kardiovaskuläre, muskuloskelettale, kognitive und psychosoziale Gesundheit der Betroffenen aus.

Natürlich gibt es aber auch Risiken wie akute Hypo- und Hyperglykämien, Verletzungen, kardiovaskuläre Ereignisse und mögliche mikrovaskuläre Komplikationen.

Menschen mit Typ-1-Diabetes gezielt zu Sport ermutigen

Und dennoch überwiegen die gesundheitlichen Vorteile von Sport diese Risiken deutlich, betont ein deutsches Autorenteam in einer neuen Übersichtsarbeit (1). Menschen mit Typ-1-Diabetes können daher gezielt zu regelmässigem körperlichem Training und mehr Bewegung im Alltag ermutigt werden.

Vor der Empfehlung zu mehr Sport sollten jedoch kardiovaskuläre Risikofaktoren sowie atypische Symptome einer koronaren Herzkrankheit sorgfältig erfasst werden, raten die beiden Autoren. Dies nicht zuletzt deswegen, als Patienten mit Typ-1-Diabetes ein erhöhtes Risiko für eine koronare Herzkrankheit tragen.

Ob bei asymptomatischen Personen, die mit einem wenig oder moderat intensiven Training beginnen wollen, ein entsprechendes Screening durchgeführt werden sollte, ist unter Experten aber umstritten.

Bei intensiveren Übungen ist eine kardiovaskuläre Diagnostik hingegen unbedingt erforderlich, betonen die Autoren. Diese umfasst in der Regel ein EKG und eine echokardiografische Untersuchung. Zusätzlich können ein Belastungs-EKG und Blutdruckmessungen unter Belastung und in Ruhe durchgeführt werden.

Permanente Kontrolle bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Auch diabetesbedingte mikro- und makrovaskuläre Komplikationen müssen berücksichtigt werden.

  • Bei koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit ist eine fortlaufende Untersuchung des Patienten auch nach Beginn der sportlichen Aktivitäten erforderlich.
  • Bei autonomen Neuropathien sollte eine kardiologische Untersuchung durchgeführt werden, da diese mit einer gestörten Regulation von Blutdruck und Herzfrequenz einhergehen kann.
  • Bei sensomotorischer Neuropathie oder diabetischem Fuss empfiehlt es sich, spezielle Sportschuhe zu tragen.
  • Bei diabetesbedingten Fussläsionen ab dem Wagner-Stadium 1 oder Osteoarthropathien sollte eine starke Belastung der Füsse vermieden werden.
  • Bei proliferativer Retinopathie sollte ein Anstieg des Blutdrucks über 180-200/100 mmHg vermieden werden. Hochintensives Kraft- oder Ausdauertraining sowie Kampfsport sind dann ungeeignet.

Damit Patienten mit Typ-1-Diabetes sicher Sport treiben können, ist eine gute Stoffwechselkontrolle im Alltag Voraussetzung. Die Blutzuckerwerte sollten vor, während und nach dem Training engmaschig überwacht werden. Die Verwendung von Echtzeit-Glukosemesssystemen (real-time continuous glucose monitoring), die Trendpfeile anzeigen, kann dabei sehr hilfreich sein. Auch die Bestimmung der Ketonkörper, idealerweise aus dem Blut, wird empfohlen.

Um die wichtigsten Behandlungsprinzipien und die optimale Blutzuckereinstellung zu erlernen, sollten Betroffene an Schulungen teilnehmen, z.B. zu multiplen Insulininjektionen, Echtzeit-Glukosemesssystemen und Sport bei Diabetes mellitus Typ 1. Das Führen eines Sporttagebuchs kann auch das Verständnis für die eigene Stoffwechseldynamik verbessern.

Blutzuckerspiegel kann beim Sport stärker schwanken

Je nach Sportart und individuellen Faktoren sollte vor und während des Trainings eine Blutzuckerkonzentration zwischen 7 und 10 mmol/l angestrebt werden. Anaerobes und hochintensives Training ist auch mit niedrigeren Werten (5-6,9 mmol/l) möglich, sofern kein Abfall der Werte zu erwarten ist.

Wenn die Blutzuckerspiegel ohne erkennbare Ursache über 15 mmol/l ansteigen, sollte eine Ketonkörperanalyse durchgeführt werden. Liegt der Ketonspiegel im Blut unter 0,6 mmol/l, kann mit leichten bis moderat intensiven aeroben Übungen begonnen werden. Bei erhöhten Ketonkörperkonzentrationen (bis zu 1,4 mmol/l) ist nur ein leichtes Training von weniger als 30 Minuten ratsam. Gegebenenfalls ist vor Trainingsbeginn eine geringe korrigierende Insulindosis erforderlich. Bei Ketonwerten von 1,5 mmol/l oder höher ist jeglicher Sport kontraindiziert.

Bis zu 14 Stunden nach dem Ende des Trainings kann der sogenannte Muskelauffülleffekt eine Reduzierung der Bolus- und/oder Basalinsulindosis erforderlich machen. Zusätzlich kann es vor, während und nach dem Sport notwendig sein, zusätzliche Kohlenhydrate aufzunehmen. Als Faustregel gilt: Die Menge des aktiven Insulins im Körper sollte so niedrig wie möglich gehalten werden.