Medical Tribune
5. Dez. 2023Hund, Katze, Maus

Haustiere für Allergikerfamilien?

In vielen Haushalten leben Katzen oder Hunde. Aus allergologischer Sicht gibt es dabei gelegentlich Bedenken, da ein Zusammenhang zwischen Haustierhaltung mit Sensibilisierungen und Asthma zu bestehen scheint. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Haustiere bewiesenermassen präventiv wirken.

Hund, Katze und Maus sitzen vor weissem Hintergrund
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Wer ohne Haustier aufgewachsen ist, erlebt bei Anschaffung im Erwachsenenalter manchmal böse Überraschungen.

Laut PD Dr. Sebastian Schmidt vom deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Greifswald zeigen 9,7 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland eine Sensibilisierung gegen Hunde, 8,4 Prozent gegen Katzen und 4,4 Prozent gegen Pferde. In der Schweiz sind die Zahlen vermutlich ähnlich (2).

Bei Kindern mit atopischer Erkrankung liegt die Prävalenz in Deutschland sogar zwischen 20 und 30 Prozent. Angesichts des erhöhten Asthma-Risikos, das mit einer Sensibilisierung einhergeht, sind das erhebliche Raten.

Fensteröffnen vertreibt die Allergene nicht

Die Allergene finden sich vor allem in den Hautschuppen der Haustiere, aber auch in Speichel und Urin. Sie haften an den Fellhaaren und bilden Reservoire auf Polstermöbeln und Teppichen. Da sie sehr leicht sind, genügt ein geringer Luftzug, um sie aufzuwirbeln und lange Zeit in der Luft schweben zu lassen.

Das Öffnen von Fenstern vertreibt die Allergene nicht, im Gegenteil. Wenn sie an der Kleidung eines Tierhalters haften, verbreiten sie sich schnell in der gesamten Umgebung. Hochgradige Katzenallergiker können dadurch sogar Beschwerden in Räumen bekommen, in denen nie zuvor eine Katze war. Da Katzenallergene wochen- oder monatelang bestehen bleiben, reicht es nicht aus, das Tier einfach abzuschaffen. «Sie müssen auch die Reservoire entfernen. Und das ist eine Herausforderung», erklärt der Experte.

Eine frühkindliche Exposition gegenüber Katzen­allergenen war in einer deutschen Studie mit einer Sensibilisierung im Alter von zwei Jahren verbunden. Bei Sechsjährigen bestand dieser Zusammenhang nicht. Vielmehr hatten sich deren Raten denen von Kindern ohne Katzenkontakt angeglichen. Nicht sensibilisierte Kinder, die in einem Katzen­haushalt leben, haben kein erhöhtes Asthma-Risiko. Eine frühe Sensibilisierung erhöht das Risiko jedoch um das Sechsfache, unabhängig davon, ob das Tier im Haus lebt oder nicht. Die Risikofaktoren für eine allergische Rhinitis sind weniger eindeutig. Katzenkontakt im ersten Lebensjahr fördert bei Kindern mit Filaggrin-Mutation eine atopische Dermatitis, so PD Dr. Schmidt.

Hunde für Kleinkinder überwiegend protektiv

Bei Hunden verhält es sich etwas anders. Als Hausgenossen scheinen sie eher vor allergischen Erkrankungen zu schützen. Eine Studie zeigte etwa, dass bei Kindern, die in den ersten drei Lebensjahren mit einem Hund aufwuchsen, das Risiko für Lebensmittelallergien um 90 Prozent und das für eine Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben um 66 Prozent sank.

Forscher führen dieses Phänomen auf die Entwicklung einer TH1-Immunität beim Säugling (Bauernhof-Effekt) sowie auf eine Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms durch engen Hundekontakt zurück. Wenn Kinder jedoch bereits gegen Hunde sensibilisiert sind, kann ein Tier im Haushalt das Asthma-Risiko um das 23-Fache erhöhen. Der Effekt ist dabei deutlich stärker ausgeprägt als bei Katzen.

Bislang nicht geklärt ist, welchen Effekt ein sehr enger Umgang mit mehreren Tieren hat. Steigt die Sensibilisierungsrate, Allergien und Asthma durch intensives Zusammenleben noch weiter an oder trifft eher das Gegenteil zu? Europäische Studien zeigen, dass die Sensibilisierungsrate mit der Intensität der Exposition steigt. Dies wurde bereits bei der Hausstaubmilbe beobachtet. US-amerikanische Untersuchungen hingegen zeigen, dass sie bei (sehr) hoher Exposition teilweise wieder abnimmt oder ein Plateau erreicht. Bei Menschen, auf die dies zutraf, wurden hohe IgG-Antikörper-Spiegel (insbesondere IgG4) gegen das Katzenepithel-Allergen Fel d 1 festgestellt, immunologische Veränderungen, die auch als Reaktion auf eine Allergenimmuntherapie beobachtet werden.

Wie lange eine angenommene Toleranz ohne fortgesetzten Tierkontakt bestehen bleibt, ist nicht bekannt. Es gibt bisher keine Studien zu diesem Thema. Klinische Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass der Schutz mit nachlassender Exposition schwächer wird. Nach einem Jahr Karenz kam es bei Studenten, die in den Ferien wieder auf ihre Haustiere trafen, zu heftigen Reaktionen.

Neuanschaffung eines Tiers im Erwachsenenalter will gut überlegt sein

PD Dr. Schmidt warnt davor, im Erwachsenenalter ein Tier anzuschaffen. Die Gefahr einer Sensibilisierung besteht vor allem dann, wenn der Vierbeiner mit ins Bett darf, bereits eine andere Sensibilisierung oder Allergie nachgewiesen wurde und der Tierhalter als Kind keinen Kontakt zu Haustieren hatte.

Was die Leitlinie rät

Basierend auf der S3-Leitlinie Allergieprävention gibt PD Dr. Schmidt folgende Empfehlungen zur Haustierhaltung in Familien:

  • Ein Hund hat sich für Kleinkinder im ersten bis dritten Lebensjahr überwiegend
    als Schutz vor der Entwicklung von Allergien und Asthma erwiesen.
  • Es gibt widersprüchliche Daten zur Haltung von Katzen und anderen typischen
    Haustieren (ausser Hunden).
  • Menschen, die kein erkennbar erhöhtes Allergie-Risiko haben, müssen die
    Haltung einer Katze oder eines Hundes nicht einschränken.
  • Familien mit erhöhtem Allergie-Risiko oder Kindern mit atopischem Ekzem
    sollten keine Katze anschaffen.
  • Familien mit erhöhtem Allergie-Risiko sollte man nicht von der Haltung eines
    Hundes abraten.
  • Es gibt keine Empfehlungen zur Primärprävention von Allergien und Asthma
    hinsichtlich anderer Haustiere.
  • Es gibt keine Evidenz dafür, dass ein vorhandenes Haustier aus Gründen der
    Allergieprävention abgeschafft werden sollte.