Medical Tribune
5. Sept. 2024ESC 2024

Vutrisiran verbessert Prognose der ATTR-Kardiomyopathie

Der RNA-Interferenz-Wirkstoff Vutrisiran ist in der Schweiz zur Behandlung der hereditären Transthyretin-Amyloidose (hATTR-Amyloidose) bei erwachsenen Patienten mit Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2 zugelassen. Einer neuen am Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) vorgestellten Studie zufolge verlangsamt er zudem das Fortschreiten der Kardiomyopathie bei der Transthyretin-Amyloidose (ATTR) und verbessert signifikant die Mortalität und Lebensqualität der Patienten.

Bei der ATTR-Kardiomyopathie lagert sich fehlgefaltetes Protein (Amyloid, hellrosa) im Herzen ab.
Nephron/wikimedia commons
Bei der ATTR-Kardiomyopathie lagert sich fehlgefaltetes Protein (Amyloid, hellrosa) im Herzen ab.

Bei der Transthyretin-Amyloidose (ATTR) lagert sich eine fehlgefaltete Version des Proteins Transthyretin in den Organen, vor allem im Herzen, ab. Dies führt zur ATTR-Kardiomyopathie (ATTR-CM), bei der fortschreitende strukturelle Veränderungen des Herzens stattfinden, die oft tödlich enden.

Die am ESC 2024 präsentierte HELIOS-B-Studie belegt nun erstmals, dass RNA-Silencer wie Vutrisiran kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität bei Patienten mit ATTR signifikant senken können.

siRNA neuer Behandlungsansatz bei Transythyretin-Amyloidose

Die Transthyretin-Amyloidose ist eine seltene schwere Erkrankung, die entweder durch Mutationen im Transthyretin-Gen TTR (erbliche oder hereditäre ATTR, hATTR) oder Alterungsprozesse ohne Mutation von TTR (Wildtyp-ATTR, wtATTR) verursacht wird.

Beide führen zur Fehlfaltung des Transthyretin-Proteins, das sich in Form von unlöslichen Fibrillen («Amyloid») in den Organen ablagert.

Im Herzen können diese Ablagerungen lebensbedrohlich sein. Die ATTR-Kardiomyopathie entwickelt sich schleichend und äussert sich durch Kurzatmigkeit, Müdigkeit, Beinschwellungen und unregelmässigen Herzschlag. Da diese Symptome unspezifisch sind und leicht mit anderen Herzerkrankungen verwechselt werden können, erfolgt die Diagnose oft spät. Dies verschlechtert die Prognose der Patienten erheblich.

Vutrisiran, ein RNA-Interferenz-Therapeutikum, schaltet gezielt das Gen aus, das für die Produktion von Transthyretin verantwortlich ist. Dadurch verringert sich die Menge des produzierten Transthyretin-Proteins, was die Bildung von Amyloidablagerungen reduziert oder verhindert und die Krankheitsprogression verlangsamt oder stoppt.

Was bringt Vutrisiran bei ATTR?

Die HELIOS-B-Studie, vorgestellt auf dem ESC 2024, ist eine randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie mit 655 Patienten aus 87 Zentren in 26 Ländern (Durchschnittsalter 76,5 Jahre, 92,5 % Männer).

Eingeschlossen waren Patienten mit hATTR und wtATTR. 77,6 Prozent der Teilnehmer hatten zum Randomisierungszeitpunkt ein Herzversagen der NYHA Klasse 2. 40 Prozent nahmen den krankheitsstabilisierenden Wirkstoff Tafamidis ein.

Die Probanden erhielten entweder 25 mg Vutrisiran subkutan alle drei Monate oder ein Placebo für bis zu 36 Monate. Patienten, die bereits Tafamidis einnahmen, setzten diese Behandlung parallel zu Vutrisiran/Placebo fort.

Ergebnisse der HELIOS-B-Studie

Vutrisiran reduzierte in HELIOS-B die Gesamtmortalität und rezidivierende kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Placebo. In der Gesamtpopulation sank das Risiko für diesen zusammengesetzten Endpunkt um 28 Prozent, in der Vutrisiran-Monotherapie-Gruppe um 33 Prozent. In der Gruppe der mit Vutrisiran und Tafamidis Behandelten sank das Risiko nicht signifikant um 20 Prozent.

Bei Patienten, die Vutrisiran erhielten, verbesserte sich ausserdem die Lebensqualität (laut Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire–Overall Summary [KCCQ-OS]) und körperliche Funktion (laut Sechs-Minuten-Gehtest) signifikant.

Auch das Sicherheitsprofil von Vutrisiran wurde untersucht. Die meisten Patienten vertrugen das Medikament gut. Die häufigsten Nebenwirkungen waren mild bis moderat und umfassten hauptsächlich Reaktionen an der Injektionsstelle, Übelkeit und leichte Kopfschmerzen.

Schwerwiegende Nebenwirkungen waren selten. 3,1 Prozent in der Vutrisiran-Gruppe und 4,0 Prozent in der Placebo-Gruppe brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab.

Neuer Therapiestandard für die ATTR-Kardiomyopathie?

Dr. Sarah Cuddy vom Brigham and Women’s Hospital in Boston diskutierte die Studie für den ESC. Sie betont, dass Gen-Silencer eine wichtige Behandlungsoption für die ATTR-Kardiomyopathie darstellen, die bislang nur schlecht therapiert werden konnte. «Heute sehen wir die erste Studie, die positive Ergebnisse in Bezug auf Effizienz mit primären kardiovaskulären Endpunkten, wie Tod und Krankenhausaufenthalten aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erzielte.»

Abschliessend betont Dr. Cuddy den Stellenwert eines frühzeitigen Behandlungsbeginns, «der für die Patienten einen grossen Unterschied bedeuten kann.» Grundlage für die frühe Therapie sei dabei vor allem die rechtzeitige Erkennung der ATTR, die aufgrund von fortschrittlicheren Diagnoseverfahren heute einfacher sei als früher.