Medical Tribune
2. Aug. 2024Besserer Schlaf ohne CPAP

Hilft Tirzepatid auch gegen obstruktive Schlafapnoe?

Zwei neue Studien zeigen, dass Tirzepatid bei Patienten mit Adipositas nicht nur das Gewicht reduzieren, sondern auch Symptome des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms (OSAS) lindern kann.

Tirzepatid könnte OSA-Patienten mit Adipositas die CPAP ersparen.
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Tirzepatid könnte manchen OSAS-Patienten mit Adipositas möglicherweise die CPAP ersparen.

Die Untersuchungen SURMOUNT-OSA-1 und SURMOUNT-OSA-2, veröffentlicht im New England Journal of Medicine (1), prüften die Wirksamkeit von Tirzepatid bei 469 Patienten mit Adipositas und OSAS.

Tirzepatid verbesserte die Schlafstörungen bei vielen Patienten deutlich, sodass etwa die Hälfte der Teilnehmer keine kontinuierliche positive Atemwegsdrucktherapie (CPAP) mehr benötigte.

Obstruktive Schlafapnoe

Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ist eine weit verbreitete Schlafstörung, die durch wiederholte Blockaden der oberen Atemwege während des Schlafes gekennzeichnet ist. Diese führen zu Atemaussetzern (Apnoe) und flacher Atmung (Hypopnoe), was die Sauerstoffversorgung des Körpers mindert und den Schlaf stört.

Zusätzlich belastet das typische Schnarchen bei OSAS auch die sozialen Beziehungen der Betroffenen.

OSAS beeinträchtigt die Lebensqualität stark und kann negative Folgen für das Herz-Kreislauf-System haben. Sie begünstigt unter anderem:

  • Bluthochdruck
  • koronare Herzerkrankung
  • Schlaganfälle
  • Herzinsuffizienz
  • Vorhofflimmern
  • Typ-2-Diabetes

Die Standardbehandlung für OSAS umfasst neben Gewichtsverlust die kontinuierliche positive Atemwegsdrucktherapie (CPAP). Dabei hält ein Gerät mit einer Maske die Atemwege durch kontinuierlichen Luftdruck offen. Viele Patienten haben jedoch Schwierigkeiten, die Therapie langfristig durchzuhalten. Rund die Hälfte der Patienten gibt die CPAP innerhalb von drei Therapiejahren wieder auf.

Zusammenhang von Adipositas und OSAS

Eine der wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung von OSAS ist die Adipositas. Die American Diabetes Association schätzt, dass rund 40 Prozent der Menschen mit Adipositas auch an OSAS leiden, und rund 70 Prozent der OSAS-Patienten Adipositas haben.

Überschüssiges Fettgewebe, besonders im Hals- und oberen Atemwegsbereich, kann die Atemwege während des Schlafes verengen oder blockieren. Viszerales Fett erhöht zudem die Atemarbeit und erschwert die Atmung weiter.

Tirzepatid ist ein dualer Agonist für die Rezeptoren der Darmhormone GIP und GLP-1. In der Schweiz ist es unter dem Handelsnamen Mounjaro für schwer kontrollierbaren Typ-2-Diabetes zugelassen. In der EU kann es auch bei Patienten mit schwerer Adipositas und gewichtsbedingten Begleiterkrankungen angewendet werden.

Die SURMOUNT-Studien

Die beiden randomisierten Phase-III-Studien untersuchten die Wirksamkeit von Tirzepatid bei 469 adipösen Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe. Sie rekrutierten Teilnehmer, die zu Studienbeginn keine CPAP anwendeten (SURMOUNT-OSA-1), und CPAP-anwendende Patienten (SURMOUNT-OSA-2).

70 Prozent der Teilnehmer waren Männer, da die Randomisierung bei diesem Schwellenwert einen Aufnahmestopp für Männer vorsah, um auch Frauen in der Studie ausreichend abzubilden.

Die Patienten erhielten 52 Wochen lang wöchentlich eine Injektion von zehn bis 15 mg Tirzepatid oder Placebo.

Rund die Hälfte bräuchte wohl keine CPAP-Therapie mehr

Zu Studienbeginn hatten 65 bis 70 Prozent der Patienten per Definition ein schweres OSAS mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) von mehr als 30 Ereignissen pro Stunde. Im Mittel wiesen die Teilnehmer 51,5 AHI-Ereignisse pro Stunde auf.

Nach einem Jahr Behandlung mit Tirzepatid sank die mittlere Ereigniszahl pro Stunde um 27 bis 30, in der Placebogruppe nur um fünf bis sechs.

Rund die Hälfte der Patienten, die Tirzepatid erhielten, erreichten dabei auch den sekundären Endpunkt von weniger als fünf AHI-Ereignissen pro Stunde bzw. fünf bis 14 AHI-Ereignissen pro Stunde und einem Epworth Sleepiness Scale (ESS)-Wert von 10 oder weniger. «Diese Schwellenwerte stellen ein Niveau dar, bei dem eine CPAP-Therapie möglicherweise nicht empfohlen wird», schreiben die Autoren.

Über beide Studien hinweg verloren die Patienten, die Tirzepatid erhielten, im Durchschnitt 16 bis 17 Prozent ihres Körpergewichts. Zudem verbesserten sich der systolische Blutdruck, besonders bei Patienten ohne CPAP-Therapie, die den Blutdruck ebenfalls senkt. Auch die Schlafqualität und die Tagesschläfrigkeit der Teilnehmer mit Tirzepatid verbesserten sich.

Rund ein Viertel der mit Tirzepatid behandelten Teilnehmer litt unter meist milden bis mittelschweren Nebenwirkungen, hauptsächlich gastrointestinalen Symptomen wie Durchfall, Erbrechen und Übelkeit.

Limitationen der Studie

Die Studien haben einige Limitationen. Das Design erlaubt keine Analyse langfristiger kardiovaskulärer Ergebnisse. Zudem lässt es keine Schlüsse auf die Wirksamkeit von Tirzepatid bei normalgewichtigen OSAS-Patienten zu, da diese nicht in die Studie eingeschlossen waren.