Medical Tribune
31. Juli 2024Migräne, Spannungskopfschmerzen oder Clusterkopfschmerzen?

Kopfschmerzen richtig erkennen und behandeln

Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden weltweit und stellen sowohl für Patienten als auch für Ärzte eine bedeutende Herausforderung dar. Eine Expertin berichtet über die verschiedenen Kopfschmerztypen, diagnostischen Ansätze und therapeutischen Möglichkeiten.

Kopfschmerzen sind ein sehr häufiges Problem
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Insgesamt sind mehr als 200 verschiedene Arten von Kopfschmerzen bekannt. Diese sind keineswegs einheitlich; sie variieren stark in ihrer Ursache, Intensität und den begleitenden Symptomen.

Am häufigsten treten die Migräne und Spannungskopfschmerzen auf, berichtet PD Dr. Athina Papadopoulou, Leiterin der Kopfschmerz-Ambulanz am Universitätsspital Basel, an ihrem Vortrag anlässlich der SGAIM Frühjahrskonferenz 2024.

Migräne oder Spannungskopfschmerzen?

«Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Typen kann herausfordernd sein, insbesondere wenn Patienten gemischte Symptome aufweisen» berichtet PD Dr. Papadopoulou. Einige Anhaltspunkte helfen jedoch bei der Diagnose.

Spannungskopfschmerzen sind eher drückend und treten eher beidseitig auf. Sie sind in ihrer Intensität typischerweise leicht bis mittelstark, und verschlimmern sich meist nicht durch körperliche Anstrengung.

Migräne fällt hingegen meist durch einseitige, pulsierende Schmerzen auf, die ausserdem häufig mit Begleitsymptomen wie Licht- und Lärmempfindlichkeit, Übelkeit und Schwindel einhergehen. Im Gegensatz zu den Spannungskopfschmerzen werden bei der Migräne die Kopfschmerzen bei körperlicher Belastung oft intensiver und pochender. «Das führt auch dazu, dass Patienten bei einer Migräne-Attacke häufig das Bedürfnis haben, sich zurückziehen/körperlich zu schonen. «Fragen Sie die Patienten daher immer, was sie während der Attacken machen, ob sie Aktivitäten und Reize vermeiden», so PD Dr. Papadopoulou.

Die Attacken dauern typischerweise von mehreren Stunden bis zu drei Tagen an.

Ein weiterer Hinweis in der Differenzialdiagnose bei der Migräne ist eine positive Familienanamnese sowie die deutliche weibliche Prädominanz (Frauen sind ca. dreimal häufiger betroffen). Zudem ist auch eine hormonelle Abhängigkeit bekannt; so ist eine Assoziation mit der Menstruation bei Migräne typisch.

PD Dr. Atina Papadopoulou berichtete auf der SGAIM-Frühjahrskonferenz über Kopfschmerzen.
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Die Unterscheidung häufiger Kopfschmerzarten wie Migräne und Spannungskopfschmerzen ist oft nicht einfach, sagt PD Dr. Athina Papadopoulou, Universitätsspital Basel

Oft treten vor der Migräne-Attacke Prodromi und / oder eine Aura auf

Viele Migränepatienten geben an, bereits einige Stunden vor dem Auftreten der Kopfschmerzen bestimmte Symptome an sich zu bemerken («Prodromi»). Dazu gehören unter anderem

  • Heisshunger auf bestimmte Nahrungsmittel (z.B. auf Süsses)
  • Gereiztheit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Nackenschmerzen

Bei etwa einem Drittel der Betroffenen tritt zudem innerhalb von bis zu einer Stunde vor Beginn der Migräne-Kopfschmerzen eine «Aura» auf.

Als besonders charakteristisch gilt dabei die visuelle Aura (Sehstörungen), oft beschrieben als Fortifikationen, Flimmern oder Gesichtsfeldausfälle (Skotom). Es können aber auch sensible, aphasische (sprachliche) oder seltener motorische Störungen im Rahmen einer Aura auftreten. Typischerweise beginnen diese Symptome nicht sehr plötzlich (wie z.B. bei einem Schlaganfall), sondern meist leicht, und steigern sich langsam zu ihrer vollen Intensität.

Clusterkopfschmerzen

Im Gegensatz zur Migräne sind Clusterkopfschmerzen selten. Typisch für die Clusterkopfschmerzen sind relativ kurze (15-180 Minuten), sehr schmerzhafte und stark einseitige Schmerzepisoden. Diese sind häufig mit sogenannten «trigemino-autonomen» Symptomen, wie laufender Nase und tränendem Auge auf der vom Schmerz betroffene Gesichtsseite verbunden.

Typisch für Clusterkopfschmerzen sind Attacken, die über eine Zeit («Cluster») lang regelmässig (meistens täglich) auftreten, und dann für einige Monate pausieren (Remissionsphasen). Gibt es diese Remissionsphasen nicht bzw. sind diese kurz (< 3 Monate), dann spricht man von chronischen Cluster-Kopfschmerzen (seltener).

Cluster-Kopfschmerzen betreffen häufiger Männer, diese erscheinen während der Attacken oft rastlos und unruhig – im Gegensatz zur Migräne, die meist Frauen betrifft, und die sich aufgrund ihrer Schmerzen eher zurückziehen.

Die Clusterkopfschmerzen werden leider oft übersehen oder falsch diagnostiziert, berichtet PD Dr. Papadopoulou. Patienten haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis sie zur richtigen Diagnose kommen.

Gefährliche Kopfschmerzen: Red Flags und Bildgebung

Obwohl die potenziell gefährlichen, «sekundären Kopfschmerzen» viel seltener als die harmlosen «primären Kopfschmerzen» (wie Migräne, Spannungskopfschmerzen etc.) sind, ist eine richtige Differenzierung sehr wichtig für die Behandlung und die Vermeidung von schwerwiegenden Komplikationen.

Diesbezüglich sind bestimmte Red Flags (Warnzeichen) entscheidend, um sekundäre Kopfschmerzen auszuschliessen, erinnert PD Dr. Papadopoulou. Das «SNOOP-Akronym» hilft hierbei:

  • Systemische Begleitsymptome: Gewichtsverlust, Nachtschweiss, Fieber etc.
  • Neurologische Ausfälle: Verlangsamung, Bewusstseinsstörung, epileptische Anfälle, fokale Ausfälle etc.
  • «Onset» (= Beginn): plötzlich, akut (z.B. «Donnerschlagkopfschmerz», maximale Intensität innerhalb von einer Minute).
  • «Older» (= Alter): Neuauftreten von Kopfschmerzen bei «älteren» Patient*innen (>50 Jahre)
  • «Pattern change» (= Musteränderung): Änderung des Kopfschmerzmusters

Eine Bildgebung ist nicht bei allen Patienten mit Kopfschmerzen notwendig. Wenn jemand seit vielen Jahren regelmässig die gleichen Kopfschmerzen hat, spricht dies zumeist gegen eine gefährliche Ursache. Ein Bild sollte laut der Expertin stattdessen eher gemacht werden, wenn neue, ungewöhnliche Symptome auftreten oder zusätzliche Warnzeichen vorhanden sind.

Therapie von Kopfschmerzen

Die Therapie der Kopfschmerzen, insbesondere für die Migräne, umfasst drei wichtige Säulen:

  • nicht-medikamentöse Massnahmen,
  • Akutherapie und
  • Prophylaxe.

PD Dr. Papadopoulou betont, dass in der Praxis nicht-medikamentöse Ansätze wie z.B. regelmässiger Ausdauersport, Stressmanagement und Entspannungstechniken eine grosse Rolle spielen. Zudem sollten Patienten über den Einfluss eines regelmässigen Schlaf-Wach-Rhythmus und die Vermeidung von individuellen «Triggern» (z.B. Alkohol, Schlafmangel etc.) aufgeklärt werden.

Eine weitere nicht-medikamentöse Möglichkeit ist der Einsatz von TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation)-Geräten, typischerweise auf der Stirn.

Akuttherapie

Die Akuttherapie der Attacken umfasst die Gabe von Analgetika, insbesondere nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie z.B. IbuprofenParacetamol ist hingegen bei Migräne seltener/weniger wirksam.

Zudem stehen speziell für die Migräne bereits seit einigen Jahren die Triptane zur Verfügung. Triptane sollten rechtzeitig, am besten zu Beginn der Kopfschmerzen, eingenommen werden. Wirken sie alleine nicht ausreichend, können sie dabei auch in Kombination mit NSAR zur Anwendung kommen.

Aktuell werden Triptane oft noch zögerlich verschrieben, berichtet PD Dr. Papadopoulou– unter anderen aufgrund der Angst vor kardiovaskulären Ereignissen. Die Expertin weist darauf hin, dass dieses Risiko in der Praxis wahrscheinlich sehr gering ist und dass Triptane bei korrekt diagnostizierter Migräne auch bei Patienten mit kontrollierter arterieller Hypertonie sicher eingesetzt werden können.

Allerdings sollte eine Einnahme an mehr als zehn Tagen pro Monat vermieden werden, aufgrund des Risikos für die Entwicklung von Medikamentenübergebrauchskopfschmerzen.

Das Gleiche gilt auch für Opiate, welche insgesamt bei Kopfschmerz-Patienten vermieden werden sollten.

Prophylaxe

Für die Prophylaxe bei häufigen und schweren Migräneattacken kommen verschiedene Medikamente in Frage, darunter Betablocker, Antiepileptika wie Topiramat, sowie Antidepressiva wie Amitriptylin.

Als äusserst wirksam in der Migräne-Prophylaxe haben sich auch die CGRP-Antikörper erwiesen, die von Laien auch als «Migräne-Spritze» oder «Migräne-Impfung» bezeichnet werden. Die Präparate zielen dabei auf die Ausschüttung von «CGRP» (= Calcitonin Gene-related Peptide) während den Migräneattacken ab, ein Neuropeptid, das an die Gefässe in der Dura bindet, und zu deren Erweiterung führt.

«CGRP-Antikörper bieten eine vielversprechende Option für Patienten mit chronischer bzw. schwerwiegender Migräne, insbesondere bei unzureichendem Ansprechen auf andere Therapien» sagt PD Dr. Papadopoulou. In der Schweiz sind mindestens 8 Migränetage pro Monat, mindestens 2 frühere prophylaktische Therapieversuche sowie die Verordnung (nach Kostengutsprache) von einer Fachärztin/einem Facharzt für Neurologie Voraussetzungen für den Einsatz der CGRP-Medikamente.

Botox (Botulinumtoxin A) ist eine weitere Option für Patienten mit chronischer Migräne. Es wirkt wahrscheinlich durch die Unterbrechung einer übermässigen Muskelaktivität sowie anderer schmerzhafter Signale zum Gehirn.

Neue Entwicklungen bei der Kopfschmerz-Behandlung

Zu den neueren Entwicklungen in der Migränetherapie gehören die Gepante, welche ebenfalls gegen das CGRP gerichtet sind. Gepante sind CGRP-Rezeptor-Antagonisten, die aber als Tabletten verfügbar sind. Zudem können bestimmte Gepante, aufgrund ihrer schnell einsetzenden Wirkung gleichzeitig sowohl zur Prophylaxe als auch zur Akuttherapie eingesetzt werden, was ein neues Konzept in der Migräne-Therapie entspricht.