Medical Tribune
15. März 2024Zwischen Kifferromantik und harter Wirklichkeit

Wie sich junge Cannabis-Konsumenten in Gefahr bringen

Nach Alkohol und Tabak ist Cannabis die wohl am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz. Besonders bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren ist die Droge beliebt. Allerdings birgt der langjährige und intensive Konsum von Marihuana oder Haschisch eine Vielzahl von Gefahren.

Frau raucht Cannabis-Joint
Shane Cotee/stock.adobe.com

Weltweit konsumieren schätzungsweise 209 Millionen Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren Cannabis, was etwa vier Prozent dieser Altersgruppe entspricht, ist in einer aktuellen Übersichtsarbeit im New England Journal of Medicine zu lesen (1).

Unter den 18- bis 25-jährigen in den USA liegt bei etwa 14,4 Prozent eine Cannabisgebrauchsstörung vor. Die Abhängigkeit von Cannabis beginnt im Durchschnitt im Alter von 22 Jahren. Das Risiko steigt, wenn die Droge bereits früh im Leben konsumiert wird.

Studien zeigen, dass der Konsum bei Jugendlichen und Heranwachsenden langfristig zu subtilen kognitiven Beeinträchtigungen führt und offensichtlich das Risiko für kriminelles Verhalten und den Missbrauch anderer Substanzen erhöht.

Folgeerkrankungen können schwer wiegen

Im DSM-5-TR (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition, Text Revision) sind sieben Erkrankungen aufgeführt, die mit dem Konsum von Cannabis einhergehen können. Neben der Konsumstörung werden dort die akute Intoxikation, verschiedene subakute Cannabis-induzierte Erkrankungen sowie das Cannabisentzugssyndrom genannt. Insbesondere die Folgeerkrankungen können zu schweren Gesundheitsschäden oder sogar zum Tod führen. Cannabis spielt aber auch bei Verkehrsunfällen, Suiziden sowie Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle.

Die Inhaltsstoffe der Cannabispflanze wirken im Endocannabinoidsystem des menschlichen Körpers. Das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) bindet als partieller Agonist an die Cannabinoidrezeptoren Typ 1 und Typ 2, sowohl im Gehirn als auch ausserhalb des Zentralnervensystems. Cannabidiol (CBD) wirkt nur begrenzt über diese Rezeptoren. Wenn THC als Rauch oder Dampf inhaliert wird, entfaltet es innerhalb von zehn Minuten seine stärkste Wirkung. Bei oraler Einnahme dauert es zwei bis sechs Stunden, bis der maximale Plasmaspiegel erreicht ist.

Who is Who beim Cannabis

Mehr als 500 Inhaltsstoffe der Cannabispflanze wurden bisher identifiziert, davon sind rund 125 Phytocannabinoide. Die stärkste psychoaktive Wirkung hat das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC). Cannabidiol (CBD) vermittelt vor allem anxiolytische und analgetische Effekte und möglicherweise auch antipsychotische Effekte. Im Gegensatz zu THC hat CBD keine euphorisierende Wirkung.

Intoxikationen verlaufen meiste eher mild

Bei einer akuten Intoxikation kommt es, abhängig vom Konsumverhalten und der Menge, zunächst zu psychischen Veränderungen wie Euphorie, Entspannung oder gesteigertem Appetit. Psychotische Symptome treten seltener auf. Bei hoher Dosierung können jedoch Panikattacken oder Paranoia auftreten.

Der Konsum beeinträchtigt oft das Kurzzeitgedächtnis und das Konzentrationsvermögen. Weitere mögliche Symptome sind verwaschene Aussprache, Koordinationsstörungen, ein trockenes Mundgefühl, gerötete Bindehaut und ein horizontaler Nystagmus. Beim Inhalieren kann es auch zu Husten oder Atemnot kommen. Besondere Gefahren bestehen in möglichen kardiologischen Folgen wie Hypotonie und Tachykardie bis hin zu Rhythmusstörungen.

Intoxikationen verlaufen in der Regel mild und klingen innerhalb von 24 Stunden von selbst ab. Für Kleinkinder kann eine Vergiftung jedoch lebensbedrohlich sein. Eine Notfallbehandlung ist erforderlich, wenn starke Beeinträchtigungen auftreten, insbesondere schwere psychotische Symptome. Ein Antidot ist nicht verfügbar.

Länger anhaltende Symptome verschwinden normalerweise innerhalb eines Monats

Länger anhaltende psychische Symptome beim Konsum oder Entzug von Cannabis können Anzeichen für subakute Folgeerkrankungen sein, die jedoch innerhalb eines Monats nach Abstinenz verschwinden. Das DSM-5 führt in diesem Zusammenhang Angst- und Schlafstörungen, Psychosen und Delir auf. Angstzustände nach dem Konsum von THC-haltigen Produkten sind ein häufiger Grund für den Besuch der Notaufnahme. Sie lassen in der Regel innerhalb eines Tages deutlich nach.

Leichte bis schwere psychotische Beschwerden treten bei 5-50% der Konsumenten mit Cannabisintoxikation auf, abhängig von der verwendeten Definition. Etwa ein Fünftel bis die Hälfte derjenigen mit einer cannabisinduzierten Psychose leiden langfristig an einer Schizophrenie-ähnlichen Erkrankung.

Das cannabisinduzierte hyperaktive oder hypoaktive Delir äussert sich durch Desorientierung und Halluzinationen. Einschlafstörungen beim fortgesetzten Konsum von Haschisch oder Marihuana sind leicht und meist vorübergehend, während der Entzug häufig zu schweren Schlafproblemen führt. Diese subakuten Störungen werden in der Regel unterstützend und symptomatisch behandelt.

Entzugssymptome Reizbarkeit, Unruhe, Depression

Etwa die Hälfte der täglichen Cannabiskonsumenten entwickelt nach einer deutlichen Dosisreduktion oder dem Absetzen der Droge meist leicht ausgeprägte Entzugssymptome, die in der Regel von Tag 2 bis Tag 6 zunehmen und nach mehreren Wochen abklingen. Typische, aber häufig nicht behandlungsbedürftige Symptome sind Reizbarkeit, Unruhe und depressive Stimmung. Körperliche Symptome treten selten auf.

Das Auftreten von Entzugssymptomen ist eines der Kriterien für eine Substanzgebrauchsstörung. Weitere Kriterien sind eine erhöhte Toleranz und der fortgesetzte Konsum trotz bereits eingetretener negativer Folgen. Die fehlende Kontrolle über das eigene Konsumverhalten steht jedoch im Vordergrund der Diagnose.

Risiko der Abhängigkeit steigt mit THC-Gehalt

Das Risiko einer Cannabisabhängigkeit steigt mit der Häufigkeit und Dauer des Konsums. 3,5% derjenigen, die die Droge seltener als zwölfmal pro Jahr konsumieren, entwickeln eine solche Störung. Bei täglichem oder nahezu täglichem Konsum beträgt das Risiko ein Drittel. Auch der THC-Gehalt des Cannabis spielt bei der Entwicklung von Abhängigkeit eine Rolle. Genetische Faktoren sowie belastende Erfahrungen oder psychische Auffälligkeiten in der Kindheit oder Jugend sind allgemeine Risikofaktoren, wie bei anderen Drogen auch.

Je nach Schweregrad der Abhängigkeit kommen kurze beratende Interventionen oder psychotherapeutische Methoden zum Einsatz. Medikamente spielen eine untergeordnete Rolle. Betroffene Patienten haben jedoch häufig auch einen problematischen Konsum anderer Drogen und oft auch psychische Begleiterkrankungen.