Welche Medikamente zuerst und wie geht es dann weiter?
Patienten mit Osteoporose brauchen eine dem Risiko angepasste Therapie. Heute stehen verschiedene, sichere und wirksame Medikamente mit unterschiedlicher Wirkungsweise zur Verfügung: auf der einen Seite die antiresorptiven Substanzen, auf der anderen die osteoanabolen. Der niedergelassene Osteologe Dr. Alexander Defèr, Dresden, erläuterte am Online-Kongress Osteologie 21, wer wann mit welcher Substanz behandelt und wie eine adäquate Sequenztherapie bei Osteoporose geplant werden sollte.
In der Praxis muss sich der Arzt bei jedem Patienten konkret entscheiden; das ist nicht immer einfach. Ein Beispiel: Eine 79-jährige Frau hatte nach dem Anheben ihres pflegebedürftigen Ehemanns plötzlich heftige Rückenschmerzen. Im MRI sah man eine frische TH12-Fraktur, aber auch eine ältere Fraktur von LWK 4. Was tun? Der Hausarzt verordnete der Patientin eine Orthese und empfahl ihr, ausreichend Kalzium und Vitamin D aufzunehmen. Keine gute Idee, denn schon drei Monate später kam sie erneut mit einer schmerzhaften Wirbelkörperfraktur.
Was war schief gelaufen? Schon beim ersten Arztkontakt bestand bei der Patientin aufgrund ihrer Frakturen ein sehr hohes Risiko für Folgefrakturen. So erleiden 30 % der Patienten im ersten Jahr nach einer Fraktur weitere Frakturen. Und Patienten mit Wirbelkörperfrakturen haben dabei das höchste Risiko, so Dr. Defèr.
Bei hohem Risiko direkt osteoanabol behandeln
Wie also sollte die Frau behandelt werden? Patienten mit einem hohen Frakturrisiko – und dazu gehören solche mit einer (frischen) Fraktur – sollten zuerst eine osteoanabole Therapie mit Teriparatid oder Romosozumab erhalten, so der Experte. Wichtig sind zudem Vitamin-D-Status und Kalziumaufnahme. Gibt es hier Defizite, ist gezielt zu supplementieren. Empfohlen sind täglich 1000–1500 mg Kalzium und 800–2000 IE Vitamin D . Zusätzlich sollten die Betroffenen eine Physiotherapie, Funktionstraining oder Rehasport verordnet bekommen. Wichtig ist auch, bereits zu Beginn der osteoanabolen Therapie, die je nach Substanz 12 oder 24 Monate dauert, die Patientin darüber aufzuklären, dass nach der Gabe der osteoanabolen Substanz immer eine antiresorptive Folgetherapie notwendig ist, um das Ergebnis der Behandlung nicht zu gefährden.
Generell sollte die Therapie der Osteoporose immer ins Gesamtbild der Patienten eingebettet werden, rät Dr. Defèr. Das heisst, neben dem Frakturrisiko sind die Komorbiditäten, mögliche Nebenwirkungen der geplanten Therapie und der zu erwartende Nutzen zu berücksichtigen. Die Patientin aus dem Fallbeispiel hatte anamnestisch ein Mammakarzinom. Ihr moderater Bluthochdruck war medikamentös gut eingestellt. Zudem wies sie eine Niereninsuffizienz mit einer GFR von 50 ml/min auf. Somit kann die osteoanabole Therapie nur mit Romosozumab erfolgen, denn Teriparatid ist bei Patienten, die ein Karzinom hatten, kontraindiziert. Dagegen ist bei der Gabe von Romosozumab vor allem das kardiovaskuläre Risiko zu beachten. Bei Status nach Schlaganfall oder Herzinfarkt darf Romosozumab nicht gegeben werden und bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz mit einer GFR < 30 ml/min sind fast alle zugelassenen Substanzen kontraindiziert.
Auf die richtige Reihenfolge kommt es an!
In der Behandlung der Osteoporose stellt sich jedoch nicht nur die Frage, mit welcher Substanz der Therapiestart erfolgt. Wichtig ist auch die Frage, wie eine adäquate Sequenztherapie aussehen soll, erklärte Dr. Defèr. So kann man Frauen in der frühen Menopause bei moderatem Frakturrisiko durchaus zunächst über 3–5 Jahre mit einem so genannten SERM, einem selektiven Östrogenrezeptor-Modulator, behandeln. Gab es darunter keine Frakturen, kann eine Therapiepause eingelegt werden. Dabei ist jedoch das Frakturrisiko regelmässig zu evaluieren.
Beim Start der Therapie mit einem Bisphosphonat bringt bei der i.v.-Gabe von Zolendronsäure eine Therapiedauer von mehr als drei Jahren – bei den oralen Bisphosphonaten sind es fünf Jahre – keinen Zusatznutzen. Auch hier gilt: Sind keine Frakturen aufgetreten, kann eine Therapiepause erfolgen, falls doch, sollte auf eine osteoanabole Substanz umgestellt werden.
Bei initialem Einsatz von Denosumab könnte eine Therapiepause dagegen fatale Folgen haben. Hier muss immer eine Anschlusstherapie zum Beispiel mit einer einmaligen Gabe von Zolendronsäure i.v. erfolgen. Sonst besteht die Gefahr multipler Wirbelkörperfrakturen, warnte der Osteologe. Nach der Infusion ist die regelmässige Kontrolle der Knochenumbaumarker notwendig: Steigen diese an, kann sofort reagiert und erneut Zolendronsäure gegeben werden. Kommt es unter der Therapie mit Denosumab zu Frakturen, gibt es zwei Optionen: Entweder man gibt additiv Teriparatid oder man stellt auf Romosozumab um.
Hat man bisher den Verlauf der Erkrankung und das Ansprechen der Therapie mittels repetitiver DXA-Messungen beurteilt, ist heute aufgrund neuer Daten bekannt, dass die Knochenumbauparameter dazu besser geeignet sind: So zeigen der Abbaumarker CTX oder noch besser der Anbaumarker P1NP frühzeitig an, ob die Therapie anspricht oder nicht. P1NP ist in der Analytik sehr robust und kann auch bestimmt werden, wenn die Patienten nicht nüchtern sind. Dr. Defèr berichtete, dass dieses Vorgehen in die Empfehlungen der neuen DVO-Leitlinie eingehen wird.