Zeitgemässe Diagnostik bei Zöliakieverdacht
Mit einer Prävalenz von etwa 1 % gilt die Zöliakie als häufigste nicht infektiöse chronisch-entzündliche Erkrankung des Darmes. Als "klassische" Beschwerden gelten Bauchschmerzen, Durchfälle, Gewichtsverlust und Gedeihstörungen. Viel häufiger macht sich die entzündliche Dünndarmerkrankung aber durch die indirekten Auswirkungen einer Malabsorption (Anämie, Osteoporose etc.) bemerkbar.
Auch assoziierte Autoimmunerkrankungen, wie Typ-1- Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis oder Dermatitis herpetiformis, weisen nicht selten auf die Zöliakie hin. Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression, peripherer Neuropathie, IgA-Nephropathie und sogar Obstipation können ebenfalls vorkommen.
Pathogenetische Faktoren sind gut untersucht
Die Symptomatik ist so vielfältig, dass die Zöliakie auch als das "Chamäleon der Inneren Medizin" bezeichnet wird, schreibt Professor Dr. Dr. Detlef Schuppan von der Universitätsmedizin der Universitätsmedizin Mainz. Oft bessern sich diese Beschwerden, wenn die Betroffenen auf glutenhaltige Getreidearten, wie Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel, verzichten. Die Erkrankung kann sich in jedem Lebensalter manifestieren.
Eine unbehandelte oligosymptomatische Zöliakie kann sich akut verschlechtern, beispielsweise, wenn der kranke Darm zusätzlich durch Virusinfektionen oder andere Stressoren geschädigt wird. Bleibt das Leiden über lange Zeit unerkannt und unbehandelt, steigt das Risiko für gastrointestinale Tumoren, wie z.B. das intestinale T-Zell-Lymphom, an. Die Zöliakie-Pathogenese ist gut erforscht:
- Eindeutiger Auslöser ist das mit der Nahrung aufgenommene Speicherprotein Gluten.
- Notwendige Voraussetzung für die Entwicklung einer Zöliakie ist das Vorliegen von HLA-DQ2 oder HLA-DQ8. Allerdings tragen 30 bis 50 % der Allgemeinbevölkerung diese genetische Veranlagung, nur etwa jeder 30. Genträger entwickelt eine Zöliakie.
- Das körpereigene Enzym und Autoantigen Gewebstransglutaminase (TG2) steigert die immunstimulierende Wirkung der Glutenpeptide und damit die Entzündungsreaktion in der Dünndarmschleimhaut.
Bei Verdacht auf Zöliakie sollten IgA-Antikörper gegen das Autoantigen TG2 im Serum bestimmt werden – und zwar unter glutenhaltiger Ernährung. Dies ist laut Prof. Schuppan ein exzellenter Suchtest. Der TG2-Test ist gut reproduzierbar, exakt quantitativ und kann in Routinelabors durchgeführt werden; er hat in den letzten Jahren den Test auf IgA-Autoantikörper gegen Endomysium zunehmend abgelöst.
Rund 2 % der Zöliakie-Patienten weisen einen selektiven IgA-Mangel und damit negative IgA-Autoantikörpertests auf. Daher empfehlen aktuelle Leitlinien, initial auch den IgA-Spiegel oder mit dem IgA-anti-TG2-Test auch gleich den IgG-Spiegel gegen TG2 oder gegen DGP (deamidierte Gliadinpeptide) mitzubestimmen.
Goldstandard in der Diagnostik ist weiterhin die endoskopisch-bioptische Untersuchung des Dünndarms im Rahmen einer Ösophago-Gastro-Duodenoskopie. Im Bereich des proximalen Dünndarms fallen oft schon makroskopische Veränderungen, wie Schleimhautatrophie oder Verminderung der Falten, auf. Es sollten mindestens sechs Biopsien aus dem Duodenum und Bulbus duodeni entnommen und histologisch untersucht werden. Als Zöliakie-typisch gelten eine Kryptenhyperplasie (Marsh-II-Läsion) oder eine Zottenatrophie (Marsh III).
Alternativen zur Diät werden entwickelt
Wie bereits erwähnt, entwickelt sich eine Zöliakie auf der Basis der genetischen Prädisposition HLA-DQ2 oder HLA-DQ8. Diese Merkmale finden sich jedoch auch häufig bei Gesunden. Ein Gentest kann in manchen Fällen dennoch sinnvoll sein – beispielsweise, wenn ein Patient schon über lange Zeit glutenfrei isst, ohne dass vor Beginn der Diät eine Zöliakie bestätigt wurde. Fällt der Gentest negativ aus, ist eine Zöliakie ausgeschlossen.
Bestehen Zweifel an der Diagnose, ist eine kontrollierte Glutenbelastung angezeigt, beispielsweise mit zwei bis sechs Scheiben normalem Brot täglich. Dies führt innerhalb weniger Wochen in der Mehrzahl der Fälle zu zöliakiespezifischen histologischen und serologischen Befunden.
Die Therapie beruht auf einer streng glutenfreien Ernährung. Das bedeutet einen Verzicht auf alle glutenhaltigen Getreidearten und daraus hergestellte Produkte – eine schwere Belastung für die Patienten, da diese Diät zu sozialen Einschränkungen führt, nicht sehr schmackhaft und zudem deutlich teurer ist als Normalkost. Daher sind unterstützende medikamentöse Therapien dringend erwünscht und auch bereits in Entwicklung.