Medical Tribune
24. Okt. 2022Glitazone schützen, Sulfonylharnstoffe schaden

Diabetesmedikation beeinflusst das Demenzrisiko

Glitazone könnten Patienten mit Typ-2-Diabetes vor Demenz schützen, während Sulfonylharnstoffe das Risiko zu erhöhen scheinen – das bestätigt eine neue Beobachtungsstudie. Das sind zusätzliche Informationen, die Ärzten bei der Auswahl von Glukose-senkenden Medikamenten für Patienten mit hohem Demenzrisiko helfen können.

Old man taking a pill
seb_ra/gettyimages

Oft reichen Anpassungen des Lebensstils wie eine Ernährungsumstellung oder Steigerung der körperlichen Aktivität bei Menschen mit Typ-2-Diabetes nicht für eine langfristige Blutzuckerkontrolle aus.

Für diese Patienten ist die Anwendung oraler Antidiabetika sinnvoll. Diese haben unterschiedliche Wirkmechanismen: Glitazone (auch Thiazolidindione oder Insulin-Sensitizer genannt) verbessern die Insulinsensitivität von Fettgewebe, Leber und Muskulatur und damit die Glukoseaufnahme - sie senken in der Folge den Blutzucker. Sulfonylharnstoffe wirken, indem sie die Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse anregen.

Frühere Analysen über den Zusammenhang von Diabetes und Demenz widersprüchlich

Im Jahr 2015 waren weltweit 55 Millionen Menschen an einer Demenz erkrankt (1). Besonders häufig sind Patienten mit einem Typ-2-Diabetes von Demenz oder einer Alzheimer-Erkrankung betroffen (2). Woher der Zusammenhang kommt, ist bisher noch nicht restlos geklärt. Vermutet wird beispielsweise, dass eine begleitende Adipositas, die bei Typ-2-Diabetikern häufig ist, mit einem erhöhten Demenzrisiko einhergeht. Die bisherigen Analysen lieferten jedoch teils widersprüchliche Daten (3, 4).

Geringeres Demenzrisiko mit Glitazonen, erhöhtes Demenzrisiko mit Sulfonylharnstoffen

Eine neue Studie (5) aus den USA, welche kürzlich im British Medial Journal veröffentlicht wurde, lieferte nun Ergebnisse, die zeigen, dass das Demenzrisiko von der Diabetesmedikation beeinflusst werden könnte. Es handelt sich um eine prospektive Beobachtungsstudie – inkludiert wurden knapp 560.000 Patienten mit einem Typ-2-Diabetes. Die Studie arbeitete mit elektronischen Gesundheitsdaten einer amerikanischen Gesundheitsversicherung für Veteranen. Erfasst wurden Daten von Veteranen, die zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2017 mit einer Antidiabetikatherapie begannen.

Alle Teilnehmer der Studie waren zu Beginn jünger als 60 Jahre alt und demenzfrei. Die Teilnehmer waren mindestens ein Jahr lang unter Behandlung mit einem der untersuchten Wirkstoffe.

Bei ihnen wurde ersichtlich, dass Patienten, die eine Monotherapie mit einem Glitazon erhielten, im Schnitt ein um 22 Prozent geringeres Demenzrisiko aufwiesen als Patienten, die eine alleinige Metformin-Therapie erhielten. Patienten, die mit einer Monotherapie aus Sulfonylharnstoffen behandelt wurden hatten im Gegensatz dazu ein um 12 Prozent erhöhtes Risiko als in der Vergleichsgruppe.

Geringeres Risiko einer vaskulären Demenz mit Glitazonen

Darüber hinaus betonen die Forscher, dass Glitazon-verwandte Behandlungen mit einem deutlich geringeren Risiko einer vaskulären Demenz sowie der Alzheimer-Erkrankung verbunden sei. Das steht im Einklang mit früheren Studien, dass Glitazone die Atherosklerose der Carotis, sowie Schlaganfälle reduzieren kann (6, 7). Gemäss früheren Analysen erhöhen Gefässerkrankungen das Risiko für Alzheimer (8), so dass die Verringerung von Gefässerkrankungen durch Glitazone auch die Entwicklung von Alzheimer Entwicklung verringern könne, so die Forscher.

Ergebnisse wichtig für den klinischen Alltag – weitere Forschung nötig

Die Forscher betonen, dass die Ergänzung von Sulfonylharnstoff mit entweder Metformin oder Glitazonen seine Prodemenz-Effekte teilweise ausgleichen kann. Diese Ergebnisse können bei der Medikamentenauswahl für ältere Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 mit hohem Demenzrisiko helfen.

Die Forscher betonen jedoch, dass sich die Aussagen der Studie zur Demenzverhinderung und -förderung von Diabetesmedikamenten auf die Gruppe der Typ-2-Diabetiker beschränke. Ausserdem betonen sie, dass randomisierte Studien erforderlich sein werden, um diese Effekte zu bestätigen.

Referenzen