Medical Tribune
1. Aug. 2022Rheumatoide Arthritis

Mehr Nutzen als Schaden durch Low-Dose-Glukokortikoide

Auch in niedriger Dosierung von Glukokortikoiden sind die Nebenwirkungen dieser Therapie gefürchtet. Doch bei einer Gabe von fünf Milligramm pro Tag ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis der Nutzen grösser als der Schaden.

Niedrige Kortisondosen haben bei Rheumatikern eindeutig mehr Nutzen als Schaden
iStock/JannHuizenga

Viele Befürchtungen bezüglich der Low-Dose-Therapie stammen aus Beobachtungsstudien mit geringer Evidenz. Tatsächlich kommt es zwar auch bei Dauergabe von fünf Milligramm pro Tag zu mehr Infektionen und Frakturen. «Allerdings ist das Risiko nicht stark, sondern nur gering erhöht», betont Professor Dr. Markus Gaubitz, Rheumatologe und Osteologe in Münster (1).

Infektionsrisiko nur moderat erhöht

Zieht man etwa eine Studie aus dem Jahr 2020 heran, war darin die kumulative Ein-Jahres-Inzidenz für eine schwere Infektion bei Patienten mit Low-Dose-Therapie gegenüber denjenigen ohne Steroidgabe nur leicht erhöht (11 vs. 8,6%). «Auch sonst gibt es wenig Evidenz, dass die kleine tägliche Dosis «etwas Schreckliches macht», so der Experte. In einer Tapering-Studie mit an rheumatoider Arthritis (RA) erkrankten Patienten erwies sich die Nebenwirkungsrate als ähnlich – egal ob die Glukokortikoide nach 24 Wochen Therapie abgesetzt oder low dose weitergegeben wurden. Zudem profitierten die Patienten von der Low-Dose-Therapie: Ihre Zeit bis zum nächsten Schub war länger als die derjenigen ohne Kortison.

Eine aktuelle doppelblinde und placebokontrollierte Studie bringt zusätzliche Klarheit in puncto Schaden und Nutzen der Low-Dose-Steroide. In der GLORIA-Studie (2) erhielten RA-Kranke mit einem Mindestalter von 65 Jahren und einem durchschnittlichen DAS28 von 4,5 entweder Placebo oder fünf Milligramm Prednisolon pro Tag zusätzlich zu ihrer Standardtherapie. Diese bestand bei 79 Prozent aus DMARD, 14 Prozent erhielten Biologika.

Die Krankheitsaktivität war unter Prednisolon geringer, die mittlere Differenz im DAS28 über zwei Jahre betrug gegenüber der Placebogabe 0,37. Unerwünschte Ereignisse (meist nichtschwere Infektionen) traten bei 60 % der Prednisolon- und 49 % der Placebogruppe auf. Damit war das absolute Risiko um elf Prozentpunkte höher, das bereinigte relative Risiko berechneten die Forscher mit 1,24.

Die Abbruchraten glichen sich in beiden Gruppen. Etwa 14 Prozent der Teilnehmer beendeten die Studie aufgrund unerwünschter Wirkungen vorzeitig, rund vier Prozent aufgrund von einer Krankheitsaktivierung.

Substanzen auch in Dosen unter fünf Milligramm pro Tag nutzen

«Low-Dose-Glukokortikoide können häufiger Nebenwirkungen auslösen als Placebo – allerdings in einem eher geringen Prozentsatz», lautet das Fazit von Prof. Gaubitz. Dagegen reduzieren sie verlässlich Entzündung und Schmerzen und führen daher oft zu mehr Mobilität und Lebensqualität. In der Gesamtbilanz sind Low-Dose-Glukokortikoide seiner Meinung nach eher von Vorteil. Er rät, für jeden Patienten individuell die geringste notwendige Dosis zu suchen, immer wieder anzupassen, und auch Dosen von unter fünf Milligramm pro Tag bis hin zu einem Milligramm pro Tag zu nutzen, denn «jedes Milligramm weniger ist grundsätzlich erwünscht».

Referenzen
  1. 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
  2. Boers M et al. Low dose, add-on prednisolone in patients with rheumatoid arthritis aged 65+: the pragmatic randomised, double-blind placebo-controlled GLORIA trial. Ann Rheum Dis. 2022 Jul;81(7):925-936. doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221957.