Medical Tribune
23. März 2021Interview mit Vincent Gruntz

«Unsere Vision ist die Vergütung ab dem Tag der Zulassung»

Vincent Gruntz
zVg

General Manager Oncology, Novartis Pharma Schweiz AG

Neue Krebstherapien bringen neue Herausforderungen mit sich – nicht nur bei der Preisfindung, sondern auch mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und Onkologen.

Novartis hat die Onkologie-Sparte vor einigen Jahren zu einem eigenen Geschäftsbereich aufgewertet und macht jetzt Schlagzeilen mit vielversprechenden Zukäufen. Wohin geht die Reise?

Novartis ist in der Onkologie einzigartig aufgestellt. Wir entwickeln nicht nur personalisierte und immunoonkologische Medikamente, sondern sind auch Pionier im Bereich der Zell- und Gentherapien sowie der Radioliganden-Therapien. Dadurch haben wir die Möglichkeit, diese verschiedenen Plattformen miteinander zu kombinieren, was uns ganz neue Therapieansätze eröffnet. Diese innovativen Therapien verstärken einen Trend, der bereits vor einigen Jahren begonnen hat: Krebsbehandlungen werden immer individueller, die Arbeit der Onkologen immer komplexer. Hier wollen wir mit unseren Teams ansetzen und einen echten Mehrwert für Ärzte und Patienten schaffen. Natürlich indem wir wirksame und sichere Medikamente liefern, aber auch über die Medikamente hinaus.

Wie muss man sich das vorstellen?

Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den Anspruch, für die Onkologen Partner auf Augenhöhe zu sein. Das heisst einerseits, dass sie kompetent über die komplexen Therapien und die entsprechenden Daten diskutieren können. Das heisst aber auch, dass sie die Bedürfnisse der Kunden erfassen und Lösungen erarbeiten können. Ein Kernproblem vieler Onkologen ist der Zeitmangel – Ansätze, die ihnen helfen, beispielsweise bestimmte Prozesse zu vereinfachen, werden darum sehr geschätzt. Wir testen zum Beispiel mit einer Partnerfirma zusammen ein Gerät, mit dem Patienten bestimmte Blutwerte selbst messen können. Die Patienten müssen folglich seltener ins Spital und können ihre Blutwerte gleichzeitig besser kontrollieren. Das spart den Onkologen Zeit und verbessert im Idealfall auch den Therapieerfolg. Ein anderes Beispiel ist eine App, die es dem Arzt mittels Virtual Reality ermöglicht, die Wirkungsweise eines unserer Medikamente dem Patienten anschaulich und einfach verständlich zu erklären.

Welche Rolle spielen Sie als General Manager der Onkologiesparte dabei?

Für diese veränderte Form der Zusammenarbeit mit den Kunden brauchen wir Mitarbeiter, die unternehmerisch denken und ihre Stärken und Entwicklungsbedürfnisse kennen. Ich sehe es als eine meiner Hauptaufgaben, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter wohl fühlen, in dem sie Verantwortung übernehmen und ihr Bestes geben. Novartis ist da als Arbeitgeber absolut Spitze. Beispielsweise haben Väter bei Novartis in der Schweiz 18 Wochen Vaterschaftsurlaub – das ist einzigartig in der Schweiz. Ausserdem haben wir eingeführt, dass die Mitarbeiter selbst darüber bestimmen können, wann und wo sie arbeiten wollen. Damit positionieren wir uns gerade bei den jüngeren Talenten und kreativen Köpfen, für die Selbstbestimmtheit eine grosse Rolle spielt. Und kreative Köpfe, die den Status Quo in Frage stellen, brauchen wir heutzutage mehr denn je.

Warum – hat sich neben der Zusammenarbeit mit den Kunden noch mehr geändert?

Die neuen Therapieformen bringen auch ganz neue Fragestellungen mit sich. Beispielsweise sind manche der neuen Zell- und Gentherapien gar keine Medikamente im klassischen Sinn, sondern hochpersonalisierte Therapien, bei denen z.B. körpereigene T-Zellen der Patienten genetisch so verändert werden, dass sie Krebszellen angreifen und zerstören können. Dadurch stehen nicht nur die Behandlungszentren vor neuen Herausforderungen, sondern auch unser Schweizer Vergütungssystem. Dieses ist nicht auf die Preisfindung für solche hochinnovativen Therapien ausgelegt. Hochinnovative Therapien verlangen auch hochinnovative Preismodelle. Wir arbeiten mit den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen zusammen, um Lösungen zu erarbeiten. Da sind ganz neue Ansätze gefragt! Doch nicht nur in diesem hochinnovativen Bereich kommt unser Pricing-System an seine Grenzen.

Das System ist seit Jahren unverändert – warum sollte es jetzt nicht mehr gut genug sein?

Wir setzen uns dafür ein, dass Schweizer Patienten schnell Zugang zu neuen Krebsmedikamenten bekommen. Laut einer Studie der Universität Zürich sind wir hier zurückgefallen. Schweizer Patienten müssen oft länger auf neue Therapien warten als Patienten in anderen Ländern. Es dauert insbesondere in der Onkologie einfach zu lange, bis ein von Swissmedic zugelassenes Medikament dann auch vom BAG beurteilt und im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet wird. Unsere Vision ist die Vergütung ab dem Tag der Zulassung. Wir leisten gern unseren Beitrag dazu – und wollen somit sicherstellen, dass Schweizer Patienten stets die bestmögliche Behandlung erhalten.

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