Medical Tribune
24. Juli 2015Poststreptokokken-Glomerulonephritis (PSGN)

Postinfektiöse Glomerulonephritis im Wandel

Die klassische Poststreptokokken-Glomerulonephritis (PSGN) tritt bei Kindern in Entwicklungsländern immer noch relativ häufig auf. In industrialisierten Ländern werden hingegen postinfektiöse Glomerulonephritiden (PIGN) immer öfter bei älteren Erwachsenen mit Risikofaktoren – etwa Diabetes, bösartigen Erkrankungen, chronischem Alkoholmissbrauch oder intravenösem Drogenkonsum – diagnostiziert. Der auslösende Infekt ist oft noch aktiv, wenn die PIGN manifest wird, und er spielt sich häufiger im Bereich der Haut oder inneren Organe ab als in den oberen Luftwegen, schreibt Dr. Andreas Fischer vom Kantonsspital Luzern.

Rote Bohnen in einer Glasschüssel
iStock/Inna Tarasenko

Meist verläuft die PSGN selbstlimitierend

Bei der PSGN kommt es typischerweise ein bis drei Wochen nach einer Gruppe-A-Streptokokken-Pharyngitis oder -Hautinfektion zu einem nephritischen Syndrom mit glomerulärer Hämaturie, Proteinurie, arterieller Hypertonie und (milder) Niereninsuffizienz, erinnert der Experte. Oft sind Kinder betroffen. Der direkte oder serologische Nachweis eines Streptokokkeninfekts unterstützt die Diagnose.

Labordiagnostisch werden erhöhte Antistreptolysin-O-Antikörper häufiger nach Halsentzündungen beobachtet, während Anti-DNAse-B-Antikörper nach Hautinfektionen sensitiver sind. Meist verläuft die PSGN selbstlimitierend und die Behandlung beschränkt sich auf unterstützende Massnahmen wie Diuretika und Blutdrucksenker. Die Langzeitprognose ist in der Regel gut. Nur selten entwickelt sich eine terminale Niereninsuffizienz.

Die auslösende Infektion ist meist noch aktiv

Eine PIGN tritt vor allem bei älteren Erwachsenen auf – am häufigsten durch Staphylokokken ausgelöst. Doch auch andere Keime wie Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa oder Klebsiella pneumoniae können eine PIGN verursachen. Sehr oft liegen Hautinfektionen vor, aber es werden auch Infekte der oberen Atemwege, Lungenentzündungen, Endokarditiden, Harnwegsinfekte, tiefe Abszesse u.a. beobachtet. Üblicherweise manifestiert sich eine PIGN als nephritisches Syndrom, wobei die Nierenfunktion oft eine schwerere Einschränkung zeigt als bei der PSGN.

Der Erreger kann in Blutkulturen oder Kulturen des Infektherdes identifiziert werden. Die Prognose der nicht durch Streptokokken ausgelösten PIGN wird von Experten als deutlich schlechter eingestuft im Vergleich zur PSGN. Auch bei adäquater Antibiose erholt sich die Nierenfunktion meist nicht vollständig, einige Patienten bleiben sogar dialysepflichtig.

Vor allem bei Diabetikern mit nicht heilenden Wunden und bei Patienten mit intravenösem Drogenkonsum sollte man im Falle von Kreatininanstiegen oder "aktiven" Urinsedimenten differenzialdiagnostisch auch eine PIGN in Betracht ziehen.

Quelle: Andreas Fischer, Therapeutische Umschau 2015; 72: 141-147