Medical Tribune
13. Okt. 2012Indikationsprüfung ist Pflicht!

Varikozelen-OP: Zurückhaltung ist gefragt!

Das Fallbeispiel: Der 36-jährige Mann hatte bereits eine Varikozelen-Operation hinter sich, klagte aber weiterhin über Skrotumschmerzen links und Schmerzen beim Orgasmus. Der niedergelassene Urologe diagnostizierte ein drittgradiges Varikozelen-Rezidiv und stellte die Indikation zur Operation, wobei er auf dem Einweisungsschein «noch Kinderwunsch» notierte.

Übereifrige Ligatur kostete Hoden

Eine Spermiographie veranlasste der Kollege nicht. Er prüfte auch nicht, ob die Schmerzen des Patienten vielleicht auf eine andere Ursache, z.B. eine Prostatitis, zurückzuführen waren. Die Klinik-Urologen übernahmen die Operationsindikation ungeprüft und verschlossen bei dem Eingriff alle erkennbaren Venen des Samenstrangs und des Ductus deferens.

Hodenatrophie als Preis?!

Eine Varikozele kann mit unterschiedlichen Methoden behandelt werden, beispielsweise mithilfe verschiedener Verfahren der Venenligatur oder durch eine perkutane phlebographische Verödung der Vena testicularis bzw. Venae testiculares.
Doch keine dieser Methoden garantiert einen vollen Behandlungserfolg und das Komplikationsrisiko – Hydrozelenbildung, Varikozelen-Persistenz, Hodenatrophie etc. – ist nicht zu vernachlässigen.

Mit der Folge, dass sich eine hämorrhagische Infarzierung des linken Hodens entwickelte, der schliesslich wegen anhaltender Schmerzen entfernt werden musste. Der histologische Befund lautete: «Vollständige Hodennekrose». Gleich mehrere Fehler sind den Kollegen bei dem 36-Jährigen unterlaufen. In dem Fall ging es um die Verbesserung der Samenqualität zur Erzielung einer Schwangerschaft, schreibt Professor Dr. Volkmar Lent, ehemaliger Chefarzt der Urologischen Abteilung am St. Nikolaus- Stifthospital Andernach, nun tätig in der Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein.

Vor einer Varikozelen-OP immer Spermiogramm!

Es war aber keine Spermiographie durchgeführt worden, um zu überprüfen, ob überhaupt eine Spermiogenesestörung vorlag, die eine Varikozelen- Operation gerechtfertigt hätte. Ausserdem hätte überprüft werden müssen, ob die beklagten Schmerzen tatsächlich durch den «Krampfaderbruch» bedingt waren oder eine andere Ursache, z.B. entzündliche Vorgänge, sie erklärte. Und schliesslich führte eine fehlerhafte Operationstechnik – die Unterbindung sämtlicher Venen des Samenstrangs – zur Infarzierung und zum Verlust des Hodens.

Varikozele: Männer sind zu 90 Prozent fruchtbar!

Etwa fünf bis 30 Prozent der jungen Männer weisen idiopathische Varikozelen auf. Diese «Krampfaderbrüche» bedürfen jedoch oft keiner Therapie! Die Europäische Gesellschaft für Urologie hat die Indikationen zur Behandlung einer Varikozele genau definiert (s. Kasten): Wichtig zu wissen ist, dass die meisten Männer (80 bis 90 %) mit einer Varikozele fruchtbar sind und Väter werden.

Varikozelen behandeln?

  • Für die Varikozele hat die Europäische Gesellschaft für Urologie folgende Therapie-Indikationen definiert:

    • kleiner Hoden (mit Wachstumsrückstand)
    • zusätzlicher Hodenbefund
    • beidseitig tastbare Varikozele
    • pathologisches Spermiogramm
    • symptomatische Varikozele (z.B. durch erworbene Obstruktion des Nierenvenen- und Cavasystems)