Pubertät bei Mädchen: Zu früh, zu spät oder doch rechtzeitig?
Der Beginn der Pubertät zeigt sich bei Mädchen mit der Brustentwicklung. Die erste Periode setzt bei mitteleuropäischen Adoleszentinnen im medianen Alter von 12,5 Jahren ein. Die Variabilität ist allerdings gross. Wie man eine zu frühe und zu späte Pubertät erkennen kann, und wann eine Therapie sinnvoll ist, erklären zwei Expertinnen.
Die Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse ist bereits in utero vrübergehend aktiv. Durch die zunehmend pulsweise Ausschüttung von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) mit zunehmendem Alter werden die Geschlechtshormone LH/FSH und Östrogen beim Mädchen, sowie Testosteron beim Jungen gebildet.
«Dies führt zu den pubertären Veränderungen und der Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale», erklärt Dr. Kerstin Ruoss, leitende Ärztin Kinder- und Jugendgynäkologie am Kinderspital Zürich am Gynea-Symposium 2024.
Pubertät beginnt meist zwischen 8 und 13 Jahren
Klinisch wird das Pubertätsstadium mit dem Tannerstadium der Brustentwicklung (B1–B5) und der Pubesbehaarung (P1–P6) bestimmt. Beim Mädchen beginnt die Pubertät mit der Brustentwicklung, dem Tannerstadium B2. Ein bis drei Jahre später, bei einer Uterusgrösse zwischen 5 und 6 cm, setzt die Menarche ein. «95 % der Mädchen sind zu Beginn der Pubertät zwischen 8 und 13 Jahre alt», so Dr. Ruoss.
Bei einigen Kindern setzt die Entwicklung früher ein. «Ob die Entwicklung normal verläuft, lässt sich primär klinisch beurteilen», erläuterte die Referentin. Dabei spielen die Körpergrösse sowie das Tannerstadium und die Östrogenisierung des Genitales eine wichtige Rolle.
Isolierte prämature Thelarche und Pubarche
Eine häufige Normvariante ist die isolierte prämature Thelarche. Sie liegt vor, wenn Mädchen vor dem achten Lebensjahr ein isoliertes Brustwachstum aufweisen, ohne dass weitere Pubertätszeichen (Östrogenisierung des Genitales, akzeleriertes Knochenalter) vorliegen.
Häufig manifestiert sich eine prämature Thelarche in den ersten zwei Lebensjahren. Sie bildet sich in der Regel von selbst zurück. «Tritt die frühzeitige Brustentwicklung später auf oder zeigt sie sich sehr ausgeprägt, so sind allenfalls weitere Abklärungen notwendig», so Dr. Ruoss. Diese Mädchen müssen engmaschig kontrolliert werden, um einen Übergang in eine Pubertas präecox nicht zu verpassen.
Eine weitere häufige Normvariante ist auch die prämature Pubarche. Ursache ist eine vorzeitige Reifung der Zona reticularis der Nebennierenrinde und die Sekretion von Androgenen. Diese Hormone triggern vorzeitig Achsel- und Pubesbehaarung und Schweissgeruch. Auch diese Kinder werden primär beobachtet. Laboruntersuchungen sind sinnvoll, wenn der Befund ausgeprägt ist, die Entwicklung rasch voranschreitet oder das Knochenalter deutlich avanciert ist. Dabei ist differenzialdiagnostisch v. a. an ein nicht klassisches Adrenogenitales Syndrom (AGS) zu denken.
Genetik und Umweltfaktoren
Welcher Mechanismus genau dazu führt, dass die Pubertät startet, ist unklar. «Der Zeitpunkt ist zu ungefähr 75 Prozent genetisch bedingt», erklärte Dr. Odile Gaisl, Oberärztin Endokrinologie Kinderspital Zürich.
Eine Rolle spielen zudem Umweltfaktoren. So können ein hohes Geburtsgewicht, Nicht- oder Kurzstillen, Adoption sowie hormonaktive Substanzen (z. B. Phthalate, Bisphenol A, Pestizide, Phytoöstrogene) einen frühen Pubertätsstart begünstigen.
Pubertas praecox
Eine Pubertas praecox besteht, wenn die Thelarche vor dem achten Geburtstag beginnt. Unterschieden wird eine Gonadotropin-abhängige und Gonadotropin-unabhängige Form. «Bei der zentralen Pubertas praecox ist das FSH/LH im puberalen Bereich. Bei der Gonadotropin-unabhängigen Form lässt sich Östrogen nachweisen, gleichzeitig sind LH und FSH aber sehr tief», so die Expertin.
Zur Abklärung einer Gonadotropin-abhängigen Pubertas praecox gehört ein Schädel-MRI, da sehr selten ein Gehirntumor die Ursache sein kann. Auch ein Hydrocephalus oder eine Hypothyreose (Overlap-Syndrom) können Gründe für eine vorzeitige Geschlechtsreifung sein. Meist liegt bei Mädchen aber eine idiopathische Form vor.
GnRH-Antagonist blockt Pubertät
Handelt es sich um eine idiopathische Gonadotropin-abhängige Pubertas praecox, erfolgt eine Therapie, wenn das Mädchen noch sehr jung ist oder psychosoziale Gründe vorliegen. Im Alter bis zu 6 Jahren kann eine Therapie mit einem GnRH-Agonist die Endgrösse des Mädchens deutlich beeinflussen, ab 8 Jahren ist dieser Einfluss nicht mehr nachgewiesen. Mit der Gabe eines GnRH-Antagonisten kann die Pubertätsentwicklung eine Zeitlang unterdrückt werden.
Eine verzögerte Pubertät liegt vor, wenn die Pubertät bei Mädchen nach dem 13. und bei Knaben nach dem 14. Lebensjahr beginnt. Ursache ist meistens eine konstitutionelle Verzögerung von Wachstum und Entwicklung. «Pathologien sind selten», so Dr. Gaisl weiter.