Medical Tribune
1. Sept. 2023Spiegeln oder nicht?

Nutzen und Risiken einer Kontrollkoloskopie bei Senioren abwägen

Ist bei alten Menschen mit geringer Lebenserwartung eine Kontrollkoloskopie nach einem Niedrigrisikobefund sinnvoll? Ein US-amerikanisches Forscherteam plädiert dafür, das sorgfältig abzuwägen.

Eine Koloskopie zur Routinekontrolle ergibt bei Senioren oft kaum Sinn.
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Im Schnitt vergehen zwischen der Detektion eines fortgeschrittenen Kolonadenoms und dem Tod aufgrund eines kolorektalen Karzinoms 10 bis 15 Jahre.

Angesichts dieser Zeitspanne und des nicht zu vernachlässigenden Eingriffsrisikos (Blutungen, Perforation) stellt sich die Frage, ob man sehr alten Menschen nach einer endoskopischen Polypabtragung Kontrollkoloskopien zumuten sollte.

Kontrollspiegelung entdeckt nur wenige Karzinome

Bei Niedrig­risikopolypen und/oder einer geringen Lebenserwartung sollte dies zumindest genau überlegt sein, meint ein US-Forscherteam in einer aktuellen Veröffentlichung (1).

Die Wissenschaftler gingen der Frage nach, ob ein Zusammenhang zwischen der geschätzten Lebenserwartung und dem Ergebnis einer Kontrollkoloskopie bzw. den Nachsorgeempfehlungen besteht. Sie werteten die Daten von 9831 Senioren aus (Durchschnittsalter 73 Jahre), die sich nach einer Polypdiagnose einer endoskopischen Kontrolle unterzogen hatten. Bei rund 58 Prozent der Patienten gingen die Forscher von einer Lebenserwartung von mindes­tens zehn und bei 7,5 Prozent von weniger als fünf Jahren aus.

Es fehlt bislang an klaren Empfehlungen

Präkanzeröse Adenome bzw. Karzinome zeigten 7,8 bzw. 0,2 Prozent der Kontrollkoloskopien auf. 5.281 Senioren erhielten eine Empfehlung bezüglich der weiteren Nachsorge. In 87 Prozent dieser Fälle – insbesondere bei hoher Lebenserwartung bzw. fortgeschrittenen Neoplasien – riet man zu weiteren Kontrollen.

Allerdings erhielten auch 58 Prozent der Senioren mit unerheblichem Befund (Normalbefund oder kleine hyperplastische Polypen) und einer Lebenserwartung von weniger als fünf Jahren den Rat, sich erneut zur Spiegelung vorzustellen, so die Autoren.

Die Ergebnisse können bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kontrollendoskopien bei älteren Menschen helfen, meinen die Forscher. Perspektivisch hoffen sie auf klare Empfehlungen dazu, ab welchem Alter auf Verlaufskontrollen verzichtet werden darf.