Nicht nur Single-Frauen lassen Eizellen einfrieren
Die Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) 2017 hat zu einer steigenden Nachfrage des «Social Egg Freezing», der elektiven vorsorglichen Kryokonservierung von Eizellen, geführt. Reproduktionsmediziner Dr. Peter Fehr von der OVA IVF Clinic in Zürich stellte am Forum für medizinische Fortbildung Gynäkologie Update Refresher die Methode näher vor.
«Auseinanderzuhalten ist das ‹Social Egg Freezing› vom ‹Medical Egg Freezing›», sagte Dr. Fehr. Letzteres dient der Erhaltung der Fertilität bei Erkrankungen oder Interventionen, die zum irreversiblen Verlust der Keimzellen führen, und wird seit Juni 2019 in der Schweiz von den Krankenkassen bezahlt. Keine Krankenkassenpflichtleistung indes ist das elektive Anlegen einer Eizellreserve bei nicht unmittelbarem Kinderwunsch, das «Social Freezing».
In der OVA IVF Clinic in Zürich werden etwa ein Viertel aller elektiven Eizellkryokonservierungen in der Schweiz durchgeführt. «Die meisten Frauen, die für ein Social Freezing kommen, sind Singles oder Frauen, die seit Kurzem wieder Single sind», erzählte Dr. Fehr. Es kommen aber auch Frauen mit Partner ohne aktuellen Kinderwunsch, Frauen mit beruflichen Plänen oder Projekten sowie Frauen mit bekannter Einschränkung der ovariellen Reserve.
Ihnen allen gemeinsam ist: Sie wollen ihre Fertilität länger erhalten als es ihre biologische Uhr eigentlich zulässt. Die Fruchtbarkeit nimmt physiologisch ab etwa 35 Jahren ab. Die Eizellreserve wird kleiner und die Spontanaborte nehmen zu. «Zwischen 35 und 40 Jahren beträgt die Abortrate 25 %, zwischen 40 und 45 Jahren über 50 %», erläuterte Dr. Fehr. Auch die Qualität der Oozyten nimmt mit dem Alter ab. Die Aneuploidierate ist zwischen 30 und 35 Jahren mit 30 % noch tief, mit 44 Jahren beträgt sie schon fast 90 %.
Kryokonservierung möglichst vor 35 Jahren
Das Social Freezing bietet Frauen die einzige Möglichkeit, einen nicht unmittelbaren Kinderwunsch später zu realisieren und dabei die altersentsprechende, genetische Eizellqualität zum Zeitpunkt des Einfrierens zu erhalten», erläuterte Dr. Fehr. Konkret bedeutet dies zum Beispiel: Lässt eine 35-jährige Frau ihre Eizellen einfrieren und diese zehn Jahre später mit Hilfe einer ICSI (intrazytoplasmatische Spermieninjektion) künstlich befruchten, erreicht sie statistisch eine Verbesserung der Aneuploidierate um 50 %.
«Damit die Chance gross ist, mit Social Freezing später auch tatsächlich einmal ein Kind auf die Welt bringen zu können, sollten Frauen zum Zeitpunkt der Kryokonservierung möglichst jünger als 35 Jahre sein», so der Reproduktionsmediziner. Auch ist es empfehlenswert, 15 bis 18 Eizellen kryokonservieren zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, mit 24 eingefrorenen Eizellen später ein Kind auf die Welt zu bringen, beträgt bei unter 35-jährigen Frauen 94 % und bei über 35-jährigen 60 %. «Werden aber nur fünf Eizellen kryokonserviert, beträgt die Chance für eine spätere Schwangerschaft und Geburt selbst bei jüngeren Frauen nur 16 % und bei älteren sogar nur 6 %», so der Experte.
Kosten sind nur in Einzelfällen ein Hindernis
Bereits im Rahmen des Erstgesprächs erfolgt eine erste Einschätzung, wo die Frau punkto Fertilität aktuell steht. Grundlage dazu bietet der Wert des Antimüllerhormons. Entscheidet sich die Patientin nach der Aufklärung für eine Kryokonservierung von Oozyten, wird gemäss Dr. Fehr die hormonelle Stimulation der Eizellreifung so durchgeführt, dass möglichst 70 % der Eizellen der vorhanden antralen Follikel gewonnen werden können. Die Kosten für das Social Freezing – inklusive einem späteren Auftauen der Eizellen und einer anschliessenden ICSI-Behandlung – bezifferte der Experte mit bestenfalls knapp 8000 Franken.
«Das Geld ist aber nur selten der Grund, warum sich etwa ein Drittel der Frauen nach dem Erstgespräch doch gegen ein Social Freezing entscheidet», sagte Dr. Fehr. Deutlich stärker fällt ins Gewicht, dass sich Frauen das Prozedere einfacher vorgestellt und mit besseren Erfolgsaussichten auf eine spätere Geburt gerechnet haben.
In der Schweiz ist die Kryokonservierung von Oozyten im FMedG geregelt. Nach der FERTISAVE-Statistik wurden 2018 in der Schweiz insgesamt 92 Kinder nach Social Freezing und ICSI-Behandlung geboren. Die Anzahl dürfte aber tatsächlich etwa um ein Drittel höher sein, da in der Statistik nur die Zahlen von 15 der insgesamt 28 Zentren in der Schweiz enthalten sind. Dennoch ist der Anteil der Geburten nach Social Freezing mit 1,5 % deutlich geringer als nach einer IVF. Wie oft eingefrorene Oozyten einmal für eine ICSI-Behandlung verwendet würden, sei nicht erforscht, führte Dr. Fehr weiter aus.