Medical Tribune
26. Apr. 2019

Bereits über 40 Patienten am Universitätsspital Basel behandelt

BASEL – Aus eigenem Körpergewebe eine Aortenklappe konstruieren? Seit einigen Jahren wird das am Universitätsspital in Basel und weiteren Institutionen in der Schweiz nach der sogenannten Ozaki-Methode gemacht.

Professor Dr. Oliver Reuthebuch, Chefarzt-Stellvertreter, Klinik für Herzchirurgie am Universitätsspital Basel, erklärt, wie die Methode funktioniert und welche Vorteile sie bietet.
Chirurgisch implantierte mechanische Aortenklappen mit unbegrenzter Lebensdauer werden meist bei jüngeren Patienten implantiert, erfordern jedoch eine lebenslange medikamentöse Antikoagulation. Biologische Klappen aus Schweine- oder Rindergewebe benötigen zwar keine Antikoagulation, haben jedoch eine begrenzte Lebensdauer von ca. 15 Jahren, weshalb sie meistens erst bei älteren Patienten implantiert werden. Folglich besteht ein Interesse, den Patienten eine alternative Lösung mit eigenem Gewebe anbieten zu können.

Der japanische Herzchirurg Professor Dr. Shigeyuki Ozaki, Toho University, Tokyo, hat eine Methode entwickelt, bei der aus körpereigenem Perikard die Taschen einer Aortenklappe unter Erhalt des natürlichen Klappenrings rekonstruiert werden. So bleiben die natürlichen beweglichen Eigenschaften der Aortenklappe in der Aortenwurzel erhalten.

Pioniere in der Schweiz

«Wir waren in Basel 2015 das erste europäische Zentrum, das die Ozaki-Technik nach der CE-Zertifizierung eingesetzt hat», sagte Prof. Reuthebuch im Gespräch mit Hospital Tribune. «Die Patienten sind sehr froh über dieses Angebot. Viele Betroffene sind artfremdem Gewebe in Herzklappen gegenüber skeptisch eingestellt und vertrauen eher körpereigenem Gewebe.» In Frage für dieses Verfahren kommen Patienten mit Stenosen, undichten Segeln oder Endokarditis, die vom Heart-Team des Universitätsspitals intensiv abgeklärt oder zugewiesen worden sind.

Bei der Operation wird der vordere Teil des Herzbeutels, welcher sonst durchtrennt wird, vorsichtig präpariert. Hieraus werden später die drei Taschen für die neue Aortenklappe gewonnen. Das Perikard ist kranial dünner als diaphragmal. «Für grosse Taschen nehmen wir eher Perikard von unten, weil es stabiler ist. Für kleinere Taschen nehmen wir dünneres Perikard, weil es flexibler ist. Die Unterschiede sind nicht bedeutsam, aber sie sind da», so Prof. Reuthebuch.

Nach dem Herauspräparieren wird das Perikard aufgespannt. Die parietale, obere Seite muss von Fett-, Bindegewebe und Blutgefässen befreit werden. So wird verhindert, dass sich Material von der rekonstruierten Klappe lösen kann. Die Perikardseite, die auf dem Herz liegt, ist glatt und braucht nicht bearbeitet werden. Nachdem die Perikardvorlage gesäubert ist, wird sie in 0,6%iges Glutaraldehyd eingelegt. «Damit gerben wir zehn Minuten lang das Perikard ähnlich wie bei der Lederverarbeitung», sagte Prof. Reuthebuch. Mit dieser Prozedur werden die Moleküle intensiver vernetzt und somit die Stabilität des Gewebes erhöht. Im herzchirurgischen Labor des Universitätsspitals Basel wird derzeit auch der Einfluss anderer Einwirkzeiten erforscht. Nach dem «Gerben» wird das Perikard mit Kochsalzlösung mehrmals gründlichst gespült und gereinigt.

Die alte Aortenklappe wird nun bei angeschlossener Herz-Lungen-Maschine konventionell chirurgisch entfernt. Danach erfolgt die exakte, individuelle Vermessung der drei einzelnen Taschen mit speziellen Messgeräten. Mithilfe einer grössenkorrespondierenden Schablone werden die einzelnen Taschen nun auf das Perikard aufgezeichnet, bezeichnet, ausgeschnitten (Abb. 1) und die Neo-Taschen anschliessend mit einer fortlaufenden Naht in den Anulus eingenäht (Abb. 2).

Wichtig ist, dass alle Taschen auf der entsprechenden Höhe zu liegen kommen, um später eine gute Koaptationsfläche und somit eine dichte Klappe zu erhalten (Abb. 3). «Unsere rekonstruierte Klappe muss mindestens der Funktion einer konventionellen Klappe entsprechen. Meist ist aber die Öffnungsfläche der Klappe grösser, da nur die neuen Taschen und kein Gerüst wie bei konventionellen Klappen implantiert wird», so Prof. Reuthebuch. Für die Implantation einer konventionellen Klappenprothese benötigt man ca. 50 Minuten, bei der Ozaki-Technik etwa 80 Minuten, also etwa eine halbe Stunde länger. «Aber das ist – ausser bei schlechter Herzfunktion – klinisch nicht von Relevanz», so der Experte.

Bedarf für Schrittmacher ist selten

Das entnommene native Perikard wurde anfangs durch bovines Perikard ersetzt. Mittlerweile wird in Basel PTFE (Polytetrafluorethylen) verwendet, das den Vorteil hat, absolut inert zu sein und mit dem Gewebe nicht zu verwachsen, was eine etwaige Re-Operation erleichtert.

Bei 3–7 % der Patienten muss nach einem chirurgischen Aortenklappenersatz ein Schrittmacher implantiert werden, da es zu einem AV-Block Grad 3 kommt. Schrittmacher sind bei isolierter Ozaki-Technik, d.h. ohne zusätzliche Operation z.B. an der Mitralklappe, sehr selten. Theoretisch könnte beim Einnähen der Taschen der AV-Knoten oder das HIS-Bündel verletzt werden, aber dank schonender Nahttechnik ist das Risiko sehr gering. Ein weiterer Vorteil der Ozaki-Methode ist, dass auch nur einzelne, defekte Taschen ersetzt werden – die Intakten kann man belassen.

«Die klinischen Erfahrungen in Basel sind bislang sehr gut, wir hören nur Gutes von den Patienten und den Zuweisern», betonte Prof. Reuthebuch. Seit September 2015 wurden 40 Patienten am Universitätsspital mit der neuen Technik behandelt.1 Die ersten ausgewerteten Jahresdaten liegen demnächst vor, Hospital Tribune wird darüber berichten.

In Japan liegen Daten mit 850 Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 118 Monaten mit erfolgreichem Outcome vor.2

In der Schweiz wird die neue Technik neben dem Universitätsspital in Basel am CHUV, am UniversitätsSpital Zürich und bei einzelnen Kliniken der Hirslanden-Gruppe angewandt.

Prof. Reuthebuch engagiert sich als Herzchirurg in einem Spital im vietnamesischen Da Nang. Er verbringt regelmässig einen Teil seiner Ferien dort, um den Herzchirurgen vor Ort nicht nur mit medizinischen Geräten und Material, sondern auch am OP-Tisch zu helfen. Er findet, dass die Ozaki-Technik gerade auch in Ländern, in denen die Kosten einer künstlichen Herzklappe ein limitierender Faktor sind, eine praktikable Lösung darstellt.

Vorteile der Ozaki-Technik:
  • Rekonstruktion der Aortenklappe aus eigenem Gewebe
  • keine Antikoagulation nötig, lediglich 100 mg ASS täglich
  • postoperativ praktisch nie eine Schrittmacherimplantation nötig
  • sehr grosse Klappenöffnungsfläche mit niedrigem Druckgradienten
  • kein Alterslimit
  • hervorragend bei Infektionen, da kein Fremdgewebe

 

Referenzen:

  1. Reuthebuch O et al. Aortic valve replacement using autologous pericardioum: single centre experience with the Ozaki technique. SMJ 2018; 148: w14591.
  2. Ozaki S et al. Midterm outcomes after aortic valve neocuspidization with glutaraldehyde-treated autologous pericardium. J Thorac Cardiovasc Surg 2018; 155(6): 2379–2387.