Medical Tribune
15. Apr. 2019Industriezucker ist das Gift des 21. Jahrhunderts

Bittere Wahrheit über süsse Alternativen

Agavendicksaft und Co. sind nicht besser als Industriezucker.

Industriezucker ist das Gift des 21. Jahrhunderts, heisst es in manchen Ernährungsratgebern. Stattdessen solle man natürliche Süssungsmittel nutzen. Verbraucher glauben das gerne. Doch die Alternativen sind weder gesünder noch ökologischer – dafür aber teurer.

Ein übermässiger Konsum süsser Lebensmittel erhöht das Risiko für Übergewicht sowie ernährungsbedingte Krankheiten und stellt ein ernstes gesellschaftliches Problem dar. Die WHO empfiehlt deshalb eine maximale Zucker­aufnahme von weniger als 10 Prozent der Gesamtenergiemenge.

Zwar ist der weisse Haushaltszucker hierzulande nach wie vor das beliebteste süssende Lebensmittel, doch seit einigen Jahren nimmt im Zuge des sogenannten Clean-­Eating-Trends, bei dem auf den weissen Zucker verzichtet werden soll, das Angebot an «gesunden» Alternativen stetig zu. Die im Gegensatz zum Industriezucker meist teureren Produkte locken mit «milder Süsse aus Agavendicksaft», «natürlicher Süsse aus Honig» und suggerieren einen gesundheitlichen Vorteil.

Honig

Die Qualität des Honigs variiert je nach Herkunft, Gewinnung, Angebotsform und Verwendungszweck. Honig hat aufgrund der Enzyme Glukoseoxidase und Methylglyoxal – berühmt dafür ist der Manukahonig aus Neuseeland – eine antibakterielle Wirkung. Da Honig Bakterien wie Clostridium botulinum enthalten kann, eignet er sich nicht für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern unter einem Jahr.

Ahornsirup

Ahornsirup wird überwiegend in Kanada und den USA aus dem Saft des Ahornbaums gewonnen. Die ­europäische Qualitätseinteilung beinhaltet fünf Stufen: AA, A, B, C und D, wobei AA die hellste und hochwertigste ist.

Agavensirup

Agavensirup wird vor allem in Mexiko aus Agavenherzen gewonnen und ist insbesondere wegen seines niedrigen glykämischen Index sehr beliebt. Er enthält hauptsächlich Fruktose, aber auch Glukose, Saccharose sowie Inulin.

Reissirup

Reissirup stammt ursprünglich aus der asiatischen Küche. Die im Reismehl enthaltene Stärke wird durch Zugabe von Enzymen zu Mono-, Di- und Oligosacchariden aufgespalten. Reissirup ist nahezu fruktosefrei und somit bei Fruktose-
intoleranz geeignet. Er kann relevante Mengen an anorganischem Arsen enthalten, weshalb jedermann, besonders aber Säuglinge und Kleinkinder, einen übermässigen Verzehr vermeiden sollte.

Kokosblütenzucker

Kokosblütenzucker wird in Süd­ostasien aus dem Saft der Kokospalme gewonnen, der bis zur Kristallisation der enthaltenen Saccharose konzentriert wird. Anschliessend wird das Kristall-Sirup-Gemisch mit karamellartigem Geschmack getrocknet.

Ganz gleich, aus welcher Pflanze er stammt: Kein Zucker ist nachweislich gesundheitsfördernder als der andere. Viel wichtiger ist – unabhängig von Art und Herkunft des Zuckers – ein moderater Konsum süsser und süssender Lebensmittel, schreibt Dr. Jana Maria Knies vom Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit der Universität Paderborn. Der Verbraucher sollte sich durch vermeintlich «gesündere» oder «natürlichere» süssende Zutaten nicht täuschen lassen.

Der Blick auf das Etikett verrät, wieviel Zucker tatsächlich in einem Lebensmittel enthalten ist – unabhängig davon, ob es mit Zucker, Honig oder Agavendicksaft gesüsst wurde. Die Angabe «ohne Zuckerzusatz» auf der Verpackung bedeutet lediglich, dass dem Produkt keine Zucker zugesetzt wurden, aber nicht, dass keine darin enthalten sind.

Keine Vorteile hinsichlich Diabetes oder Karies

Auch bieten Zuckeralternativen keinen Vorteil hinsichtlich der Entstehung von Karies, der Ernährung bei Diabetes mellitus oder der Aufnahme nennenswerter Mengen an Mineralstoffen, Vitaminen oder Antioxidantien. Personen mit Fruktosemalabsorption sollten auch mit Zuckeralternativen eher zurückhaltend sein. Für sie sind insbesondere Honig oder Agavendicksaft aufgrund des hohen Fruktosegehalts ungeeignet.

Ökonomisch und ökologisch schneidet Rübenzucker übrigens deutlich besser ab als die allermeis­ten anderen süssenden Lebensmittel. Deren «ökologischer Fussabdruck» ist nämlich aufgrund langer Transportwege oft sehr gross und tief.

Quelle:

Knies JM. Ernährungs Umschau 2019; 2: M88–M97.