Medical Tribune
8. März 2019

Die Apotheker bekommen mehr Kompetenzen

Neue gesetzliche Grundlagen für die Arzneimittelabgabe.

BERN – Am Symposium «Fortschritte in der Pharmakologie» hielt Professor Dr. Stephan Krähenbühl, Chefarzt Klinische Pharmakologie & Toxikologie, Universität Basel, das Einführungsreferat. Er berichtete über den Status quo nach Inkrafttreten der Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) zu Beginn des Jahres 2019. Als Arzt und Apotheker war er prädestiniert für eine ausgewogene Situationsanalyse. Veranstalter war die Swiss Society of Pharmacology and Toxicology.

Die HMG-Revision geht ursprünglich auf die Motion «Neue Regelung der Selbstmedikation» (07.3290) der Nationalrats-Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N) aus dem Jahr 2007 zurück. Diese setzte sich dafür ein, die Selbstmedikation zu vereinfachen und vorhandene Fachkompetenzen bei der Abgabe von Arzneimitteln besser auszuschöpfen:

  • Aufhebung der Abgabekategorie C,
  • Erweiterung der Kategorie D,
  • Erleichterung der Abgabe von Arzneimitteln der Kategorie B,
  • die Grenze zwischen Kategorien mit und ohne Verschreibungspflicht soll flexibler werden, ohne die Behandlungssicherheit zu gefährden.

Es war klar, dass das keine leichte Geburt werden würde und es hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis die Neuerungen in Kraft getreten sind. Doch die Bücher sind noch keineswegs geschlossen, denn mit der Umteilung der bisherigen Arzneimittel der Liste C in die Liste D und B war nur ein wesentlicher Schritt vollzogen.

Die Liste C als Auslaufmodell

Auf den ersten Blick könnte man die Situation so beschreiben: Detailhandel enttäuscht, Drogisten erfreut, Apotheker hatten mehr erwartet und Ärzte melden Bedenken an. Die Fakten: Die bisherige Liste C mit 630 apothekenpflichtigen Arzneimitteln wurde mit der HMG-Revision abgeschafft und gleichzeitig eine Umteilung vorgenommen. Swissmedic hat 100 Medikamente der Liste C aufgrund eines Abhängigkeitspotenzials, wegen potenziell schwerwiegender Interaktionen und/oder wegen einer besonderen Dokumentationspflicht in die Kategorie B hochgestuft. In die Liste D kamen die verbleibenden 530 Präparate, die nun von Drogisten abgegeben werden dürfen.

Die Umteilung von der Kategorie C in die Kategorie B betraf unter anderem folgende Wirkstoffe: Dextromethorphan, Codein, Diphenhydramin, Guaifenesin, Domperidon, Mometason, Beclometason, Triamcinolon und Kalium.

Seit dem 1. Januar 2019 dürfen Apotheker auch ohne Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung folgende Humanarzneimittel der Abgabekategorie B abgeben:

  • Arzneimittel zur Behandlung von häufig auftretenden Krankheiten, sofern es sich um Arzneimittel mit bekannten, seit mehreren Jahren zugelassenen Wirkstoffen handelt. Die entsprechenden Indikationen und die zulässigen Arzneimittel sind in einem Anhang aufgeführt.
  • Arzneimittel zur Weiterführung einer Dauermedikation während eines Jahres nach der ärztlichen Erstverschreibung.
  • Arzneimittel, für deren sichere Anwendung bei der Abgabe eine Fachberatung durch eine Medizinalperson erforderlich ist und die bis zum 1. Januar 2019 der Kategorie C angehörten und von der Swissmedic neu in die Abgabekategorie B eingeteilt wurden (v.a. Arzneimittel mit bekanntem Missbrauchspotenzial oder mit dem Potenzial für schwerwiegende Interaktionen).

Gewisse Arzneimittel sind von Abgabe ausgeschlossen

Von einer Abgabe ohne ärztliche Verordnung ausgeschlossen sind folgende Arzneimittel: Solche für Indikationen, die eine ärztliche Diagnose erfordern (ausser Dauertherapie), Arzneimittel der Kategorie A, Arzneimittel mit neuem Wirkstoff (< 5 Jahre), Arzneimittel mit kontrollierten Substanzen gemäss Betäubungsmittelrecht sowie systemisch wirkende Antibiotika.

Es besteht für verschreibungspflichtige Arzneimittel, welche ohne eine ärztliche Verordnung abgegeben werden, eine umfassende Dokumentationspflicht (s. Kasten).

Ein Jahr vor Inkrafttreten des revidierten HMG setzte das BAG eine beratende Expertengruppe ein, die mit der Erarbeitung von Indikations- und Arzneistofflisten beauftragt wurde. Bei den 14 Mitgliedern der Expertengruppe handelt es sich um Ärzte und Apotheker (7+7). Prof. Krähenbühl amtet als Präsident. Die Vorschläge müssen mehrheitlich angenommen werden und bei Stimmengleichheit zählt die Stimme des Präsidenten doppelt. Die letztendlichen Entscheidungen werden vom BAG getroffen und müssen vom Bundesrat genehmigt werden.

Die Arbeit der Expertengruppe ist anspruchsvoll und es ist aufwendig, einen Konsens zu finden, wie Prof. Krähenbühl betonte. Bisher existiert nur für die Indikation «allergische Rhinitis» eine genehmigte Arzneimittel-Liste.

Dokumentationspflicht (Art. 48 HMG)

Jede Abgabe nach Art. 24 HMG muss in elektronischer oder schriftlicher Form dokumentiert werden, wobei folgende Informationen erforderlich sind:

  • Name, Vorname, Geburtsdatum und Geschlecht des Patienten
  • Bezeichnung der Abgabestelle und der abgebenden Person
  • Bezeichnung des abgegebenen Arzneimittels, Dosierung und Packungsgrösse
  • Datum der Abgabe
  • Angaben, welche die Nachvollziehbarkeit des Entscheides über die Abgabe ermöglichen