Medical Tribune
1. Okt. 2015Intention-to-treat- oder On-treatment-Analyse?

Studienergebnisse richtig interpretieren

Um Ergebnisse klinischer Studien richtig einschätzen zu können, ist es wichtig zu wissen, mit welchen statistischen Analysen gearbeitet wurde.

Randomisierte kontrollierte Studien haben die medizinische Praxis revolutioniert, erklärte Professor Dr. Stuart J.Connolly, McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada, am Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC). Durch die Reduktion systematischer Fehler, die Studienergebnisse verzerren können (Bias), lässt sich die Wirksamkeit einer Behandlung sehr genau eingeschätzen. Am besten gelingt die Ausschaltung solcher Bias durch die Randomisierung und die doppelte Verblindung.  Bevor es randomisierte Studien gab, liess sich diese Genauigkeit nicht erreichen, betonte der Referent.

Bei der Intention-to-treat-(ITT-) Analyse bleibt die Randomisierung erhalten: Alle Patienten, die randomisiert wurden, gehen in die Auswertung ein, gleichgültig, ob sie die Therapie erhalten haben oder z.B. nach der ersten Behandlung gestorben sind. Die Patienten werden bis zum Studienende weiter beobachtet, auch wenn sie die Therapie gestoppt  haben. Die ITT-Analyse ist pragmatisch und reflektiert den Praxisalltag. «Wenn Sie ein Medikament verschreiben, wissen Sie auch nicht, ob der Patient es tatsächlich immer einnimmt», so Prof. Connolly. Die ITT-Analyse ist der Goldstandard für Zulassungsstudien. Sie vermittelt die grösstmögliche unverfälschte Information der Therapieeffekte, Der Nachteil: Die ITT-Analyse unterschätzt den wahren Vorteil der Behandlung, da sie Patienten einschliesst, die nicht behandelt wurden.

Bei der On-treatment-(OT-) Analyse dagegen werden Patienten ausgeschlossen, die das Medikament nicht genommen haben. Die Nachbeobachtung wird gestoppt, sobald der Patient die Therapie beendet.

On-treatment-Analyse für Sicherheitsbewertung

In die Bewertung geht nur ein, was passiert, wenn der Patient das Medikament wie verschrieben einnimmt. Die OT-Analyse wird deshalb häufig für die Sicherheitsanalyse verwendet. Hier interessiert die Zulassungsbehörden, den wirklichen Effekt und die potenziellen Nebenwirkungen eines Medikamentes zu erfahren. Dies ist nur möglich, wenn Patienten dies auch wirklich genommen haben. Verursacht z. B. eine Substanz Blutungen und viele Patienten haben das Medikament abgesetzt, unterschätzt die ITT-Analyse diesen Effekt. Der Nachteil der OT-Analyse: Sie kann potenzielle Bias einschleusen, weil sie die ursprüngliche Randomisierung unterbricht, warnte Prof. Connolly.


Spezielle Situation: Non-inferiority-Studie

In einer Nichtunterlegenheitsstudie (non inferiority) besteht das Ziel darin nachzuweisen, dass eine Behandlung nicht signifikant schlechter ist als die Standardtherapie. Da die ITT-Analyse dazu tendiert, Unterschiede zu unterschätzen, ist es wahrscheinlich, dass fälschlicherweise Nichtunterlegenheit angenommen wird, obwohl es einen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungen gibt. Hier sollte besser primär oder zusätzlich eine OT-Analyse zum Zug kommen. Die Überlegenheitsstudie (Superiority) soll dagegen zeigen, dass die Behandlung A besser ist als die Behandlung B bzw. Placebo. Hier ist die ITT-Analyse die unverfälschte Analyse: Sie unterschätzt zwar die Differenz zwischen zwei Behandlungen, dies kann aber durch eine Erhöhung der Teststärke abgefangen werden, erklärte Prof. Connolly.