Medical Tribune
8. Nov. 2024Hyperurikämie: Unbeteiligter Zuschauer oder bedrohlicher Feind von Herz und Nieren?

Wer von der Harnsäuresenkung profitiert

Nicht selten findet sich bei Patienten im Labor ein erhöhter Harnsäurewert. Die meisten davon haben keine Symptome. Sollte trotzdem eine harnsäuresenkende Therapie eingeleitet werden? Können dadurch Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen oder deren Progression vermieden werden? Am EULAR-Kongress 2024 diskutierten Experten über diese Fragen.

Eine erhöhte Harnsäure korreliert mit kardiovaskulären Problemen und der chronischen Nierenerkrankung.
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Erhöhte Harnsäurespiegel führen durch oxidativen Stress zu Zellschäden, endothelialer Dysfunktion und zur Proliferation vaskulärer glatter Muskelzellen.

Das zeigen zumindest In-vitro-Untersuchungen und Tierexperimente.

Verbindung zwischen Harnsäure und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Erkenntnisse und Einschränkungen

Viele Beobachtungsstudien beschreiben eine Assoziation zwischen erhöhten Harnsäurespiegeln und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie

  • Bluthochdruck,
  • Hypercholesterinämie,
  • koronarer Herzerkrankung und
  • Herzinsuffizienz.

Zudem zeigte sich eine Korrelation zwischen erhöhter Harnsäure und einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität. Allerdings konnten Mendelsche Randomisierungsstudien keinen kausalen Zusammenhang belegen, erklärte Prof. Dr. Abhishek Abhishek, University of Nottingham (1).

In solchen Studien werden genetische Varianten genutzt, um kausale Zusammenhänge zwischen potenziellen Risikofaktoren, hier der erhöhten Harnsäure, und bestimmten Erkrankungen zu bestimmen. Der Rheumatologe betonte, dass ein medikamentöses Absenken erhöhter Harnsäurespiegel Patienten ohne Gicht nicht vor kardiovaskulären Erkrankungen schützt.

Er präsentierte dabei verschiedene Studien (ALL HEART, FREED, PRIZE) zur Therapie mit Allopurinol, Probenezid oder Febuxostat. In keiner davon zeigte sich ein statistisch signifikanter, positiver Einfluss auf die kardiovaskulären Endpunkte.

Die Hyperurikämie für sich allein führt nicht direkt zum Entstehen kardiovaskulärer Erkrankungen, kann dies aber möglicherweise durch rezidivierende Gichtanfälle bei Patienten mit Gicht begünstigen.

Prof. Abhishek­ empfahl daher, bei Patienten mit Gicht erhöhte Harnsäurespiegel abzusenken, um Gichtanfälle zu vermeiden. So können vielleicht indirekt kardiovaskuläre Ereignisse verhindert werden. Allerdings gibt es bisher keine Studien, die dies belegen.

Zusammenhang zwischen Hyperurikämie, Gicht und chronischer Nierenerkrankung

Auch Hyperurikämie, Gicht und chronische Nierenerkrankungen treten häufig gemeinsam auf. So führt eine eingeschränkte Nierenfunktion zu erhöhten Harnsäurespiegeln und über eine reduzierte Ausscheidung der Harnsäure zu einem erhöhten Risiko, an Gicht zu erkranken, so Prof. Dr. Nicola Dalbeth, University of Auckland.

Beobachtungsstudien zeigen übereinstimmend eine Assoziation zwischen Hyperurikämie und dem Entstehen chronischer Nierenerkrankungen. Zudem scheint eine erhöhte Harnsäure schädlich für Nierenzellen zu sein, was viele In-vitro- und In-vivo-Studien zeigen.

Aber analog zur Studienlage im Bereich der kardiovaskulären Erkrankungen unterstützen Mendelsche Randomisierungsstudien nicht die These, dass eine erhöhte Harnsäure chronische Nierenschäden verursacht.

Einfluss von Harnsäuresenkung auf die Nierenfunktion

Prof. Dalbeth konnte anhand aktueller Studien eindeutig zeigen, dass ein therapeutisches Absenken erhöhter Harnsäurewerte keinen positiven Effekt auf die Progression von Nierenschäden hat.

Eine Hyperurikämie verursacht im Allgemeinen keine chronischen Nierenschäden, ausgenommen davon sind Patienten mit ausgeprägten Gichttophi und medullären Ablagerungen von Harnsäurekristallen.

Allerdings gibt es auch bei Gicht-Patienten keine Evidenz aus randomisierten Studien, dass eine harnsäuresenkende Therapie einen direkten Einfluss auf die Nierenfunktion hat.

Empfehlungen für Patienten mit Gicht und Nierenerkrankungen

Weil aber Patienten mit Gicht häufig chronische Nierenerkrankungen haben, forderte die Rheumatologin, bei dieser Klientel immer die Nierenfunktion zu kon­trollieren und andere Risikofaktoren für die Nieren proaktiv anzugehen.

Sie betonte zudem, dass die Therapie mit Xanthinoxidase-Hemmern wie Allopurinol oder Febuxostat keine Nierenschäden verursacht, was viele Studien eindeutig gezeigt haben.

Sie empfahl, bei Patienten mit Gicht konsequent erhöhte Harnsäurewerte abzusenken, um so das Auftreten von Gichttophi und medullären Kristallablagerungen zu vermeiden. Zudem führt eine gute Kontrolle der Gicht durch eine harnsäuresenkende Therapie dazu, dass die Betroffenen weniger NSAR benötigen, so die Expertin – was indirekt gut für die Nieren ist.