Medical Tribune
6. Okt. 2024Schwierig, aber machbar

Gleichzeitige Anwendung von Immunsuppressiva und Checkpoint-Inhibitoren

Checkpoint-Inhibitoren und Immunsuppressiva gleichzeitig anzuwenden, gleicht dem Versuch, Katze und Hund zu einem harmonischen Zusammenleben zu bewegen. Es ist also möglich, aber meist sehr knifflig, hiess es am European Lung Cancer Congress 2024.

Bei gleichzeitiger Anwendung von Immunsuppressiva und Checkpoint-Inhibitoren ist einiges zu beachten.
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Es gibt drei Gründe für die gleichzeitige Gabe von Immunsuppressiva und Checkpoint-Inhibitoren, berichtete Professor Dr. Dr. Michel Obeid vom Lausanne Center for Immuno-Oncology Toxicities (1).

So behandelt man schwere immunbedingte Nebenwirkungen (irAE) von Checkpoint-Inhibitoren mit Tocilizumab, einem Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor. Eine weitere Indikation ist die Sekundärprophylaxe bei einer Rechallenge mit Checkpoint-Inhibitoren nach vorherigem Auftreten von irAE.

Pilotstudie zu Tocilizumab bei Checkpoint-Inhibitor-bedingter Arthritis

Prof. Obeid berichtete über eine eigene, noch nicht publizierte Pilotstudie, in der 27 Patienten eine durch Checkpoint-Inhibitoren bedingte Arthritis aufwiesen. Drei erhielten Tocilizumab als Erstlinientherapie, 17 (63 %) in der Zweitlinie nach Kortikosteroiden und eine Person bekam den Antikörper in der Drittlinie.

Bei allen Betroffenen gingen nach 10–12 Wochen und auch noch nach 24 Wochen die Arthritis-Symptome um mindestens 70 Prozent zurück, 81 Prozent benötigten nach 24 Wochen keine Steroide mehr.

Rechallenge mit Checkpoint-Inhibitoren und Tocilizumab-Sekundärprophylaxe

Eine Rechallenge mit einem Checkpoint-Inhibitor erhielten 15 Erkrankte, zwölf (80 %) bekamen als Sekundärprophylaxe Tocilizumab. Die Immuntherapie konnte man im Median über 138 Tage weiterführen.

Bei 60 Prozent der Patienten lief sie über mehr als 90 Tage. In keinem Fall musste man sie wegen eines Wiederaufflackerns der Arthritis beenden. Ein Drittel entwickelte allerdings andere Formen von irAE. 40 Prozent sprachen unter der Tocilizumab-Prophylaxe auf Checkpoint-Inhibitoren an.

Unterschiedliche Ansätze für aktive und inaktive Autoimmunerkrankungen

Die Primärprophylaxe wegen Autoimmunerkrankungen oder nach einer Organtransplantation stellt eine weitere Indikation für eine Immunsuppression im Kontext einer onkologischen Immuntherapie dar. Wie Prof. Obeid berichtete, sei im Hinblick auf die Sicherheit ein abgestuftes Vorgehen zu empfehlen:

  • Patienten und Patientinnen mit inaktivem Autoimmunleiden benötigen keine Immunsuppression
  • Patienten und Patientinnen mit geringer Krankheitsaktivität kommen meist mit einem Immunmodulator oder einem niedrig dosierten Immunsuppressivum aus
  • Aktive Autoimmunerkrankungen stellen eine Herausforderung bei Patienten und Patientinnen dar und erfordern eine besondere Strategie

Im Falle einer aktiven Erkrankung empfahl Prof. Obeid ein mehrstufiges Verfahren:

  • In der ersten Stufe, der Therapie-Rotationsphase, sollten hochpotente Immunsuppressiva abgesetzt und durch niedrigpotente im Sinne einer selektiven immunsuppressiven Therapie (SIT) ersetzt werden.
  • In Stufe 2, der sogenannten Stabilisationsphase, sollte gesichert werden, dass es kein Aufflackern von Autoimmunsymptomen gibt und dass die SIT sicher ist.
  • In der dritten Stufe wird die SIT als Erhaltungstherapie fortgeführt und mit dem Checkpoint-Inhibitor kombiniert – begleitet durch ein aktives Monitoring.

Vorgehen bei organtransplantierten Patienten

Ähnlich könne man bei organtransplantierten Patienten verfahren, wie der Vortragende an einem Fallbeispiel einer Person mit Doppeltransplantation demonstrierte (siehe Kasten).

Das Fazit von Prof. Obeid: Die Kombination von Immunsuppression und onkologischer Immuntherapie ist eine Herausforderung, für die es kaum Evidenz aus kontrollierten Studien gibt. Eine Therapierotation von hoch- hin zu niedrigpotenten Immunsuppressiva vor Beginn der Checkpoint-Inhibitoren sei essenziell.

Fallbeispiel einer Doppeltransplantation und Behandlung mit T-VEC

Prof. Obeid präsentierte den Fall einer Person, die nach einer Doppeltransplantation von Herz und Niere an einem kutanen Plattenepithelkarzinom erkrankte. Sie konnte erfolgreich mit T-VEC, einem onkolytischen Virus, behandelt werden, nachdem zuvor Mycophenolat Mofetil und ein Calcineurin-Inhibitor abgesetzt und durch einen mTOR-Inhibitor ersetzt worden waren. Unter dieser Strategie verbesserte sich die Effektorfunktion von CD4+ und CD8+ T-Lymphozyten deutlich.