Medical Tribune
1. Juli 2024Autoinflammatorische Erkrankungen frühzeitig erkennen

Immer wieder Schmerzen und Fieberschübe?

Rezidivierende Fieberschübe mit Bauch- und Gelenkschmerzen sowie Hautmanifestationen: Bei Kindern kann dies auf eine autoinflammatorische Erkrankung hinweisen. Die Diagnose ist anspruchsvoll, sollte aber früh erfolgen, um Organschäden zu verhindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Fieberschübe und Gelenksschmerzen bei Kindern können durch eine autoinflammatorische Erkrankung, etwa durch permanente Makrophagenaktivierung, verursacht werden.
mdaktaruzzaman/stock.adobe.com (generiert mit KI)

Autoinflammatorische Erkrankungen (AID) umfassen seltene, oft genetisch bedingte Krankheiten, die durch eine Fehlregulation des angeborenen Immunsystems entstehen.

Sie unterscheiden sich damit von klassischen Autoimmunerkrankungen, die auf einer Störung des adaptiven Immunsystems und der Bildung von Autoantikörpern beruhen. Die Übergänge sind jedoch fliessend, und es gibt für beide Störungen Überlappungen mit Immundefizienz, ist in einer aktuellen deutschen Übersichtsarbeit zu lesen (1).

Autoinflammatorische Erkrankungen: Symptome und Einteilung

Die häufigsten Symptome der autoinflammatorischen Erkrankungen sind Fieberschübe, Bauch-, Gelenk- und Kopfschmerzen sowie Haut- und Schleimhautveränderungen. Diese unspezifischen Beschwerden treten im Kindesalter auch bei Infektionen auf, was die Diagnose erschwert. Im Durchschnitt dauert es sieben Jahre, bis eine Diagnose gestellt wird.

Inzwischen sind über 40 auslösende Gene bekannt. Man unterscheidet dabei seltene monogene AID von den etwas häufigeren multifaktoriellen Formen. Die ersten beschriebenen monogenen AID waren vier hereditäre periodische Fiebersyndrome:

  • cryopyrinassoziiertes periodisches Syndrom (CAPS)
  • TNF-Rezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom (TRAPS)
  • Mevalonat Kinase Deficiency (MKD)/Hyper-IgD-Syndrom (HIDS)

Trotz der bekannten Gene bleibt bei 40 bis 60 Prozent der Patienten mit AID-typischem Phänotyp die Diagnose unklar. Sie werden den undefined AID (uAID) zugeordnet.

Monogene AID werden auch nach Pathophysiologie eingeteilt

Eine einheitliche Systematik aller monogenen AID existiert bisher nicht. Eine Einteilung nach der zugrunde liegenden Pathophysiologie wurde vorgeschlagen:

Inflammasomopathien beruhen auf einem überreagierenden Inflammasom, das durch vermehrte Sekretion bestimmter Interleukine (IL-1b, IL-18) gekennzeichnet ist. Typische Vertreter sind die IL-1b-assoziierten Fiebersyndrome wie FMF, CAPS, TRAPS und MKD.

Interferonopathien zeichnen sich durch eine Aktivierung des Typ-I-Interferonwegs aus, zu dieser Gruppe gehören das Aicardi-Goutières-Syndrom und das proteasomassoziierte autoinflammatorische Syndrom (PRAAS).

Relopathien führen zu einer Überaktivierung des NF-κB-Signalwegs mit Induktion proinflammatorischer Moleküle, dazu zählen die genetische Psoriasis und das otulinvermittelte autoinflammatorische Syndrom (ORAS).

Zur Gruppe der Erkrankungen mit Makrophagenaktivierung gehört die familiäre Hämophagozytäre Lymphohistiocytosis (FHL1-5).

AID mit unklarem Pathomechanismus umfassen die Adenosin-Deaminase-2-Defizienz und die SIFD (sideroblastische Anämie, Immundefizienz, Fieber, Entwicklungsverzögerung) sowie die frühkindliche chronisch-entzündliche Darmentzündung durch IL-10-Defizienz.

Multifaktorielle AID

Multifaktorielle AID sind etwas häufiger als monogene. Ein Vertreter ist die systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA) mit übermässiger Produktion von IL-1 und IL-6. Typisch sind Arthritis und intermittierendes Fieber sowie mindestens ein weiteres Kriterium wie flüchtiger erythematöser Hautausschlag, generalisierte Lymphknotenvergrösserung, Hepato- und/oder Splenomegalie oder Serositis.

Eine weitere Erkrankung ist das PFAPA-Syndrom, das häufig im Kindergartenalter auftritt und periodische Fieberepisoden, Pharyngitis oder orale Aphthen sowie zervikale Lymphknotenschwellung ohne infektiöse Ursache umfasst. Zwischen den Episoden erscheinen die Kinder völlig gesund.

Differenzialdiagnosen der AID ausschliessen

Die Diagnose der AID ist eine Herausforderung und beruht auf der Symptomatik und dem typischen Zeitverlauf. Zahlreiche Differenzialdiagnosen wie rheumatische, immunologische, onkologische und autoimmune Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden – ebenso wie benigne Hyperthermie, Medikamentenfieber oder ein Münchhausen-by-Proxy-Syndrom.

Im Labor findet man Hinweise auf eine systemische Inflammation wie beschleunigte BSG, erhöhtes CRP, Serum-Amyloid-A (SAA) und Calprotectin. Diese Parameter sind jedoch unspezifisch und können auch bei schweren Infektionen erhöht sein. Bei einigen Formen sind die Biomarker nur im akuten Schub erhöht, bei anderen auch zwischen den Schüben.

Manche Syndrome führen zu charakteristischen Symptomen, die bei der Diagnosestellung wegweisend sein können. Dazu gehören periorbitale Ödeme bei TRAPS, schwere, zystische Akne mit sterilen Abszessen bei Pyogener Arthritis, Pyoderma gangraenosum und Akne (PAPA) oder livedoartige Hautmanifestationen sowie Frostbeulen beim Aicardi-Goutières-Syndrom. Für einige AID stehen gezielte genetische Untersuchungen zur Verfügung, zunehmend werden aber auch Paneluntersuchungen oder Next Generation Sequencing (NGS) angeboten.

Zunehmend gibt es zielgerichtete Ansätze

Kausale Therapien fehlen bisher. Bei vielen hereditären AID gibt es Ansätze mit gezielter Blockade bestimmter Zytokine oder proinflammatorischer Moleküle. Einige AID-Formen sprechen gut auf Kortikosteroide an, bei FMF wird Colchicin eingesetzt. Wichtig sind vor allem eine frühzeitige Diagnose und Therapie, betonen die Autoren. Ziel ist es, Amyloidose und andere Organschäden zu verhindern, die Morbidität und Mortalität zu senken und langfristig die Lebensqualität zu verbessern.