Medical Tribune
7. Aug. 2023Damit der Leber der Saft nicht ausgeht

Leberschäden durch Rheuma-Medikamente vermeiden

In der Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen gibt es einige Wirkstoffe, die der Leber schaden. Gut zu wissen, bei welchen Substanzen man aufpassen muss und wie gefährlich das oft gefürchtete Methotrexat tatsächlich ist.

Diverse Medikamente in der Rheumatologie können Leberschäden verursachen.
Science Photo Library/ DENNIS KUNKEL MICROSCOPY

Leberzellen am Rand des Organs, ohne Gefässe und Bindegewebe (kolorierte elektronenmikroskopische Aufnahme).

Medikamentös induzierte Leberschäden gelten als häufigste Ursache eines Leberversagens in der westlichen Welt. «Wir Gastroenterologen nennen das drug-induced liver injury, kurz DILI», erklärt Professor Dr. Christoph­ Sarrazin­, Chefarzt am St. Josefs Hospital Wiesbaden (1).

Leberschäden dosisabhängig oder idiosynkratisch?

Als mögliche Auslöser kommen verschiedene Wirkstoffe infrage. Ob NSAR, DMARD oder Glukokortikoide – alle in der Rheumatologie eingesetzten Medikamente können Nebenwirkungen in der Leber hervorrufen, betont der Experte.

Hepatologen unterscheiden bei den DILI zwei Klassen. Intrinsische DILI sind dosisassoziiert, d.h. hoch genug dosiert zwingt man mit dem Medikament jede Leber in die Knie. Klassisches Beispiel ist Paracetamol: «Gibt man davon sechs Gramm, macht man die Leber kaputt», verdeutlicht Prof. Sarrazin die Situation.

Neben Paracetamol gehören aus dem Bereich der Schmerz- und Rheumatherapie auch Methotrexat (siehe Kasten) und Ciclosporin zu den Wirkstoffen, bei denen eine intrinsische Leberschädigung droht. Oder, positiv formuliert, bei denen der Leberschaden durch eine adäquate Dosierung vermieden werden kann.

Viel häufiger als intrinsische sind jedoch idiosynkratische Leberschäden. Bei ihnen lässt sich nicht vorhersagen, bei welchem Patienten eine Substanz der Leber zusetzt und ab welcher Dosis, bzw. zu welchem Zeitpunkt. Theoretisch wäre laut Prof. Sarrazin eine ungefähre Vorhersage möglich, da es einige assoziierte Polymorphismen im HLA-Bereich gibt. Aber diese korrelieren nicht zu hundert Prozent, ausserdem stehen entsprechende Tools für die Praxis nicht zur Verfügung.

Zu den Auslösern idiosynkratischer Leberschäden gehören u.a. die in der Rheumatologie eingesetzten Wirkstoffe Diclofenac, Leflunomid sowie das Urikostatikum Allopurinol. Des Weiteren gehen etwa 15 % der Leberschäden auf Kräuter und Nahrungsergänzungsmittel wie die häufig von jungen Männern konsumierten Muskelaufbaupräparate zurück.

Hepatotoxische Medikamente (Auswahl)

Intrinsische Schädigung durch:

Paracetamol, Methotrexat, Ciclosporin
Amiodaron, Heparin
Statine
Antimetabolite
anabole Steroide

Idiosynkratische Schädigung durch:

Diclofenac, Allopurinol, Leflunomid
Amiodaron, Phenytoin
Bosentan, Lisinopril, Methyldopa
Statine, Fenofibrat
Halothan
Isoniazid, Trovafloxacin, Terbinafin
Tolcapon

Ob sich eine idiosynkratische ­Leberschädigung manifestiert, hängt von verschiedenen Voraussetzungen ab. Dazu gehören neben genetischen Komponenten wie HLA-Polymorphismen auch das weibliche Geschlecht, ein höheres Alter, Alkoholkonsum, begleitende Erkrankungen wie Fettleber oder Diabetes sowie immunmodulierende Faktoren.

Auch die Dosierung ist von Bedeutung. Prof. Sarrazin weist diesbezüglich auf eine goldene Regel hin: «Wenn man – egal von welchem Medikament – weniger als 100 mg pro Tag verordnet, ist eine idiosynkratische Leberschädigung sehr unwahrscheinlich».

Bei einer medikamenteninduzierten Lebertoxizität hilft nur eins: Den auslösenden Wirkstoff sofort absetzen. Allein dadurch bessern sich die Werte nach Tagen – manchmal allerdings auch erst nach Wochen oder Monaten.

Cholestyramin und Steroide in spezifischen Fällen

Für einige Fälle gibt es zudem spezifische Therapien. Zirkulieren Sub­stanzen im enterohepatischen Kreislauf (z.B. Leflunomid), beschleunigt Cholestyramin die Entgiftung. Auf diese Weise gelangt das toxische Agens nicht immer wieder in die Leber. Bei Paracetamol ist N-Acetylcystein der klassische Ant­agonist. Bei immunvermittelten DILI (z.B. durch Checkpoint-Inhibitoren) helfen Steroide, liegt ein cholestatisches Bild vor, gibt man Ursodeoxycholsäure.

Keine Panik unter Methotrexat

Bei Hepatologen besonders gefürchtet ist Methotrexat (MTX), berichtet Prof. Sarrazin. Ein aktuelles Review beleuchtet die Lebertoxizität von MTX. Die Auswertung umfasst Daten von mehr als 1.626 Patienten mit RA, Psoriasisarthritis oder M. Crohn, die bis zu 20 Jahre lang MTX eingenommen hatten. Leichte Leberwerterhöhungen waren sehr häufig und wurden sogar als Compliance-Parameter genutzt, berichtete Prof. Sarrazin. Bei etwa 20 Prozent der Nutzer stiegen die Leberwerte auf das Doppelte der Norm und mehr an. Abgebrochen haben die MTX-Therapie aufgrund erhöhter Leberwerte allerdings nur vier Prozent der Patienten.

Wichtiger als die Leberwerte sind jedoch etwaige MTX-bedingte strukturelle Auswirkungen auf das Organ. Die Analyse ergab, dass MTX zwar das Fibroserisiko um 13 bis 34 Prozent erhöhte. Eine Zirrhose zeigte sich aber nur in bis zu sechs Prozent der Fälle. Kumulative Dosis und Dauer der MTX-Therapie waren keine Risikofaktoren für die Entwicklung einer Leberzirrhose. Stattdessen schlugen bekannte Faktoren wie Alkoholkonsum, Adipositas und Fettleber zu Buche. MTX ist also vor allem in Kombination mit anderen Risikofaktoren gefährlich, meinte Prof. Sarrazin. Dies sorge zwar nicht für Entwarnung, eine «Leberpanik» sei unter MTX aber auch nicht nötig. Sinnvoll ist in jedem Fall, bei Patienten unter einer MTX-Dauertherapie die Leber mittels Fibroscan im Auge zu behalten.