Medical Tribune
5. Dez. 2022Von off label bis zugelassen

Das können die neuen Medikamente bei Kollagenosen und Vaskulitiden

Biologika und small molecules erobern auch die Welt der Kollagenosen und Vaskulitiden. Erste zielgerichtete Wirkstoffe sind schon zugelassen, einige vielversprechende Vertreter stehen kurz davor. Und so manch ein Biologikum empfehlen die Leitlinien auch off label.

Neu oder bald zugelassene zielgerichtete Therapien und Biologika haben in einigen Indikationen bereits gute Evidenzen.
Ozgu Arslan/gettyimages

Biologika und small molecules blockieren als zielgerichtete Wirkstoffe zentrale Schritte in der Pathogenese von Kollagenosen und Vaskulitiden.

Die verhältnismässig neuen Wirkstoffe sollen spezifische therapeutische Effekte bei den meist schwer zu behandelnden Erkrankungen erzielen und vor allem dabei helfen, Glukokortikoide einzusparen. Welche Biologika bei diversen Kollagenosen und Vaskulitiden jeweils erfolgversprechend sind und wie es mit ihrer Zulassung aussieht, hat ein deutsches Rheumatologenteam zusammengefasst.

Lupus erythematodes

Einzige Kollagenose mit zugelassener Biologikatherapie ist der systemische Lupus erythematodes (SLE). Der Antikörper Belimumab richtet sich gegen den B-Lymphozytenstimulierenden Faktor (BLyS). Er zeigt i.v. oder subkutan appliziert eine gute Wirkung bei Haut- und Gelenkmanifestationen. Meist wird er mit Hydroxychloroquin, Azathio­prin oder Mycophenolatmofetil kombiniert. Zugelassen ist Belimumab beim aktiven, autoantikörperpositiven SLE und ganz aktuell auch bei Lupus­nephritis.

Trotz zweier negativer Studien kommt als weiteres Biologikum beim SLE auch der CD20-Antikörper Rituximab zum Zug. Sein Einsatzgebiet sind insbesondere therapierefraktäre Manifestationen am ZNS, schwere Immunthrombozytopenie oder Autoimmunhämolyse. Obinutuzumab, ein weiterer CD20-Antikörper mit verbesserter B-Zell-Depletion, wird derzeit nach erfolgreich abgeschlossener Phase II in einer grossen Phase-III-Studie bei Lupusnephritis geprüft.

Neu zugelassen ist Anifrolumab: Der Interferon-I-Rezeptor-Antikörper verbesserte in Studien u.a. die krankheitsspezifischen Ansprechkriterien. Neben Biologika interessiert man sich in der SLE-Forschung aber auch für JAK-Inhibitoren. Baricitinib scheint vielversprechend und wird derzeit in einer Phase-III-Studie geprüft.

Sjögren-Syndrom

Beim Sjögren-Syndrom bleiben die therapeutischen Möglichkeiten weiterhin unbefriedigend. Weil pathogenetisch die B-Zell-Hyperaktivität eine Rolle spielt, kommen im klinischen Alltag analog zum SLE B-Zell-antagonisierende Therapien zum Einsatz. Doch auch wenn sie in Phase-II- oder Pilotstudien teils gute Ergebnisse erzielten: In Phase-III-Studien konnten bisher weder Rituximab, Belimumab noch Abatacept überzeugen.

Systemische Sklerose (SSc)

Diese Kollagenose ist am schwierigsten zu behandeln, schreiben die Autoren. Deshalb wurden bei der SSc auch schon fast alle Biologika probiert, wobei in kontrollierten Studien keines wirklich erfolgreich war.

  • Rituximab soll Hautverdickung und Lebensqualität positiv beeinflussen, allerdings ist die Qualität der verfügbaren Daten schlecht. Weil es jedoch ein gutes Sicherheitsprofil aufweist, kommt der Wirkstoff aufgrund fehlender Alternativen trotzdem relativ oft zum Einsatz.
  • Vom Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab hatte man sich recht viel versprochen. Leider erreichte er in einer Phase-III-Studie nicht die erhoffte Hautbesserung. Weil Tocilizumab aber die Lunge positiv beeinflusste, wurde es in den USA für die SSc-ILD zugelassen.
  • Abatacept überzeugte in einer Phase-II-Studie in puncto Haut nicht. Das CTLA-4-IgG-Fusionsprotein besserte allerdings sekundäre Endpunkte. Bei ILD und Arthritis kann über seinen Einsatz off label nachgedacht werden, schreiben die Experten.
  • Bereits zugelassen für die SSc-ILD ist der Tyrosinkinaseinhibitor Nintedanib. Es reduziert allerdings nur die Progredienz der Lungenfibrose, andere SSc-Manifestationen beeinflusst Nintedanib offenbar nicht. Deshalb wird das small molecule bei aktiver Erkrankung auch in Kombination mit konventionellen Immunsuppressiva empfohlen.

Autoimmunvermittelte Myositiden

Für die Krankheitsgruppe gibt es bisher noch keine zugelassene Therapie. Biologika kommen trotzdem oft zum Einsatz, allen voran Rituximab. Insbesondere bei Patienten mit Anti-Synthetase-Autoantikörper zeigt der Anti-CD20-Antikörper Effekte, aber auch auf Hautmanifestationen bei Dermatomyositis scheint er einen Effekt zu haben.

Obwohl es immer noch off label ist, kann die Indikation für Rituximab in diesen Fällen grosszügig gestellt werden, betonen die Experten.

Andere Biologika wie Anakinra, Abatacept oder der JAK-Inhibitor Tofacitinib zeigten in kleineren Studien ebenfalls positive Effekte. Für Abatacept erwartet man im Laufe 2022 die Phase-III-Resultate.

Riesenzellarteriitis (RZA)

Bei der RZA steht IL-6 im Mittelpunkt. Daher macht es therapeutisch Sinn, dieses als Angriffspunkt zu wählen: Tocilizumab reduzierte in zwei randomisierten kontrollierten Studien sowohl den Bedarf an Glukokortikoiden als auch das Rezidivrisiko signifikant. Laut Leitlinie wird es bei refraktärem oder rezidivierendem Verlauf der RZA und bei bestehenden oder drohenden Komplikationen durch die Glukokortikoidtherapie empfohlen.

In den ersten Wochen sollte jedoch nicht ganz auf Glukokortikoide verzichtet werden. Ob kürzere GK-Protokolle möglich sind, müssen weitere Studien klären. Wie lange das Biologikum eingenommen werden sollte, ist ebenfalls unklar und muss individuell entschieden werden.

Auch Abatacept könnte sich zu einem Kandidaten für die RZA entwickeln. Es spart Glukokortikoide und wird derzeit geprüft. TNF-a-Blocker erwiesen sich in kon­trollierten Studien trotz zunächst vielversprechender Ergebnisse als unwirksam. Weitere Biologika, aber auch JAK-Inhibitoren befinden sich momentan in der Testung.

ANCA-assoziierte Vaskulitiden (AAV)

Rituximab ist zur Behandlung der Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) und der mikroskopischen Polyangiitis (MPA) zugelassen und gilt der bisherigen Therapie mit Cyclophosphamid (plus Glukokortikoide) als gleichwertig. Möglicherweise ist eine Kombination von Rituximab und Cyclophosphamid effektiv, was derzeit in Studien geprüft wird. Weil Rituximab im Vergleich zu Azathioprin die Rezidivraten signifikant reduziert, gilt es für die Erhaltungstherapie bei schwerer AAV als erste Wahl.

Sowohl der Anti-BLyS-Antikörper Belimumab als auch Abatacept lieferten hinsichtlich der AAV erste positive Signale, zu beiden Wirkstoffen laufen momentan Studien. Erste Daten deuten auch auf einen Effekt von Avacopan hin, zudem soll die Erhaltungstherapie mit dem Komplement-C5a-Rezeptor-Blocker renale Folgeschäden reduzieren – eine Zulassung ist beantragt. Etanercept erwies sich in Studien dagegen als unwirksam.

In der Pathogenese der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) spielt IL-5 eine zentrale Rolle. Der Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab war bisher in Studien mit Patienten, die nur im HNO-Bereich und pulmonal betroffen waren, erfolgreich. Mit ihm liessen sich zudem auch Glukokortikoide einsparen. In den USA ist Mepolizumab zur Behandlung der EGPA zugelassen und wird für Patienten ohne schwere Organbeteiligung in Kombination mit Glukokortikoiden empfohlen. Derzeit laufen Studien mit schwer betroffenen Patienten, die den Stellenwert von Mepolizumab bei EGPA präzisieren sollen.

Die Zulassung zur Behandlung der EGPA ist in der EU beantragt. In der Pipeline befinden sich weitere Anti-IL-5-Biologika. Retrospektive Studien weisen darauf hin, dass bei der EGPA auch Rituximab erfolgreich sein könnte. Sein Stellenwert in puncto Remissionsinduktion und -erhalt wird gegenwärtig in kontrollierten Studien untersucht.

Seltene Vaskulitiden

Bei der Takayasu-Arteriitis sind Biologika zwar nicht zugelassen, offenen Studien und Fallserien zufolge jedoch effektiv. Aktuelle Leitlinien empfehlen bei unzureichendem Ansprechen TNF-a-Inhibitoren und Tocilizumab als Zweitlinientherapie.

Biologika kommen off label auch bei weiteren Vaskulitiden zum Einsatz. So werden TNF-a-Blocker in der entsprechenden Leitlinie für Panarteriitis-nodosa-Patienten empfohlen, allerdings nur, wenn ADA2-Mutationen vorliegen. RTX erhöht die Wahrscheinlichkeit der Remission bei der kryo­globulinämischen Vaskulitis.

Beim Behçet-Syndrom ist der Einsatz von TNF-a-Blockern zu erwägen, wenn schwere Beteiligungen des Nervensystems, der Augen, der grossen Gefässe oder des Gastrointestinaltrakts vorliegen. Zur Uveitisbehandlung schon zugelassen ist dagegen Adalimumab.

Ansatzpunkte der ­verschiedenen Wirkstoffe

  • TNF-alpha: z.B. die Antikörper Adalimumab, Infliximab und Golilumab sowie das Rezeptor-Fusionsprotein Etanercept
  • CTLA-4: Abatacept (IgG-Fusionsprotein)
  • Interferonrezeptor: Anifrolumab
  • BLyS: Belimumab
  • Interleukin: Anakinra (Anti-IL-1), Secukinumab (Anti-IL-17), Usteki­numab und Guselkumab (Anti-IL-23), Tocilizumab (Anti-IL-6-Rezeptor)
  • CD20: Rituximab, Obinutuzumab
  • Tyrosinkinase: Nintedanib
Referenz
  1. Hellmich B, Henes JC. Biologika bei Kollagenosen und Vaskulitiden [Biologics for connective tissue diseases and vasculitides]. Internist (Berl). 2022 Feb;63(2):143-154. German. doi: 10.1007/s00108-021-01249-w