Medical Tribune
10. Feb. 2025Aktuelle Herausforderungen in der Gesundheitspolitik

Warum die Spitalfinanzierung eine Zeitbombe ist

Insbesondere die Teuerung der Jahre 2022/2023 hat die Schweizer Spitallandschaft in Schieflage gebracht. Dr. Daniel Heller, Verwaltungsratspräsident der Kantonsspital Baden AG, erläutert in einem Gastbeitrag die Zusammenhänge und zeigt eine mögliche Lösung auf, um betriebswirtschaftlich gesunde Spitäler wieder auf einen ökonomisch erfolgreichen Weg zu bringen.

Portrait-Foto Dr. Daniel Heller
zVg

Dr. Daniel Heller
Verwaltungsratspräsident Kantonsspital Baden AG

Allein die grossen Universitätsspitäler HUG, CHUV, Insel und USZ haben im Jahr 2023 zusammen über 220 Mio. CHF Verluste angehäuft. In den Jahren 2022, 2023 und 2024 mussten die Kantone Aaargau, Bern, Freiburg, St. Gallen, Zürich und Graubünden fallierende Häuser mit Rettungsschirmen und Subventionen in der Höhe von Hunderten von Millionen Franken stützen.

Grund sind die in den Jahren 2022/23 mit der inflationären Teuerung auf Einkauf, Energie und Lohnanpassungen gestiegenen Kosten. Eine zeitgerechte Anpassung der Tarife ist nicht möglich, da diese in langwierigen Verfahren verhandelt werden müssen. Weder die Krankenversicherer (mit 45 % Anteil am Tarif) noch die Kantone (mit 55 % Anteil am Tarif) haben zudem überhaupt ein Interesse, höhere Entschädigungen zu bezahlen.

Als das neue KVG im Jahr 1995 eingeführt wurde, rechnete niemand mit Inflation. Der normale Rhythmus der Tarifverhandlungen/Tarifanpassungen hinkt der realen Preisentwicklung vor allem in Zeiten inflationärer Tendenzen immer dramatischer hinterher. Ein mittelgrosses Spital mit einer Baserate von etwa 10 000 CHF erleidet bei einer Teuerung von 3 %, die nicht via Tarif­anpassung abgebildet wird, Mindererträge von etwa 7 Mio. CHF pro Jahr (Annahme: 25 000 stationäre Fälle). Insgesamt liefen in den Jahren 2022/23 mit den höchsten Inflationsraten im Personalbereich plus 4,2 % und im Sachkostenbereich plus 7,4 %Teuerung auf.

Pflegeinitiative bringt neue Kosten für Spitäler

Mittlerweile verzehrt die grosse Mehrheit der Spitäler ihre Eigenmittel. Für nicht von Kantonen mit Staatsgarantie gedeckte Spitäler sind zudem die für die bauliche Erneuerung unabdingbaren Bondmärkte zusammengebrochen: Grund ist der Fall GZO Wetzikon. Und die Perspektiven bleiben düster: Die mit der Vernehmlassung im letzten Jahr vorgeschlagene Umsetzung der Pflegeinitiative – Etappe 2 wird für die Spitäler verheerende neue Kosten zeitigen: Ein Zentrumsspital mit ca. 3500 Angestellten und gegen 500 Mio. CHF Umsatz muss mit jährlichen Mehrkosten im Umfang von 11,5 Mio. CHF rechnen.

Bei Spitälern mit einem betrieblichen Gesamtarbeitsvertrag müsste die Wochenarbeitszeit wohl auch für die übrigen Berufsgruppen reduziert werden, was zu zusätzlichen erheblichen Mehrkosten führen würde. Eine Gegenfinanzierung dieser Kosten sieht die bundesrätliche Vorlage nicht vor.

Die Politik tendiert dazu, unterschiedlos alle Spitäler zu retten

Die Folge der ungenügenden Erträge: Die Politik tendiert dazu, unterschiedslos alle Spitäler – ob versorgungsrelevant oder nicht – zu retten. Damit findet absehbar wieder keine Bereinigung in der Spitallandschaft statt. Eine solche ist nach Ansicht aller Experten bereits im Gange und wohl auch nötig, da unsere Spitaldichte im Vergleich noch relativ hoch ist und sich daraus Ineffizienzen ergeben.

Der Treiber einer wünschenswerten und zielführenden Transformation der Spitallandschaft hin zu weniger Häusern soll jedoch nicht primär die finanzielle Situation der Spitäler sein – zum einen sind sie ja in der Regel voll ausgelastet, zum anderen müsste man dann zuerst die Universitätsspitäler schliessen, was absurd wäre. Sinnvoller wäre, wenn die Bereinigung aufgrund einer konsequenten Ambulantisierung und weiteren Kürzung der Aufenthaltsdauer erfolgt. Dies würde eine Transformation mit Reduktion der Spitaldichte ohne Qualitätsverlust und Leistungsabbau ermöglichen.

Vorschlag: Tarife mit einem Teuerungsindex versehen

Jetzt gibt die Politik Gegensteuer: Damian Müller, Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission, fordert im Verein mit einem Vorstoss der nationalrätlichen Schwesterkommission und einer Standesinitiative aus dem Kanton St. Gallen, dass die Tarife mit einem Teuerungsindex versehen werden, der bei inflationären Tendenzen zur Anwendung gelangen soll. «Normale» Teuerungen, wie sie seit der Einführung des KVG oftmals stattfanden (oder auch nicht, phasenweise gab es negative Teuerungsentwicklungen), sollen nicht ausgeglichen werden. Im Fokus der Bestrebungen stehen inflationäre Entwicklungen etwa ab 2 % und mehr pro Jahr.

  • Ein Teuerungsausgleich auf den Tarifen würde wenigstens die betriebswirtschaftlich gesunden Häuser wieder auf den ökonomisch erfolgreichen Weg bringen. Als betriebswirtschaftlich erfolgreich können Häuser gelten, die bis zur Corona-Pandemie mindestens 8–10 % EBITDA erreichten.
  • Das Beispiel des Kantons­spitals Baden (KSB) mit rund 500 Mio. CHF Umsatz beweist, dass bei einem angenommenen Ausgleich der Teuerung (2022/23: + 7,4 % Sachteuerung und + 4,2 % Personalteuerung) nach wie vor überlebensfähige Erträge von über 8 % EBITDA erwirtschaftet werden könnten.
  • Rechenbeispiele zeigen auch, dass betriebswirtschaftlich ungenügend aufgestellten Häusern (z. B. Häuser mit dauerhaft unter 5 % EBITDA-Marge) dieser Teuerungsausgleich allein nicht helfen wird. Damit verhindert der Teuerungsausgleich die Transforma­tion der Spitallandschaft nicht.

Bleibt aber der Ausgleich inflationärer Teuerungsschübe aus, werden wohl schon dieses Jahr weitere Rettungsschirme in der Höhe von Hunderten von Millionen Franken notwendig. Politische Willkür entscheidet dann anstelle von Versorgungsrelevanz, welches Spital subventioniert wird und welches nicht. Es werden sodann vor allem die Steuerzahlenden massiv belastet: Denn die Kantone und Gemeinden retten ihre Spitäler mit Steuergeldern.

EFAS keine alleinige Lösung der Spitalfinanzierung

Auch EFAS wird das Problem der unterfinanzierten Spitäler nicht einfach lösen. Einerseits ist es so, dass die Spitäler schon heute grosse Anbieter von ambulanten Leistungen sind. Ihre Ergebnisse werden nur besser, wenn die ambulanten Tarife kostendeckend sind. Richtig hingegen ist, dass die weitere Ambulantisierung eine Bedingung für eine weitere Entlastung der stationären Versorgung sein wird. Eine weitere Kürzung der Aufenthaltsdauern in den bettenführenden Häusern wird die Transformation mit Reduktion der Spitaldichte möglich machen.

Zur Person

Dr. Daniel Heller ist Partner bei Team Farner AG. Im Jahr 2000 übernahm er das Präsidium der Spezialklinik Barmelweid, wandelte diese als erstes Spital im Kanton Aargau in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft um und wurde 2014 Verwaltungsratspräsident der Kantonsspital Baden AG. Daneben hält er verschiedene Verwaltungsratsmandate im Finanz- und Startup-Bereich. Er hat in Zürich Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaften studiert (Promotion Dr. phil. I).