Medical Tribune
7. Dez. 2023An mögliche Systemerkrankungen denken!

Chronische Rhinosinusitis: Ursachen, Diagnose und Therapie

Die chronische Rhinosinusitis ist häufiger als gedacht, und der Leidensdruck der Betroffenen oft hoch. Den quälenden Symptomen kommt man je nach Schwere mit Lokaltherapien, einer Operation oder Biologika bei. Im Kopf behalten sollte man dabei, dass hinter der chronisch verstopften Nase gelegentlich eine Systemerkrankung steckt.

Take Home Messages

  • Die chronische Sinusitis ist häufig (Prävalenz ca. 5%)
  • Gelegentlich steckt eine Systemerkrankung dahinter (z.B. Vaskulitis, Immundefizienz)
  • Die Therapie ist symptomabhängig, und reicht von Nasenspülungen über Medikamente bis zur Chirurgie
Die chronische Rhinosinusitis ist häufiger als gedacht.
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Eine chronische Rhinosinusitis (CRS) ist keine Seltenheit: Zwischen drei und sechs Prozent der Bevölkerung leiden unter der Erkrankung in unterschiedlichen Ausprägungen, erläutert KD Dr. Hans Rudolf Briner, ORL-Zentrum der Klinik Hirslanden Zürich (1).

Am häufigsten betroffen sind sowohl Männer als auch Frauen im mittleren Alterssegment. Bei einigen Patienten ist der Leidensdruck dabei vergleichbar mit einer chronischen Herzinsuffizienz, Angina pectoris oder chronischen Rückenschmerzen.

Verstopfte Nase, reduzierter Riechsinn, Gesichtsschmerzen

Zu den typischen Symptomen einer Rhinosinusitis zählen

  • Behinderte oder blockierte Nasenatmung
  • Nasale Sekretion (Sekret rinnt dabei entweder aus der Nase [anterior] oder in den Rachen [posterior])
  • Druckgefühl und/oder Schmerzen im Bereich Kopf, Kiefer und Gesicht
  • Verlust des Riechsinns
  • Bei Kindern zusätzlich Husten.

Dauern die Symptome mehr als 12 Wochen an, gilt die Rhinosinusitis als chronisch. Spätestens dann sollte sie abgeklärt werden.

Zur Diagnostik gehören eine gründliche Anamnese, sowie eine endoskopische Untersuchung der Nasengänge. Gegebenenfalls wird auch eine Bildgebung (Computertomografie oder Magnetresonanztomografie) angeordnet, um die Schleimhautschwellung zu beurteilen

Patienten können Infekte oft schlecht bekämpfen

Zu den typischen Befunden der Nase gehören bei der chronischen Rhinosinusitis

  • Schleimhautveränderungen im Bereich der ethmoidalen Drainagewege bzw. den Nasennebenhöhlen
  • Nasenpolypen oder polypoide Schleimhaut und/oder
  • Eitriges Sekret im mittleren Nasengang

Bei vielen Patienten kommen gleich mehrere Faktoren zusammen, die dann zur Entstehung einer chronischen Rhinosinusitis führen, erklärt KD Dr. Briner.

So haben viele Betroffenen enge Drainagewege in der Nase, und eine zusätzliche genetische Neigungen für Entzündungen der Luftwege. Dazu gehört etwa das Vorliegen von Mutationen in Genen, die relevant für Immunfunktionen sind (z.B. Entzündungskaskaden oder die Antikörperproduktion). Das führt dazu, dass Patienten auch oft unter verlängerten bakteriellen, viralen oder fungalen Infektionen leiden.

«In so einer Situation kann dann schon ein normalerweise harmloser Infekt das System zum Überlaufen bringen. Dann schwillt die Schleimhaut auf, die Nebenhöhlen verschliessen sich, und der Keim kann weniger gut beseitigt werden» erklärt KD Dr. Briner.

Wenn die chronische Rhinosinusitis Teil eines grösseren Problems ist

Oft stehen die Probleme mit der Nase jedoch nicht alleine da. Haben Patienten noch andere Symptome, könnte die Rhinosinusitis Teil einer Systemerkrankung sein, erinnert KD Dr. Briner.

Zu den Systemerkrankungen, die häufig mit einer chronischen Rhinosinusitis in Zusammenhang stehen, gehören beispielsweise angeborene Immundefizienzen (etwa ein Mangel an IgG-Subklassen, IgA oder IgM), oder erworbene Immundefizienzen, wie die Common Variable Immunodeficiency CVID.

Seltener tritt die chronische Rhinosinusitis aber auch auf bei

  • Systemischen Vaskulitiden (z.B. Granulomatose mit Polyangiitis [GPA, «M. Wegener»], bzw die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis [EGPA, «Churg Strauss»])
  • Sarkoidose
  • Entzündlichen Darmerkrankungen (C. ulcerosa, M. Crohn).

Die Beteiligung der Nase erklärt sich bei diesen Erkrankungen durch Obstruktionen oder protrahierte Infekte.

Klassifikation der chronischen Rhinosinusitis

Aktuell wird die chronische Rhinosinusitis als erstes je nach Ursache als primär oder sekundär eingeordnet. Der primären CRS liegen dabei genetische Ursachen zugrunde. Die sekundäre CRS entsteht hingegen durch äussere Einflüsse wie Infekte. Tritt die CRS infolge anderer Erkrankungen auf, wird sie ebenfalls als sekundär betrachtet.

Eine weitere Unterscheidung wird anhand der Entzündungsart getroffen. Am häufigsten steckt hinter einer CRS eine Entzündung vom Typ 2, bei der eine eosinophile Inflammation mit den Hauptzytokinen Interleukin (IL)-4, IL-5 und IL-13 vorliegt. Sie äussert sich häufig durch Anschwellungen der Nasenschleimhaut und dem Vorliegen von Nasenpolypen. Systemerkrankungen, mit denen die CRS vom Typ 2 häufig assoziiert sind, sind andere TH2-vermittelte Atemwegserkrankungen wie Asthma oder eine Aspirinintoleranz (NSAID Exacerbated Respiratory Disease, NERD).

Die beiden anderen Entzündungstypen kommen etwas weniger häufig vor, und werden als «Nicht-Typ-2»-CRS zusammengefasst. Es handelt sich dabei um Entzündungen vom Typ 1, bei dem eine neutrophile Entzündung mit dem TH1-Zytokin Interferon-gamma dominiert, sowie um Entzündungen vom Typ 3, der ebenfalls durch neutrophile Infiltrate auffällt, und durch Zytokine der IL-17-Familie (TH17) vermittelt wird.

Im klinischen Alltag relevant für die Klassifikation ist aber auch das Vorhandensein von Schleimhautpolypen. Eine chronische Rhinositis mit Nasenpolypen (CRSwNP) tritt häufig im Zuge der Typ-2-Erkrankung auf. Bei Patienten, bei denen die CRS eher vom Nicht-Typ-2-Typ ist, und durch Infekte und eitrige Exazerbationen bedingt ist, fehlen die Polypen hingegen oft (CRS ohne Nasenpolypen CRSsNP).

Therapie: Von Abwarten bis OP

Leichte Formen der CRS bedürfen keiner Therapie, sagt KD Dr. Briner. Es reiche für gewöhnlich aus, dass Patienten die Diagnose kennen, und bei Verschlechterung weiteren Rat einholen.

Beschwerden, die den Patienten behindern, sollten hingegen unbedingt behandelt werden. Je nach Intensität der Symptome beginnt man dabei mit Nasenspülungen mit Kochsalzlösungen, um Verunreinigungen aus der Nase zu entfernen. Die Salzwasserspülungen lindern die Symptome bei vielen Patienten bereits deutlich, was auch in grossen Studien bestätigt werden konnte.

Reicht das nicht aus, kommen für gewöhnlich topische Steroide in Form von kortikosteroidhaltigen Nasentropfen und -sprays zur Anwendung. Sie sorgen für ein Abschwellen der Nasenschleimhaut und eine bessere Drainagefunktion. Mit unangenehmeren Nebenwirkungen ist bei der intranasalen Kortisontherapie im Gegensatz zu Kortison-haltigen Hautcremes nicht zu rechnen, beruhigt KD Dr. Briner. «Im Gegensatz zur Anwendung von Kortikosteroiden auf der Haut haben wir bei intranasaler Anwendung keinerlei Anhaltspunkte für eine Abhängigkeit oder Gewebsatrophien.» Je nach Symptomatik können die Präparate daher bedenkenlos lebenslang angewendet werden. Mit einer Ausnahme: Bei einem bekannten Glaukom sollte man mit topischen Steroiden vorsichtig sein.

Nebenwirkungen der Kortison-Lokaltherapie, etwa Trockenheit der Nasenschleimhäute oder Nasenbluten lassen sich mit etwas zusätzlicher Nasensalbe gut bewältigen.

Systemische Steroide sollten ausschliesslich Patienten mit schweren Atemwegsobstruktionen anwenden – und das lediglich kurzzeitig über wenige Tage und nur wenige Male im Jahr.

Chirurgie für schwere Fälle

Für Patienten mit starken Symptomen, die gegenüber einer Lokaltherapie refraktär sind, empfiehlt sich laut KD Dr. Briner eine chirurgische Verringerung der entzündlichen Schleimhaut.

Die Operation erweitert dabei enge Drainageverhältnisse, stellt die mukoziliäre Clearance wieder her, und verschafft intranasalen Steroiden besseren Zugang zur Schleimhaut. Geheilt sind Patienten aber auch nach einer Operation nicht, erinnert der Experte. «Denn die Chirurgie ändert nichts an der genetischen Konstellation der Schleimhaut.»

Biologika bei CRS

Auch Biologika, die auf die TH2-getriebene Entzündung wie Dupilumab (anti-IL-4/-IL-13), Omalizumab (anti-IgE) und Mepolizumab (anti-IL-5), haben für KD Dr. Briner zwar ihren Stellenwert, und könnten theoretisch die Steroide ersetzen. «Biologika kosten jedoch im Moment aber noch 13.000 bis 15.000 CHF pro Patient und Jahr, und werden entsprechend nur zurückhaltend gutgesprochen.»

Im Moment werden Biologika daher nur austherapierten Patienten verschrieben, bei denen auch eine Operation keine langfristige Linderung der Symptome bringt.