Medical Tribune
15. Okt. 2023Keine Überlegenheit im Vergleich zur konservativen Behandlung

Bypass für verschlossene Hirnarterien?

Bei Gefässverschlüssen ist der Bypass eine mögliche Alternative zur endoskopischen Wieder­herstellung der Durchblutung. Was in der Peripherie und bei den Herzkranzgefässen gut funktioniert, scheint aber im Gehirn nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Ein chinesisches Team hat nun einen neuen Versuch für einen EC-IC-Bypass gewagt.

Aufnahme Gehrin nach einem Schlaganfall.
Science Photo Library/Zephyr
Ein in den vergangenen zwölf Monaten erlittener Schlaganfall (hier in der rechten Arteria cerebri media) oder transito­rische ischämische Attacke war Voraussetzung für den Einschluss in die Studie.

Extrakranial-intrakraniale ( EC-IC)-Bypässe bei symptomatischem Verschluss der Arteria carotis interna (ACI) oder der Arteria cerebri media (ACM) sind technisch machbar.

Zumindest theoretisch sollte ein ­EC-IC-­Bypass die Durchblutung in den betroffenen Hirnarealen verbessern und (ggf. weiteren) Schlaganfällen vorbeugen.

Chinesisches Chirurgenteam versuchte erneuten Anlauf eines Bypass

Eine erste randomisierte Studie aus dem Jahr 1985, die internationale EC-IC Bypass Study, konnte aber keine Vorteile des Verfahrens im Vergleich zur konservativen Therapie zeigen. Die Schlaganfallhäufigkeit war in beiden Gruppen gleich. Auch in der 2011 publizierten COSS (Carotid Occlusion Surgery Study)-Studie brachte der chirurgische Bypass den Patienten keinen Benefit.

Seither haben sich die technischen Möglichkeiten in der Neurochirurgie deutlich verbessert. Und auch bei der Selektion geeigneter Patienten per Bildgebung gab es Fortschritte. Ein chinesisches Team hat daher einen erneuten Versuch gestartet.

Für die CMOSS (Carotid and Middle Cerebral Artery Occlusion Surgery Study)-Studie rekrutierten die Forscher 324 Patienten mit einem medianen Alter von 52,7 Jahren (79 % Männer). Bei allen bestanden ein ACI- oder ACM-Verschluss und entsprechende Symptome innerhalb der letzten zwölf Monate, die nachweislich auf hämodynamische Auswirkungen der Stenose zurückzuführen waren.

Jeder Zweite wurde auch gefässchirurgisch behandelt

Zusätzlich zur medikamentösen Versorgung erhielt die eine Hälfte der Patienten eine Bypass-Operation. Primärer Endpunkt war eine Kombination aus Schlaganfall oder Tod innerhalb von 30 Tagen nach Randomisierung, und ipsilateralem Schlaganfall nach 30 Tagen bis zwei Jahren.

Den kombinierten Endpunkt erreichten 8,6 Prozent der operierten und 12,3 Prozent der medikamentös behandelten Patienten (Hazard Ratio 0,71). Der Unterschied war jedoch weder klinisch noch statistisch signifikant.

Die Subgruppen­analyse ergab allerdings ein differenzierteres Bild. Während in der Bypass-Gruppe mehr Schlaganfälle innerhalb der ersten 30 Tage auftraten (6,2 % vs. 1,8 %), wurden im Langzeitverlauf in der Kontrollgruppe mehr derartige Ereignisse beobachtet (2,0 % vs. 10,3 %). Es kris­tallisierte sich keine Subgruppe heraus, die klar von dem chirurgischen Eingriff profitierte. An der Anastomose schien es jedenfalls nicht zu liegen. Denn diese war nach zwei Jahren noch bei 93,6 Prozent der Operierten durchgängig.

Erfolge gibt es eher in der medikamentösen Therapie

Die Studie zeigt einmal mehr, dass die Versorgung mit einem EC-IC-Bypass keine klaren Vorteile bringt, so die Einschätzung von Professor­ Dr. ­Seemant ­Chaturvedi und­ Professor­ Dr. J. Marc Simard von der University of Maryland School of Medicine in Baltimore (2). Was die medikamentöse Therapie angeht, könne man im Vergleich zu früheren negativ verlaufenen Untersuchungen immerhin auf Erfolge aus den vergangenen Jahren zurückblicken, etwa bei der Thrombolyse oder in Bezug auf Risikofaktoren wie Dyslipidämie, Hypertonie und Diabetes.

Solange die hämodynamischen Eigenschaften des Gehirns nicht besser verstanden sind, werden sich Neuro­chirurgen deshalb schwer damit tun, ihren Patienten das Verfahren anzubieten, so die Experten.