Medical Tribune
23. Mai 2017Primärprävention von Alzheimer

Kein Alzheimer-Schutz mit Antioxidanzien

Das gilt nach einer aktuellen Studie1 der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Richard Kryscio von der University of Kentucky in Lexington für ältere Männer, die diese Substanzen ergänzend einnahmen. Dabei galten Vitamin E oder Selen als aussichtsreiche Kandidaten für die Prävention, denn oxidativer Stress ist ein Schlüsselmechanismus in der Kaskade von Reaktionen, die eine Alzheimer-Demenz (AD) auslösen.

Alzheimerpräventionsstudie mit Krebspatienten

Die PREADViSE genannte Studie, nach Einschätzung der Autoren die bisher grösste zur Primärprävention von Alzheimer, wurde auf eine Krebsstudie sozusagen «draufgesattelt»: Darin war der Nutzen von Vitamin E und Selen zur Vorbeugung von Prostatakarzinomen in vier Gruppen geprüft worden. Doppelblind und randomisiert erhielten 7540 Männer ab 60 Jahren täglich entweder 400 IU Vitamin E oder 200 μg Selen oder eine Kombination aus beidem oder Placebo, und zwar im Durchschnitt 5,4 Jahre lang. Pa­rallel zu den Onkologen untersuchten die Demenzforscher die Teilnehmer jährlich von 2002 bis 2008 mit einem Gedächtnistest.

Probanden möglicherweise zu jung

Nachdem die Krebsstudie im Jahr 2009 vorzeitig abgebrochen worden war, beobachteten sie eine Kohorte von 3786 Männern für weitere sechs Jahre. Ergaben sich Hinweise auf kognitive Defizite, führten sie ein standardisiertes telefonisches Interview. Teilnehmer, bei denen sich der Verdacht bestätigte, wurden gebeten, einen Arzt zu konsultieren. Insgesamt erkrankten 325 von letztlich 7338 Männern an Alzheimer, wobei die Inzidenz sich in allen Studienarmen nur marginal von der Kon­trollgruppe unterschied (bei Placebo: 4,6 %, Vitamin E: 3,9 %, Selen: 4,1 %, Kombination: 5 %).
Als eine Erklärung für den enttäuschenden Ausgang führt Dr. Steven DeKosky, Alzheimerexperte von der University of Florida, in einem Editorial2 an, dass ein Grossteil der Männer unter 70 Jahre war, in diesem Alter jedoch selten eine Demenz bereits besteht. Auch das erhöhte Bildungslevel der Probanden könne mit der geringen Alzheimer-Inzidenz zusammenhängen.

Auch in der Vorbeugung von Prostata-Ca. versagt

Weiterhin merkt der Experte an, dass die Dokumentation der Tests oft unvollständig war. Der Stopp der ursprünglichen Krebsstudie halbierte zudem die Teilnehmerzahl und führte zu einem reduzierten Vorkommen von Demenz und gesenkter statistischer Aussagekraft.

Kein Trost übrigens: Auch in der Vorbeugung von Prostatakrebs haben die beiden Antioxidanzien versagt. Ein Einfluss auf die Inzidenz war nicht zu bemerken, im Gegenteil zeigte Selen sogar toxische Effekte.

  1. Kryscio RJ et al. JAMA Neurology 2017; online first.

DeKosky ST et al.; a. a. O.